Naturschutz: Bis zum letzten Baum
Die grüne Lunge der Erde stirbt eine Art Rauchertod, denn immer größere Areale verkohlen in den Rodungsfeuern internationaler Agrarkonzerne. Nur neue Wege und endlich die strenge Durchsetzung geltender Gesetze können Brasiliens Regenwald retten. Aber es ist machbar.
Die Beispielliste menschengemachter Naturkatastrophen ist lang: Sie reicht vom Zusammenbruch der Kabeljaubestände durch Überfischung vor Neufundland über das Aussterben unzähliger Buntbarscharten im ostafrikanischen Victoriasee durch absichtlich eingesetzte Raubfische bis hin zum Austrocknen des zentralasiatischen Aralsees. Ihm wurde der lebenswichtige Zufluss durch riesige Bewässerungsmaßnahmen im Baumwollanbau regelrecht abgedreht, sodass er im Wüstenklima schlicht verdunstet. Und ganz oben in dieser Aufzählung der Ökosünden rangiert natürlich auch der Raubbau am Amazonasregenwald in Brasilien.
Was verheißen diese Entwicklungen für die Zukunft des Amazonasbeckens? Und gibt es Möglichkeiten, diesen beängstigenden Trend zu verlangsamen oder ihm gar Einhalt zu gebieten? Schließlich steht mit dem Verlust des noch größten Regenwaldgebiets der Erde einiges auf dem Spiel: von der Artenvielfalt bis zu seinem Einfluss auf das Weltklima.
Im schlimmsten Fall ihrer beiden Hauptberechnungen gehen die Zerstörungen wie gehabt weiter. Außerhalb von Schutzgebieten werden 85 Prozent der Flächen im brasilianischen Amazonasbecken gerodet, innerhalb der ausgewiesenen Schutzgebiete – die ein Drittel dieser Region einnehmen – immerhin noch vierzig Prozent. Insgesamt droht dadurch ein Verlust von zwei Millionen Quadratkilometern Waldfläche, sodass nur noch knapp mehr als die Hälfte der ursprünglichen Ausdehnung übrig bliebe. Typischen Vegetationstypen wie den eher trockenen Waldtypen im Bundesstaat Mato Grosso droht dabei die fast vollständige Vernichtung.
Diese Besonderheit zeigt sich ebenfalls in Studien eines Teams um Alfredo Huete von der Universität von Arizona in Tucson [2]. Der Vergleich von Satellitendaten und Beobachtungen am Boden beweist: Der Amazonasregenwald ergrünt so richtig während der wenigen Trockenmonate, während der in den meisten anderen Ökosystemen der Erde die Vegetation normalerweise eher vertrocknet und braun wird. Doch in ungestörten Wäldern mit ihren großen Bäumen erreichen die Wurzeln vieler Pflanzen noch Wasser in tiefer gelegenen Bodenschichten.
Und da die Wälder als Regulatoren fehlen, befürchten die Forscher um Nepstad bei anhaltender massiver Rodungstätigkeit massive Schwankungen im Wasserstand von zwölf Flusssystemen im Osten und Süden des Amazonasbeckens, denen zukünftig während der Regenzeit große Überschwemmungen und in der Trockenzeit Wassermangel drohen – die ausgedehnte Dürre des letzten Jahres mit Pegeltiefstständen, Versorgungsengpässen der lokalen Bevölkerung und medizinischen Notsituationen war darauf womöglich ein erster Vorgeschmack.
Dort fallen alljährlich bis zu 40 000 Quadratkilometer dem Landhunger von Sojafarmern und Rinderzüchtern zum Opfer, die auf ihren Ländereien billiges Viehfutter und Fleisch für die allzeit aufnahmebereiten Märkte der Industriestaaten produzieren. Und allen Appellen von Politikern, Wissenschaftlern und Naturschützern zum Trotz schreitet dieses Zerstörungswerk heute nicht langsamer fort als vor zehn Jahren – im Gegenteil: Das Tempo scheint sich mancherorts sogar noch zu beschleunigen, wie Satellitendaten zeigen.
Was verheißen diese Entwicklungen für die Zukunft des Amazonasbeckens? Und gibt es Möglichkeiten, diesen beängstigenden Trend zu verlangsamen oder ihm gar Einhalt zu gebieten? Schließlich steht mit dem Verlust des noch größten Regenwaldgebiets der Erde einiges auf dem Spiel: von der Artenvielfalt bis zu seinem Einfluss auf das Weltklima.
Darum simulierten Wissenschaftler um Britaldo Soares-Filho vom Fernerkundungsinstitut im brasilianischen Belo Horizonte und Daniel Nepstad vom Woods Hole Research Center in Massachusetts, wie die Region unter verschiedenen Schutz- und Nutzszenarien bis zum Jahr 2050 aussehen könnte [1]. In ihren Modellen berücksichtigten sie dabei unter anderem das Fortschreiten von Straßenbauprojekten, die Ausweisung von Schutzgebieten und deren tatsächliche rechtliche Durchsetzung und Berücksichtigung sowie die Reaktionen und Einflüsse internationaler Märkte auf Produkte aus dem Regenwald.
Im schlimmsten Fall ihrer beiden Hauptberechnungen gehen die Zerstörungen wie gehabt weiter. Außerhalb von Schutzgebieten werden 85 Prozent der Flächen im brasilianischen Amazonasbecken gerodet, innerhalb der ausgewiesenen Schutzgebiete – die ein Drittel dieser Region einnehmen – immerhin noch vierzig Prozent. Insgesamt droht dadurch ein Verlust von zwei Millionen Quadratkilometern Waldfläche, sodass nur noch knapp mehr als die Hälfte der ursprünglichen Ausdehnung übrig bliebe. Typischen Vegetationstypen wie den eher trockenen Waldtypen im Bundesstaat Mato Grosso droht dabei die fast vollständige Vernichtung.
Demgegenüber steht der optimistische Fall, in dem das System an Parks und Indianerreservaten auf vierzig Prozent des Gebiets ausgedehnt und deren Beachtung auch tatsächlich durchgesetzt werden. Außerhalb davon fällt nur die Hälfte des Baumbestandes unter Motorsägen und Feuern. Zudem sinkt die Abholzungsrate trotz anfänglicher Zunahme nach der Asphaltierung wichtiger Straßen insgesamt ab, da die brasilianische Regierung und lokale Landeigentümer wegen des aufkommenden Emissionshandels zur Vermeidung der Erderwärmung den alternativen monetären Wert der Regenwälder erkennen und sie diesbezüglich besser bewahren. Sollte dies alles tatsächlich gelingen, blieben bis 2050 immerhin drei Viertel der gegenwärtigen Waldfläche verschont.
Wäre es aber wirklich so schlimm, wenn in vier Jahrzehnten nur noch knapp die Hälfte des Amazonasbeckens als "grüne Hölle" firmieren könnte? Diese Frage lässt sich kurz und knapp mit einem Ja beantworten: Neben seiner immensen – und zum großen Teil noch wissenschaftlich gar nicht erfassten – Artenfülle, spielt dieser Urwald eine wichtige, aktive und passive Rolle im globalen und regionalen Klimageschehen. Kommt es tatsächlich zu der von Nepstad und seinen Kollegen prognostizierten schlimmstmöglichen Wendung, könnten 24 bis 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid zusätzlich in die Atmosphäre gelangen und den Treibhauseffekt weiter anheizen. Ohnehin ist Brasilien schon zu den führenden Luftverschmutzern des Planeten aufgestiegen – wegen der Brandrodung am Amazonas.
Zudem erzeugt der Regenwald sein Klima in Teilen selbst: Seine Bäume verdunsten so viel Wasser, dass jeder Tropfen Niederschlag mehrfach recycelt und weiter nach Westen transportiert wird, bis er endlich die Ausläufer der Anden erreicht und von dort in den Flüssen zum Meer zurücktransportiert wird. Dazu sind aber geschlossene Waldareale von der Atlantikküste bis zu den Anden erforderlich, werden sie durchlöchert und in kleine Inseln aufgelöst, kann das System zusammenbrechen und sich der Regenwald in grasiges Savannenland wandeln.
Diese Besonderheit zeigt sich ebenfalls in Studien eines Teams um Alfredo Huete von der Universität von Arizona in Tucson [2]. Der Vergleich von Satellitendaten und Beobachtungen am Boden beweist: Der Amazonasregenwald ergrünt so richtig während der wenigen Trockenmonate, während der in den meisten anderen Ökosystemen der Erde die Vegetation normalerweise eher vertrocknet und braun wird. Doch in ungestörten Wäldern mit ihren großen Bäumen erreichen die Wurzeln vieler Pflanzen noch Wasser in tiefer gelegenen Bodenschichten.
Ganz anders sieht dagegen das Bild auf Viehweiden oder Sojaplantagen aus, deren Gräser und Kulturen nicht über diese Fähigkeit verfügen: Sie vertrocknen deshalb meist während dieser heißen Phase und heizen damit noch zusätzlich die Umgebung auf. Zusätzlich unterbinden sie die Verdunstung des Wassers und damit die Wolkenbildung, weshalb gerade die im Osten der Region extrem fortschreitende Entwaldung äußerst bedenklich erscheint.
Und da die Wälder als Regulatoren fehlen, befürchten die Forscher um Nepstad bei anhaltender massiver Rodungstätigkeit massive Schwankungen im Wasserstand von zwölf Flusssystemen im Osten und Süden des Amazonasbeckens, denen zukünftig während der Regenzeit große Überschwemmungen und in der Trockenzeit Wassermangel drohen – die ausgedehnte Dürre des letzten Jahres mit Pegeltiefstständen, Versorgungsengpässen der lokalen Bevölkerung und medizinischen Notsituationen war darauf womöglich ein erster Vorgeschmack.
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