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Zellmechanismen: Bisher unbekannte Stressproteinsorte verändert Membranen

Hitzeschockprotein in Membran
Pilze, Pflanzen, Bakterien und Tiere bilden Hitzeschock- (oder besser, Stress-)proteine oft in großen Mengen, wenn ihre Umweltbedingungen sich drastisch verschlechtern: Die Eiweiße sorgen dann dafür, das der Zellmechanismus trotz der widrigen Umstände nicht zum erliegen kommt. Viele dieser Proteine arbeiten dabei als Faltungshelfer und -stabilisator für andere Eiweiße, manche dagegen verhindern schädliche Proteinzusammenrottungen in den Zellen oder lösen sie auf oder schützen die Ribosomen und Erbgutmoleküle. Was die Stressproteine tun und wie sie den Zellen helfen ist generell aber noch sehr unzureichend erforscht. Noch rätselhafter bleiben Einzelfälle wie die Funktion des Hitzeschockproeteins HSP12 – einem recht kleinen Protein, das der Modellorganismus Hefe in rauen Mengen zu produzieren beginnt, sobald er unter Stress gesetzt wird. Dieses Eiweiß, haben Forscher nun herausgefunden, ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich und vielleicht der Prototyp einer ganz neuen, bisher unerkannten Klasse von Stressproteinen, die auch in anderen Organismen und vielleicht sogar im Menschen bisher übersehen wurden.

HSP12 schützt Membranen bei Stress | Das Protein HSP12 wird von Hefezellen unter Stress auffällig häufiger produziert. Die Zellen benötigen das Eiweiß offenbar, um ihre Membranen zu stabilisieren, wenn diese – zum Beispiel in großer Hitze – zu flüssig zu werden droht. Fehlt das Schutzprotein Hefezellen (in den beiden Bildern rechts) so ändert sich auch das Aussehen der Hefezellen im Mikroskop (untere Abbildungen) deutlich. Das kleine, in der Zelle ungefaltet vorliegende HSP12 gehört nach Struktur und Wirkungsmechanismus zu einer bisher unbekannten Klasse von Hitzeschockproteinen.
Gestresste Hefezellen bilden HSP12 mehrere hundert Mal häufiger als im Normalzustand. Werden sie daran gehindert, so leidet darunter unter anderem ihre äußere Struktur, beobachteten Johannes Buchner von der Technischen Universität München und sein Team. Eine Reihe von Experimenten zeigten dann, dass das Protein sich an bestimmte geladene Lipidseitenketten in den Biomembranen der Zelle anlagert, eine helixartige Struktur einnimmt und die Fluidität der Membranen in der Folge deutlich verändert – und damit auch ihre Stabilität moduliert.

Ein Andocken von HSP12 an die Membranen geschieht dabei aber quasi zufällig: Das ungewöhnliche kleine Protein schwimmt ungerichtet, passiv und unstrukturiert, also ungefaltet in der Zelle. Erst, wenn die HSP12-Konzentration in der Zelle stark ansteigt – also in einer Stresssituation – kommen statistisch häufiger HSP mit Membranen in Kontakt und binden an die Ziellipide, um so die Membran nach und nach zu verändern.

Bislang waren kleine, unstrukturierte und passive Hitzeschockproteine dieser Art völlig unbekannt – HSP12 gehöre demnach zu einer eigenen Klasse, meinen die Münchener Forscher. Bisher unentdeckt gebliebene Verwandte des Proteins mit homologer Aminosäuresequenz und vergleichbarer Größe kommen zumindest bei Pilzen tatsächlich vor, wie eine Auswertung von Proteindatenbanken belegt.

Vielleicht arbeiten aber sogar in menschlichen Zellen ähnliche Stresseiweiße: Zwar fand sich bei ersten Analysen kein deutlich homologes menschliches Protein. Tatsächlich müssten analog arbeitende, kleine und im passiven Zustand ungefaltete Hitzeschockproteine aber auch nicht unbedingt eine sehr ähnliche Aminosäuresequenz aufweisen, um dennoch den selben Zweck zu erfüllen wie HSP12 in Hefezellen. Proteine mit ähnlicher Zusammensetzung – nicht Sequenz – von besonders vielen kleineren Aminosäuren und ohne große aromatische Seitenketten könnten ebenso funktionieren. Als Kandidat im Menschen kämen etwa Proteine wie das in Nervenzellen häufige – und bei der Parkinsonschen Erkrankung beteiligte – kleine Protein alpha-Synuclein in Frage: Wie HSP-12 liegt es im Normalfall ungefaltet vor, dockt an Lipide in der Membran und verändert daraufhin seine Struktur. Gleichzeitig fallen aber auch deutliche biochemische Unterschiede von alpha-Synuclein und HSP12 ins Auge – ob die neue Klasse von Hitzeschockproteinen tatsächlich überall im Organismenreich vorkommt, muss daher erst noch genauer untersucht werden. (jo)
  • Quellen
Welker, S. et al.: "Hsp 12 Is an Intrinsically Unstructured Stress Protein which Folds upon Membrane Association and Modulates Membrane Function." In: Molecular Cell 39, S. 507–520, 2010.

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