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Biochemie: Bislang ältester fossiler Beleg für Fotosynthese gefunden

1,75 Milliarden Jahre alte Fossilien erhellen, wie die Vorfahren der Pflanzen einst lernten, sich von Sonnenlicht zu ernähren. Sie enthalten Licht sammelnde Strukturen, die man auch heute noch in modernen Pflanzen findet.
Zyanobakterien
Nostoc ist eine Gattung von Zyanobakterien, die kugelige Kolonien aus langen, unverzweigten Zellschnüren bildet. Der Fotosyntheseapparat sitzt in einer Thylakoid genannten Struktur.

Leben in der Form, wie wir es heute kennen, ist ohne Fotosynthese kaum vorstellbar. Nahezu die gesamte Biomasse der Erde hängt von Pflanzen, Algen und einigen Bakteriengruppen ab – jenen Lebewesen, die in der Lage sind, aus Sonnenlicht energiereiche Substanzen wie Glukose herzustellen. Die Fotosynthese ist damit die wichtigste biochemische Reaktion des Planeten. Doch wann ist sie entstanden? Und welche Organismen trugen zur »Großen Sauerstoffkatastrophe« bei, dem Startschuss für komplexes Leben vor etwa 2,4 Milliarden Jahren? Catherine Demoulin, Emmanuelle Javaux, Yannick Lara und Alexandre Lambion von der Universität Lüttich in Belgien stellen jetzt im Fachmagazin »Nature« die bislang ältesten Belege für fotosynthetisch aktive Strukturen vor. Die Mikrofossilien stammen aus der McDermott-Formation in Australien und sind 1,75 Milliarden Jahre alt.

Die Uratmosphäre der jungen Erde enthielt freien Sauerstoff nur in sehr geringen Konzentrationen. Vor schätzungsweise etwa 3,2 bis 2,8 Milliarden Jahren dann entwickelten Vorläufer der heutigen Zyanobakterien aus einer einfacheren Fotosyntheseform eine neue Variante, bei der Sauerstoff als Abfallprodukt entsteht. Erst das führte dazu, dass sich freier Sauerstoff in der Atmosphäre anreichern konnte und schließlich für andere Organismen zur Verfügung stand. Es begann die Evolution des kompexen Lebens. So zumindest lautet die weitgehend in der Forschungsgemeinschaft akzeptierte Theorie.

Bei den nun von der belgischen Forschungsgruppe untersuchten Strukturen handelt es sich um Thylakoide aus Navifusa majensis, einer frühen Art von Zyanobakterien. Diese Membraneinstülpungen existieren noch heute in pflanzlichen Chloroplasten und in phototrophen Bakterien. Hier findet die Lichtreaktion der Fotosynthese statt. Doch nicht alle rezenten Arten der Zyanobakterien haben Thylakoide. Erkenntnisse darüber, wie sich die Zyanobakterien auseinanderentwickelt haben, sei daher von entscheidender Bedeutung, um die Evolution unseres Planeten und des Lebens zu verstehen, schreibt das Team um Erstautorin Catherine Demoulin. »Auf Basis der genetischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen geht man davon aus, dass sie sich vor 2,7 bis 2 Milliarden Jahren differenziert haben.« Fossile Belege dafür gibt es jedoch nicht. Unklar ist somit, ob sich die Thylakoide bereits vor der Großen Sauerstoffkatastrophe entwickelt haben – und es womöglich mit ausgelöst haben – oder ob sie erst danach entstanden sind.

Auch wenn diese Frage noch nicht geklärt werden kann: Die neuen Funde zeigen, dass es schon vor mindestens 1,75 Milliarden Jahren fotosynthetisch aktive Zellen mit Thylakoidmembranen gegeben haben muss. »Es handelt sich somit um den derzeit ältesten Beleg für thylakoidtragende Zyanobakterien«, schreibt das Team. Ihre Existenz könnte daher erklären, warum die Sauerstoffanreicherung der Uratmosphäre gegen Ende der Großen Sauerstoffkatastrophe noch einmal einen starken Schub bekam. Weil die Fotosynthese durch die Membraneinstülpungen effizienter wurde, produzierte diese Art der Zyanobakterien damals womöglich mehr Sauerstoff als ihre Vorgänger. »Wir gehen davon aus, dass in Zukunft ähnliche Analysen von noch älteren Mikrofossilien dazu genutzt werden können, unser Wissen über frühe fotosynthetisch aktive Organismen zu erweitern und neue Erkenntnisse über frühe, nur schwach sauerstoffhaltige Ökosysteme zu gewinnen«, heißt es im Forschungsartikel weiter. Bis dahin könnte es allerdings noch ein Weilchen dauern.

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