Erdentstehung: Bleirätsel der Erde scheint gelöst
Die chemische Zusammensetzung der Erde ist jener von Asteroiden in unserem Sonnensystem tatsächlich deutlich ähnlicher als bislang angenommen. Dies vermuten die Geowissenschaftler Oliver Jagoutz vom MIT und Max Schmidt von der ETH Zürich nach der Entdeckung eines versteckten Reservoirs von Gestein im Erdmantel.
Der geläufigsten Theorie nach entstand unser Heimatplanet durch eine Verschmelzung einiger Millionen Asteroiden im frühen Sonnensystem. Die so genannte Akkretionstheorie geht davon aus, dass sich Staubteilchen zu immer größeren Himmelskörpern, den Planetesimalen, zusammenballten – bis daraus die heutigen Planeten entstanden. Die Theorie hatte bisher jedoch einen Schwachpunkt: Die chemische Zusammensetzung des Erdmantels unterscheidet sich deutlich von jener der Meteorite – Bruchstücke von Asteroiden, die man auf der Erde fand. In bisher untersuchten Proben von irdischem Mantelgestein scheint nämlich das Verhältnis von Uran zu Blei deutlich höher zu sein als in den Trümmern aus dem Weltall. Jedoch konnte man sich mangels repräsentativer Proben aus der Tiefe noch kein umfassendes Bild von der Zusammensetzung des Mantels machen.
Das Rätsel des fehlenden Bleis beschäftigte Wissenschaftler schon lange – so vermuteten einige von ihnen "versteckte" Reservoire von Gesteinen im Mantel, die andere Verhältnisse von Uran zu Blei aufweisen. Tatsächlich wurden nun Oliver Jagoutz und Max Schmidt fündig: Sie untersuchten Gesteine aus dem Kohistan-Bogen im Norden Pakistans. Dort sind die gesamte Erdkruste und ein Teil des oberen Erdmantels direkt an der Oberfläche aufgeschlossen – eine Situation, wie sie nur an wenigen Orten auf der Erde anzutreffen ist. Der Kohistan-Bogen ist ein alter vulkanischer Inselbogen, der zwischen Indien und Asien eingezwängt wurde, als die beiden Kontinentalplatten vor etwa 40 Millionen Jahren kollidierten. "Der Inselbogen wurde dabei gedehnt und gedreht. Daher findet sich hier ein Aufschluss der Übergangszone von der Kruste zum Mantel", erklärt Jagoutz.
Die Forscher stellten in Gesteinen, die an der Basis der Erdkruste liegen, höhere Spuren von Blei fest – ungefähr in jenem Verhältnis, wie es für die versteckten Reservoire vorhergesagt wurde. Da diese Gesteine etwas dichter als der darunterliegende Mantel sind, sinken sie darin über geologische Zeiträumen hinweg ab. Berechnungen der Geologen ergaben, dass zwei Drittel des geschmolzenen Materials, das im Bereich vulkanischer Inselbögen aufsteigt, an der Basis der Kruste auskristallisiert und durch gravitatives Absinken wieder in den Mantel zurückkehrt. "Tonnen von diesem Material tropfen wohl von der Basis der Kruste in den Mantel", so Jagoutz.
"Diese Entdeckung hat wichtige Auswirkungen auf unser Verständnis von der Entstehung der Erde", ist Jagoutz überzeugt. Denn das Material, das an vulkanischen Inselbögen in den Erdmantel absinkt, entspricht genau dem Reservoir, das die Forscher auf Grund von Berechnungen erwarten. Es scheint also geochemische Inhomogenitäten im Mantel zu geben, die wahrscheinlich schon in der Frühzeit der Erde entstanden. Insgesamt ähnelt die Zusammensetzung unseres Heimatplaneten damit jener der Asteroiden, was die Akkretionstheorie der Erdentstehung stützt.
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