Wahrnehmung: Blende mich aus
Sind wir alleine mit uns, ist tasten und berührt werden irgendwie ziemlich langweilig. Eine zweite Person ändert das aus mehreren Gründen - plötzlich wird Hautkontakt viel spannender und unvorhersehbarer. Eine weniger häufig genannte Ursache: Für das Gegenüber ist unser vorauschauend-dämpfender Selbstberührungs-Analysator nicht zuständig.
Ganz unbestreitbar: Es hat seine Vorzüge, Zärtlichkeiten, einen kühlen Windhauch oder eine landende, hungrige Stechmücke auf der Haut fühlen zu können. Die Hülle unserer Körper ist das größte Sinnesorgan und die direkteste Verbindung zur Umwelt – ein Leben ohne ihre unzähligen Sensoren ist wohl noch weniger vorstellbar, als eines ohne funktionierende Rezeptoren in Augen, Ohren und Nase. Aber stellen wir uns doch einmal das Gegenteil vor: Was, wenn alle unsere Hautsensoren zu gut arbeiten und immer ungedämpft vermelden, was sie gerade anregt?
Klingt nicht lebensbedrohend? Nun ja: Selbst im Kopf eines in der Siesta dasitzenden Menschen im Schaukelstuhl signalisieren etwa die Sensoren des Hinterteils ausdauernd "Kontakt, ich habe Kontakt zu einer weichen Sitzfläche" und die des Brustkorbes "fühlt sich überall an wie ein T-Shirt", während die des Oberarms fortwährend "Eine Brise. Eine Brise. Eine Brise. Immer noch eine Brise" stottern. Ohne mäßigenden Filter im gehirneigenen Empfänger, der diesen laufenden Nachrichtenstrom ordnet, würde durchaus Wichtiges – bleiben wir beim landenden Stechinsekt auf dem Unterschenkel – im Getöse des redundanten Sensoren-Inputs leicht untergehen. Ohne einen Filter, der die Wichtigkeit der eingehenden Informationen prüft, könnte auf die Datensammelei also auch gleich ganz verzichtet werden.
Wie arbeitet dieses unverzichtbare Reduzierventil der Hautsensoren – was gilt als "wichtig", was als vernachlässigbar? Zum einen sucht der Filter natürlich nach Neuigkeiten, und jede Änderung eines Dauerreizes ist per se von Interesse. Dass dies aber alleine nicht ausreicht, um die Reizflut aus der Umgebung zu bändigen, können Sie selber kurz testen: Versuchen Sie doch einmal, sich selbst zu kitzeln.
Hoffnungslos – aber warum? Auch eine Berührung durch die eigenen Finger sollte doch dem Sensor auffallen und prinzipiell dieselben Empfindungen hervorrufen wie die Hand eines anderen? Warum dies nicht so ist, beschäftigte nun ein Forscherteam um Paul Bays vom University College London. Selbstkitzelei muteten sie dabei ihren freiwilligen Testteilnehmern nicht zu – die Probanden sollten nur ihren eigenen linken Finger mit ihrem rechten Finger berühren und die empfundene Stärke dieser Berührung dann auf einer zuvor geeichten Skala einordnen.
Im ersten Fall empfanden die Probanden jede Berührung des vom Finger ausgelösten Tasters als Berührung durch den eigenen Finger – im zweiten Fall allerdings verwirrte die Zeitverzögerung den Wahrnehmungsmechanismus. Dies hatte eindeutige Folgen für die Einschätzung der Reizstärke, zeigte die Auswertung des Versuches: Obwohl der Hebelmechanismus immer mit gleicher Stärke arbeitete, empfanden die Teilnehmer die kaum zeitverzögerte Berührung als schwach, jene um 1500 Millisekunden herausgeschobene dagegen als deutlich stärker. Die genauere Analyse bewies, dass die Erwartung einer selbstverursachten Berührung deren tatsächliche Wahrnehmung in einem genau definierten Zeitfenster von 200 Millisekunden vor und nach dem vermeintlichen Eintreffen des Fingers auf den Oberflächensensoren deutlich dämpft.
In weiteren Kontrollversuchen konnten die Forscher klären, dass diese Dämpfung nicht einfach immer dann eingeschaltet wird, sobald synchron Berührungen der Kuppe des bewegten Fingers und der berührten passiven Hautpartie auftreten – offensichtlich muss demnach eine Art Voraussicht einer zu erwartenden Berührung für die punktgenaue lokale Reizabschwächung verantwortlich sein und so die Unterscheidung zwischen erwarteten und neuartigen Reizen schärfen.
Wie unser Körper dies im Einzelnen gewährleistet, ist dabei noch ungeklärt. Möglicherweise existiert eine automatisch stetig aktualisierte Aufenthaltskarte der einzelnen Körperteile – eine bekannte interne Körperrepräsentierung – und sorgt dafür, dass Berührungen der Körperteile untereinander vorausgesehen und entsprechend heruntergedämpft werden, da sie eine weniger wichtige Information darstellen. Dies scheint zwar ein enormer Rechenaufwand nur zum Abschwächen von Eigenberührungen, ist aber offensichtlich ein funktionierendes System, mit dem der Sensorinput unserer Hautsensoren sinnvoll gebahnt und selektiert werden kann. Dass berührt werden erst durch eine zweite Person wieder als spannend empfunden wird, hat der Evolution der Paarbeziehung des Menschen indes kaum geschadet.
Klingt nicht lebensbedrohend? Nun ja: Selbst im Kopf eines in der Siesta dasitzenden Menschen im Schaukelstuhl signalisieren etwa die Sensoren des Hinterteils ausdauernd "Kontakt, ich habe Kontakt zu einer weichen Sitzfläche" und die des Brustkorbes "fühlt sich überall an wie ein T-Shirt", während die des Oberarms fortwährend "Eine Brise. Eine Brise. Eine Brise. Immer noch eine Brise" stottern. Ohne mäßigenden Filter im gehirneigenen Empfänger, der diesen laufenden Nachrichtenstrom ordnet, würde durchaus Wichtiges – bleiben wir beim landenden Stechinsekt auf dem Unterschenkel – im Getöse des redundanten Sensoren-Inputs leicht untergehen. Ohne einen Filter, der die Wichtigkeit der eingehenden Informationen prüft, könnte auf die Datensammelei also auch gleich ganz verzichtet werden.
Wie arbeitet dieses unverzichtbare Reduzierventil der Hautsensoren – was gilt als "wichtig", was als vernachlässigbar? Zum einen sucht der Filter natürlich nach Neuigkeiten, und jede Änderung eines Dauerreizes ist per se von Interesse. Dass dies aber alleine nicht ausreicht, um die Reizflut aus der Umgebung zu bändigen, können Sie selber kurz testen: Versuchen Sie doch einmal, sich selbst zu kitzeln.
Hoffnungslos – aber warum? Auch eine Berührung durch die eigenen Finger sollte doch dem Sensor auffallen und prinzipiell dieselben Empfindungen hervorrufen wie die Hand eines anderen? Warum dies nicht so ist, beschäftigte nun ein Forscherteam um Paul Bays vom University College London. Selbstkitzelei muteten sie dabei ihren freiwilligen Testteilnehmern nicht zu – die Probanden sollten nur ihren eigenen linken Finger mit ihrem rechten Finger berühren und die empfundene Stärke dieser Berührung dann auf einer zuvor geeichten Skala einordnen.
Die Berührung nahm im Versuchsaufbau allerdings einen kleinen technischen Umweg: Die Kandidaten drückten auf einen Hebelumsetzer zwischen dem linken (unbewegt auf der Tischplatte ruhenden, also reizempfangenden) und rechten (aktiv reizgebenden) Finger. Der Hebel leitete dann mit definierter Kraft seinen Impuls getreulich, aber stets etwas zeitverzögert weiter an den darunter liegenden Finger – entweder sehr kurz nach der Berührung oder erst nach einer beträchtlichen Wartespanne von etwa 1500 Millisekunden.
Im ersten Fall empfanden die Probanden jede Berührung des vom Finger ausgelösten Tasters als Berührung durch den eigenen Finger – im zweiten Fall allerdings verwirrte die Zeitverzögerung den Wahrnehmungsmechanismus. Dies hatte eindeutige Folgen für die Einschätzung der Reizstärke, zeigte die Auswertung des Versuches: Obwohl der Hebelmechanismus immer mit gleicher Stärke arbeitete, empfanden die Teilnehmer die kaum zeitverzögerte Berührung als schwach, jene um 1500 Millisekunden herausgeschobene dagegen als deutlich stärker. Die genauere Analyse bewies, dass die Erwartung einer selbstverursachten Berührung deren tatsächliche Wahrnehmung in einem genau definierten Zeitfenster von 200 Millisekunden vor und nach dem vermeintlichen Eintreffen des Fingers auf den Oberflächensensoren deutlich dämpft.
In weiteren Kontrollversuchen konnten die Forscher klären, dass diese Dämpfung nicht einfach immer dann eingeschaltet wird, sobald synchron Berührungen der Kuppe des bewegten Fingers und der berührten passiven Hautpartie auftreten – offensichtlich muss demnach eine Art Voraussicht einer zu erwartenden Berührung für die punktgenaue lokale Reizabschwächung verantwortlich sein und so die Unterscheidung zwischen erwarteten und neuartigen Reizen schärfen.
Wie unser Körper dies im Einzelnen gewährleistet, ist dabei noch ungeklärt. Möglicherweise existiert eine automatisch stetig aktualisierte Aufenthaltskarte der einzelnen Körperteile – eine bekannte interne Körperrepräsentierung – und sorgt dafür, dass Berührungen der Körperteile untereinander vorausgesehen und entsprechend heruntergedämpft werden, da sie eine weniger wichtige Information darstellen. Dies scheint zwar ein enormer Rechenaufwand nur zum Abschwächen von Eigenberührungen, ist aber offensichtlich ein funktionierendes System, mit dem der Sensorinput unserer Hautsensoren sinnvoll gebahnt und selektiert werden kann. Dass berührt werden erst durch eine zweite Person wieder als spannend empfunden wird, hat der Evolution der Paarbeziehung des Menschen indes kaum geschadet.
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