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News: Blick ins Grab

Schon die Entdeckung eines Archivs mit Keilschriften im einstigen Herrscherpalast des altsyrischen Qatna veranlasste Archäologen, ihre "Sommerkampagne" auszuweiten. Ein neuer Aufsehen erregender Fund dürfte nun für weitere Überstunden im Nahen Osten sorgen.
Grabkammer
Eigentlich sollte die diesjährige Grabungskampagne auf dem Ruinenhügel Tell Mishrife in Syrien nur bis Anfang Oktober edauern. Doch als das Grabungsteam der Universität Tübingen im September einen Korridor unter dem spätbronzezeitlichen Palast der Herrscher von Qatna erforschte, machten die Wissenschaftler eine aufregende Entdeckung: Keilschrifttafeln aus der Zeit um 1400 vor Christus, die unter anderem detailliert über die politische Situation des Vorderen Orients zu Beginn der Späten Bronzezeit berichten. Das Kofferpacken wurde also erst einmal verschoben, um den Fund sicherzustellen, und der Aufenthalt in Syrien verlängert.

Vielleicht müssen die Studenten im heimischen Tübingen aber noch länger auf ihren Professor warten, denn Peter Pfälzner ist nun mit seinem Team offenbar über den nächsten bedeutenden Fund gestolpert. Wieder ging es in die Tiefe – eine Treppe hinab, die ihren Ausgang höchstwahrscheinlich ehemals im Thronsaal hatte. An ihrem Ende, etwa vier Meter unter den Fußböden des Palastes, erreichten die Archäologen zunächst eine Tür mit einer verkohlten Holzrahmenkonstruktion. Hinter ihr liegt ein 40 Meter langer Korridor, der im Niveau beständig abfällt, bis er eine Tiefe von circa sieben Metern unter den Fußböden des Palastes erreicht.

Nach einer weiteren Türöffnung endet der Gang vor der hier sehr tief hinabreichenden Außenmauer des Palastbezirkes. Damit war für die Forscher klar, dass der Korridor keine Verbindung zwischen dem Palast und der Unterstadt von Qatna gebildet haben konnte. Stattdessen knickt der Gang an seinem Ende ab und mündet in eine tiefe Kammer, die auf einer Seite in den Fels gehauen und auf der anderen Seite mit einer schweren Steinmauer eingefasst worden war – die Außenkammer einer Grabanlage, wie sich herausstellte.

Von dieser Außenkammer führt ein Türdurchgang in das Innere der Grabanlagen, die vollständig in den Fels gehauen sind. Die Grabkammer ist unverschüttet, konnte aber noch nicht betreten werden, zum einen, weil der Eingang durch Erde und Schutt blockiert ist, zum anderen, weil sich innerhalb der Jahrtausende in der Luft abgeschlossenen Kammer giftige Schimmelpilze ausgebreitet haben könnten – eine Gefahr, die schon so manchem Archäologen zum Verhängnis wurde. So soll es noch einige Tage dauern, bis die Forscher den ersten Schritt in die alte Kammer wagen.

Ein Blick in den Raum war aber auch jetzt schon möglich. Durch eine Öffnung in dem verschütteten Eingangsbereich ließ sich eine lange Stange mit darauf montierter Filmkamera einführen, sodass bereits erste Aufnahmen vom Innenraum entstanden. Demnach enthält die Kammer einen Sarkophag sowie zahlreiche Gefäße aus Keramik, Alabaster und Granit, die auf steinernen Bänken an zwei Seiten der Kammer stehen. Dabei handelt sich wohl in einigen Fällen um ägyptische Gefäße, die Geschenke von Pharaonen an die Könige von Qatna gewesen sein könnten.

Außerdem lässt sich bereits jetzt erkennen, dass von der Hauptkammer Zugänge zu drei weiteren Grabkammern vorhanden sind. Auch in einem dieser Nebenräume lässt sich bereits ein Sarkophag erkennen. Dies beweist, dass in diesen Felskammern mehr als eine Bestattung vorgenommen wurde. Folglich dürfte es sich um die Grüfte des Herrscherhauses von Qatna handeln. Die Bestattungen datieren wahrscheinlich in das 14. Jahrhundert vor Christus.

Zum ersten Mal sei es damit in Syrien gelungen, königliche Gräber mit erhaltenem Grabinventar aus der Bronzezeit aufzudecken. Damit wird der Fund vermutlich erstmals ein Licht auf die Bestattungsweise und die Grabausstattung altsyrischer Könige werfen.

Die Freilegungsarbeiten in den ausgedehnten Gruftanlagen werden nach Ansicht der Forscher mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Und so mancher überraschende Fund steht dabei vielleicht noch bevor. Zunächst muss die Außenkammer bis auf ihren Fußboden hinab ausgegraben werden. Dort ist offenbar ebenfalls mit weiterem Inventar zu rechnen. Doch der erste Schritt in die Hauptkammer soll schon in den nächsten Tagen stattfinden. Dazu erwarten die Archäologen führende Politiker Syriens, den deutschen Botschafter in Damaskus und – Cheops lässt grüßen – Filmteams.

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