Direkt zum Inhalt

News: Blutiges Startsignal

Den Zellen in einem Embryo stehen am Anfang zwar nicht alle, aber doch noch viele Wege offen. Erst nach und nach erfahren sie über körpereigene Signalstoffe, in welche Richtung sie sich differenzieren, und welche Aufgaben sie übernehmen sollen. Damit sich die jungen Organe denn auch ordnungsgemäß entwickeln, müssen sie vor allem gut in das Versorgungsnetz des Blutkreislauf eingebunden sein. Erst wenn das gewährleistet ist, senden ihnen Zellen der Gefäßwand die chemische Nachricht, dass sie nun ihre Spezialisierung beginnen dürfen.
Mit dem Eindringen eines Spermiums in ein Ei startet die Entwicklung eines neuen Lebewesens. Vom ersten Moment an herrschen für die Zellen bestimmte Vorgaben, zu welchem Gewebetyp sie einmal gehören werden. Doch das endgültige Signal "Leberzelle" oder "Riechzelle" kommt erst später. Verantwortlich dafür sind chemische Signalstoffe, die in dem entstehenden Körper gezielt wirken.

Die Vorläufer der Organe verlangen auf diesem Weg nach Nährstoffen und Sauerstoff aus dem Blut, damit sie sich richtig entwickeln können. Douglas Melton vom Howard Hughes Medical Institute und seine Kollegen wunderten sich allerdings schon länger über eine Besonderheit bei der Ausprägung der Bauchspeicheldrüse oder Pankreas in Mäusen. Das Organ entsteht aus drei Knospen, von denen jedoch nur zwei letztendlich zur Bauchspeicheldrüse verschmelzen, während die dritte verkümmert. Als die Forscher Gewebeschnitte von Mausembryonen untersuchten, stellten sie fest, dass diese dritte Anlage den Kontakt zu dem versorgenden Blutgefäß verliert. Fehlte ihr der Hinweis auf ihr zukünftiges Schicksal oder war sie schlichtweg verhungert?

Zur Kontrolle setzten Melton und seine Mitarbeiter Zellkulturen von isolierten Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse an. Die Zellen wuchsen zwar munter, zeigten jedoch keinerlei Anzeichen, sich weiter in Richtung ihrer vorbestimmten Aufgabe zu differenzieren. Als die Wissenschaftler jedoch Zellen der dorsalen Aorta hinzufügten, welche den sich entwickelnden Zellen am nächsten liegt, änderte sich das Bild. Nun begannen die Zellen ganz im Sinne ihrer zukünftigen Rolle Insulin zu produzieren. Außerdem wurde ein Gen aktiv, das typisch für die Differenzierung in Pankreaszellen ist.

In einem weiteren Schritt kehrten die Forscher nun die Verhältnisse um: Sie entfernten in Embryonen des Krallenfrosches (Xenopus laevis) die Blutgefäße nahe des Pankreasgewebes. Prompt stellten die Zellen ihre Insulinproduktion ein und veränderten auch das für die Bauchspeicheldrüse charakteristische Muster abgelesener Gene.

In einem letzten Versuch schließlich erzeugte Meltons Team genetisch veränderte Mäuse, die den so genannten Vascular Endothelial Growth Factor oder VEGF164 übermäßig produzieren. Dieser Wachstumsfaktor fördert die Bildung von neuen Blutgefäßen. Daraufhin sprossen nicht nur viele neue Blutgefäße, sondern auch die Pankreas-typischen Inselzellen legten kräftig an Zahl zu.

Alle Ergebnisse zusammengenommen schließen die Wissenschaftler, dass die Endothelzellen, welche die Blutgefäße auskleiden, den jungen Organen offenbar ein Signal schicken, wann sie mit der Differenzierung beginnen dürfen – nämlich erst, wenn ihre Versorgung gesichert ist.

Um den nötigen engen Kontakt mit dem Gefäßnetz aufzubauen, können Organe zwei verschiedene Wege gehen, erläutert Melton. "Sie können sich zuerst entwickeln und dann den Blutgefäßen signalisieren, sich ihnen zu nähern – wie es Tumoren im Fall der Angiogenese tun. Oder diese Organe benutzen einen Mechanismus, der Signale von Seiten der Blutgefäße beinhaltet, der ihre Differenzierung auslöst, um diesen engen Verbund sicherzustellen, bevor sie sich entwickeln."

Melton erwartet ähnliche Signalsysteme auch in anderen Organen. Und er hofft auf eine ganze Reihe möglicher medizinischer Anwendungen. Denn hat man den Signalstoff einmal identifiziert, könnte man damit gegebenenfalls Stammzellen in Kulturen dazu anregen, sich zu den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse auszudifferenzieren. Das wäre eine große Hoffnung für Diabetes-Typ-I-Patienten, bei denen der eigene Körper diese Zellen zerstört.

  • Quellen
Howard Hughes Medical Institute
Science 10.1126/science.1064344 (27. September 2001)
Science 10.1126/science.1066282 (27. September 2001)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.