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News: Blutiges Vorbild

Kälte verlangsamt viele Abbauprozesse, biologische Proben lassen sich daher durch Einfrieren haltbar machen. Leider werden die Zellstrukturen durch die sich dabei bildendenden Eiskristalle zerstört. Ein Frostschutzmittel könnte das verhindern, doch sind die meist giftig. Auf der Suche nach dem idealen Frostschutzmittel haben sich Wissenschaftler daher in der Natur umgeschaut: So verhindern antarktische Fische mit Gefrierschutzproteinen, dass ihr Blut erstarrt. Jetzt gelang es, das natürliche Vorbild nachzubauen.
Haben Sie schon einmal Obst eingefroren und danach wieder aufgetaut? Das Ergebnis ist kein schöner Anblick: Die einst knackigen Früchte haben sich in ein hässliches, matschiges Etwas verwandelt. Die Eiskristalle haben das Zellgewebe mechanisch zerstört. Außerdem steigt beim Gefrieren die Ionenkonzentration des Restwassers an, wodurch der Ionenhaushalt der Zellen arg durcheinander gerät. Wer hofft, sein Leben verlängern zu können, indem er sich einfrieren lässt, wird daher wohl enttäuscht werden.

Biologische Proben schadlos einzufrieren, ist deshalb nicht ganz so einfach. Ein rasches Einfrieren kann die gefährliche Kristallbildung zwar unterbinden, Probleme tauchen dann aber beim langsameren Wiederauftauen auf, da sich dann wieder Eiskristalle bilden können. Andererseits gibt es Frostschutzmittel, wie das im Autokühlwasser bewährte Glykol, die den Gefrierpunkt herabsetzen können. Sie sind jedoch meist giftig.

Es gibt aber Organismen, die auch unter frostigen Bedingungen existieren können. Eine ganze Fischordnung, die antarktischen Eisfische oder Notothenioidei, besiedeln Regionen mit Temperaturen, die ihnen das Blut in den Adern gefrieren lassen müssten. Denn die Wassertemperatur unterschreitet hier aufgrund des Salzgehaltes den normalen Gefrierpunkt: Sie liegt unter minus ein Grad Celsius. Die Fische verfügen über ein eigenes Frostschutzmittel, das den Gefrierpunkt ihres Blutes herabsetzt. Es handelt sich dabei um so genannte Antifreeze-Glykopeptide (AFGP) – kurzkettige Proteine, an denen bestimmte Zuckerreste gebunden sind. Oft bestehen sie aus einer Einheit dreier Aminosäuren, die sich ständig wiederholt.

Und diese AFGPs hat sich die Arbeitsgruppe von Robert Ben von der Binghamton University als natürliches Vorbild genommen. Bisher war der Nachbau der AFGPs schwierig, da die künstlichen Produkte nur wenig stabil waren. Doch jetzt gelang es den Wissenschaftlern, die Struktur künstlicher AFGPs zu stabilisieren, indem sie eine schwache chemische Bindung durch eine stabilere ersetzten.

Das neue synthetische Produkt unterscheidet sich in seinem Aufbau zwar von seinem natürlichem Vorbild, verhindert jedoch genauso die zerstörerische Eiskristallbildung. Jetzt hoffen die Wissenschaftler, dass ihr künstliches AFGP das schadlose Einfrieren von beispielsweise Organen vor der Transplantation ermöglicht. Und vielleicht lässt sich damit ja auch einst Obst unbeschadet einfrieren.

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