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News: Böses Omen

Er bezwang ein ganzes Weltreich - und wurde von einer Krankheit bezwungen: Mit nur 32 Jahren starb Alexander der Große. Malaria, Typhus, Grippe - die Liste der üblichen Verdächtigen ist lang. Vielleicht brachten schwarze Vögel dem Herrscher den Tod.
Alexander der Große
Geschlecht: männlich; Alter: 32; Beruf: König von Makedonien; Todeszeitpunkt und -ort: 10. Juni 323 v. Chr. in Babylon; Todesursache: unbekannt.

So ähnlich könnten die Eintragungen auf dem Totenschein von Alexander III., auch der Große genannt, lauten. Vielleicht noch ergänzt durch die Anamnese (zehnjährige Reise durch Mittelmeerländer, Nordafrika und Nahen Osten; schwere undiagnostizierte Krankheit vor fünf Jahren; Verwundung vor einem Jahr; Vorliebe für ausgedehnte Bäder; häufiger Alkoholkonsum; polygam) und die aufgetretenen Symptome (zweiwöchiges Fieber mit Schüttelfrost; heftiger Durst und Schweißabsonderungen; starke Unterleibsschmerzen; zunehmende Schwäche; Delirium; Stimmverlust; Lähmungen).

Warum der große Herrscher so früh abtreten musste, gibt nach wie vor Anlass zu wilden Spekulationen. Abgesehen von der Vermutung, dass vielleicht einige von Alexanders Untergebenen mit Gift etwas nachgeholfen haben könnten, zählen typische Infektionskrankheiten zu den Tatverdächtigen. Neben Grippe, Typhus und Bilharziose gilt vor allem Malaria als heißer Kandidat, ähneln doch die Symptome der Tropenkrankheit frappierend dem Leiden Alexanders.

Allerdings geben die historischen Überlieferungen nicht genügend Hinweise, um die Malaria-Hypothese endgültig zu bestätigen. Doch bei der Auswertung historischer Quellen sind der Epidemiologe John Marr vom Virginia Department of Health und der Spezialist für Infektionskrankheiten Charles Calisher von der Colorado State University auf eine Textstelle gestoßen, die auf den ersten Blick zunächst nichts mit dem Tod Alexanders zu tun haben sollte. Der griechische Philosoph Plutarch beschreibt in seiner Alexanderbiographie die Ankunft des Eroberers in Babylon: "Als er die Stadtmauern erreichte, sah er viele Raben auf und ab fliegen, sich gegenseitig hacken, und einige von ihnen brachen tot vor ihm zusammen."

Das kam den beiden Medizinern verdächtig bekannt vor: Im Sommer 1999 brach in New York eine zunächst rätselhafte Krankheit aus. Weitere Untersuchungen ergaben, dass es sich hierbei um eine eingeschleppte Virus-Infektion handelte, die 1937 im West-Nil-Distrikt von Uganda erstmalig diagnostiziert worden war. Das West-Nil-Virus, wie es jetzt genannt wird, stammt vermutlich ursprünglich aus Afrika, tritt aber auch in Israel, Indien und Indonesien auf und breitete sich in kurzer Zeit über den gesamten nordamerikanischen Kontinent aus. Inzwischen erkrankten in den USA etwa 1600 Menschen, 80 von ihnen sind daran gestorben. Übertragen wird die Krankheit durch Mücken, und das Erregerreservoir für die Viren sind – Vögel, vor allem Krähen.

Als Marr und Calisher das Diagnoseprogramm GIDEON (Global Infectious Diseases and Epidemiology Network) mit den Symptomen von Alexander fütterten, spuckte der Computer als Differentialdiagnose Grippe mit 41 Prozent Wahrscheinlichkeit aus. Schwere Grippeepidemien, die Alexanders Truppen hingerafft hätten, sind historisch jedoch nicht überliefert. Die Symptome des West-Nil-Fiebers ähneln dagegen denen einer Grippeinfektion, und zusammen mit Plutarchs Hinweis über die toten Raben passt "die Antwort West-Nil hundertprozentig", wie Calisher betont.

Andere sind da skeptischer. Schließlich erliegen vor allem ältere und geschwächte Menschen dem West-Nil-Virus, aber selten jemand, der – wie Alexander – kurz vor Vollendung seines 33. Lebensjahres steht. "Wenn er wirklich so groß war", meint der Epidemiologe Thomas Mather von der University of Rhode Island, "dann hätte ihn diese Krankheit nicht umgebracht."

Falls die Hypothese von Marr und Calisher jedoch zutrifft, dann wäre eine Prophezeiung in Erfüllung gegangen: Raben und Krähen galten unter Griechen und Römern als Orakelvögel, und der Tod der Raben vor Alexanders Augen wurde als böses Omen gedeutet. "In diesem Falle", so die beiden Wissenschaftler, "hätte das Orakel Recht gehabt."

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