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Verseuchtes Grundwasser: Bohrende Fragen

Millionen Menschen in Indien und Bangladesch trinken mit Arsen verseuchtes Wasser, das sie aus flachen Brunnen schöpfen. Da das Wasser aus tieferen Grundwasserschichten weniger belastet ist, fördern staatliche Programme nun deren Erschließung. Doch riskieren sie damit auch deren Verseuchung.
Pumpe
Endlich sauberes Wasser: Millionen von Brunnen sollten die Menschen in Bengalen vor Erkrankungen wie Cholera oder Durchfall schützen, die sie sich bislang durch Erreger in verseuchtem Oberflächenwasser zuzogen. Tatsächlich sank die Zahl der Infektionen seit den 1970er Jahren erfreulich, und angesichts der inzwischen noch schlechteren Wasserqualität von Flüssen, Teichen und Quellen klingt es nach einer erfolgreichen Strategie, durch viele dezentrale Kleinbrunnen die Trinkwasserversorgung der insgesamt 85 Millionen Bewohner des Gebietes zu sichern.

Handpumpe | Ein Mann holt Wasser an einer Handpumpe. Millionen solcher kleiner Anlagen wurden in den 1970er und 1980er Jahren installiert, um die Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser zu versorgen und Erkrankungen wie Durchfall und Cholera einzudämmen. Doch sind viele oberflächennahen Grundwasser in Bengalen mit hohen Arsengehalten verseucht.
Doch tauschten die Betroffenen – zunächst unbemerkt – den Teufel mit dem Beelzebub: Anfang der 1980er Jahre tauchten erste Beschreibungen von Krankheiten auf, die sich als Arsen-Vergiftungen entpuppten. Fast ein Drittel der Brunnen, die meist oberflächennahe Grundwasserschichten in weniger als 100 Metern Tiefe erschlossen, förderten zwar weit gehend keimfreies, aber dafür mit hohen Arsen-Gehalten belastetes Wasser zu Tage. Für die Weltgesundheitsorganisation ereignet sich hier die größte Massenvergiftung der Geschichte. Denn Arsen – oder besser seine löslichen Verbindungen – löst im Endstadium unterschiedliche Krebsvarianten aus, an denen die Betroffenen schließlich nach langen Jahren des Siechtums sterben.

Was tun? Oberflächenwasser müsste aufwändig aufbereitet werden, für einen Transport über längere Strecken aus weniger arsenbelasteten Gebieten fehlt die Infrastruktur, Regenwasser als Alternative ist nur zu Monsunzeiten vorhanden. Bleibt nur noch, tiefere Brunnen zu graben, denn die Grundwasserleiter unterhalb von etwa 100 Metern sind weniger mit Arsen belastet.

Fischerboot | Ein Fischerboot in der Nähe eines Dorfes: Die Menschen nutzten früher ausgewählte Teiche als Wasserlieferanten, doch führte die hohe Keimdichte häufig zu schweren Erkrankungen. Dezentrale kleine Brunnen sollten Abhilfe schaffen.
Allerdings eröffnet sich damit die Gefahr, dass von oben durchsickerndes Wasser auch die tiefen Grundwasserschichten verseucht – durch mangelhafte Bohrtechnologie oder schlicht, weil die tiefe Wasserentnahme Nachschub von oben regelrecht ansaugt. Holly Michael und Clifford Voss vom US Geological Survey versuchten daher in einer Simulation, die potenziellen Folgen einer Umstellung der Wasserversorgung auf Tiefbrunnen nachzuzeichnen.

Die Forscher untersuchten in zwei Szenarien, wie sich die Wasserentnahme in den verschiedenen Grundwasserleitern im Untergrund auswirken würde. Zum einen betrachteten sie den Fall, dass der gesamte Wasserbedarf nun aus der Tiefe gedeckt werden sollte, zum anderen teilten sie die Förderung, so dass die Bewässerung weiterhin aus oberflächennahen Brunnen gedeckt würde und nur das Wasser für den häuslichen Gebrauch aus Tiefbrunnen stammen sollte.

Arsen-Werte im grünen Bereich | Die grüne Farbe signalisiert: In dieser Quelle liegen die Arsenwerte im unkritischen Bereich. Überstiegen sie die Grenzwerte, wäre die Pumpe rot angemalt.
Bei der ersten Variante waren tatsächlich über vergleichsweise kurze Zeit auch die tiefen Grundwasserleiter zerstört. Die zweite Alternative jedoch könnte zumindest für die nächsten tausend Jahre nachhaltig und sicher arsenfreies Trinkwasser liefern – die Wissenschaftler beobachteten in ihren Modellen sogar einen aufsteigenden Wasserfluss, da die Entnahme zu Bewässerungszwecken den häuslichen Bedarf um den Faktor zehn übersteigt und so einen Sog in die Tiefe erzeugt.

Natürlich müsste man die Gegebenheiten vor Ort jeweils gesondert betrachten, erklären die Forscher: Die Arsenbelastung ist lokal stark unterschiedlich, weshalb die Brunnen laufend auf Arsengehalte geprüft und bei ersten Anzeichen stillgelegt werden müssten. Auch könnten andere Faktoren – wie hohe Konzentrationen von gelösten Chloriden, Mangan oder Eisen – die Qualität des tieferen Grundwassers so stark beeinträchtigen, dass es unbrauchbar sei. Vieles davon verrate sich allerdings bereits durch Geruch und Geschmack, und für Arsen gebe es einfache Schnelltests.

Reisfeld | Ein Reisfeld in Bangladesch: Trotz Bewässerung mit arsenhaltigem Wasser, das zu erhöhten Arsen-Konzentration in den Körnern führt, scheinen die Pflanzen die toxischen Verbindungen nicht uneingeschränkt aufzunehmen. Studien zufolge stammen 3 bis 16 Prozent der Arsenaufnahme aus Reis, der größte Anteil entfällt auf das Trinkwasser.
Kein Wort verlieren die Autoren allerdings über ein weiteres Problem: Die betroffenen Menschen vergiften sich nicht nur über das Trinkwasser, sondern auch über Nahrungsmittel, die mit arsenverseuchtem Wasser beregnet wurden. Der von Michael und Voss empfohlene Ansatz würde diese Gefahr weiter in Kauf nehmen – wobei die Autoren betonen, dass die Aufnahme von Arsen durch Reis laut bisheriger Studien nur bei 3 bis 16 Prozent der Gesamtbelastung liege, die hauptsächliche Quelle stellt tatsächlich das Trinkwasser dar. Fragt sich allerdings nur, wie sich dieses wenn auch kleine, so doch bestehende Risiko in einer Simulation verarbeiten ließe.
  • Quellen
Michael, H., Voss, C.: Evaluation of the sustainability of deep groundwater as an arsenic-safe resource in the Bengal Basin. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.0802926105, 2008.

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