News: Bonner Medizinerin entdeckt neues Band am Daumen
Seit der aus Berlin stammende Mediziner Johannes Sobotta 1904 erstmals den "Atlas der deskriptiven Anatomie des Menschen" veröffentlichte, galt die Erforschung des menschlichen Körperbaus als ein Gebiet, auf dem es nicht mehr viel Neues zu entdecken gab. 1994 jedoch fiel Hans-Martin Schmidt, Anatom an der Universität Bonn, bei Präparationen des Daumens erstmals ein bindegewebiger Faserzug auf, der in den anatomischen Lehrbüchern noch nicht beschrieben war. Seine Mitarbeiterin Anette Henkel-Kopleck durchforstete die wissenschaftliche Literatur nach Hinweisen auf das Band – ohne Erfolg. Lediglich beim Schimpansen war 1887 ein ähnlich gearteter Faserzug beschrieben worden.
"Das Band ist wahrscheinlich ein Muskelrudiment, das der Stabilisierung des Daumengrundgelenks dient", vermutet die Wissenschaftlerin. Von ihrem Arbeitsgebiet ist sie fasziniert: "Die Hand ist ein äußerst kompliziertes Gebilde und die Arbeit mit den filigranen Instrumenten sehr ästhetisch." Ihre Entdeckung hat Henkel-Kopleck selbst überrascht: "Es ist kaum zu glauben, dass in der makroskopischen Anatomie heute noch etwas Neues entdeckt wurde, insbesondere, weil es auch klinisch relevant ist."
Das neue Band fixiert nämlich auch eine Arterie, die den Daumen mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Bei den Untersuchungen konnte Henkel-Kopleck häufig Einschnürungen der Arterie feststellen, die wahrscheinlich durch den Faserzug verursacht worden waren. So eine Verengung kann zum Beispiel Schmerzen hervorrufen – eine Symptomatik, die beim Daumen als sogenannte "Ringbandstenose" nicht selten auftritt und ambulant operiert wird. "Leider nicht immer erfolgreich", so die Medizinerin. Und hat auch einen Verdacht, warum: "Weil niemand von dem Band wusste, wurde vielleicht auch einmal etwas falsches operiert."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 11.5.1998
"Neues Wachstum aus den Resten"
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