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Borkenkäfer: Vielen Fichtenwäldern droht der Kahlschlag

Seit Jahren setzt der Borkenkäfer den deutschen Fichtenwäldern zu. In einigen Regionen wie dem Harz stehen kaum noch gesunde Bäume. Fachleute sind in Sorge.
Nahaufnahme eines einzelnen Fichtenborkenkäfers
Von Nahem sieht der Buchdrucker-Borkenkäfer (Ips typographus) fast niedlich aus. Doch das Insekt breitet sich massiv in deutschen Wäldern aus.

Deutschen Wäldern könnte eine neue Borkenkäferschwemme drohen. Der Winter sei für den Schädling sehr angenehm gewesen, daher hätten zu viele Tiere überlebt, sagte der Leiter des im Dezember gegründeten Julius-Kühn-Instituts für Waldschutz, Henrik Hartmann, laut der Deutschen Presseagentur. »Wie auch in den Vorjahren war es zu warm und zu trocken.« Vor allem Fichten sind betroffen. Auf Grund des Klimawandels seien langfristig aber auch andere Baumarten in Gefahr.

Genaue Zahlen zu Waldschäden in Deutschland liegen bisher nur auf Landesebene vor. »Wir arbeiten gerade am Aufbau einer bundesweiten Datenbank«, sagte Hartmann. In der sollen dann neben einem übermäßigem Insektenbefall auch Feuer- oder Sturmschäden in Wäldern erfasst werden. Aber auch ohne diese Daten könne die Situation bereits gut eingeschätzt werden. »Nach einer etwas abgeschwächten Dynamik im vergangenen Jahr steuern wir nun wieder auf das Niveau von 2021 zu«, so Hartmann. Laut aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2022 in 60 Prozent der Fälle Schadinsekten die Ursache für großflächige Abholzungen. 2021 hatten die Statistiker den Rekordwert von 81 Prozent gemeldet.

Im kühlen April hätten sich die Insekten noch zurückgehalten, ab Mai dann aber stark ausgebreitet, sagte Hartmann. Auch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg warnte bereits Ende Juni: Der Befall steige rasant und sei in einigen Regionen doppelt so hoch wie im vergangenen Jahr. Der Präsident des Verbandes Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer, Andreas Bitter, sagte: »Die Situation ist aktuell extrem kritisch.« Derzeit sei die Elterngeneration der Käfer am Werk, die überwintert habe, deren Nachwuchs folge erst noch.

Bis zu drei Käfergenerationen

Das Hauptproblem: Wegen der hohen Temperaturen und vor allem wegen der Trockenheit schlüpften in einem Jahr bis zu drei Generationen der Schädlingskäfer, erklärte Hartmann. Dabei sei der Borkenkäfer eigentlich gut für den Wald und sorge für Totholz, das wiederum für die Entwicklung von Tieren und Pflanzen wichtig ist – nur eben nicht in der derzeitigen Menge. Die Ausbreitung des Borkenkäfers seit 2018 sei in vielen Regionen Deutschlands bereits epidemisch. Hartmann betont: »Das ist eindeutig dem Klima zuzuordnen.« Die flachwurzelnden Bäume sind wegen der starken Trockenheit in den vergangenen Jahren geschwächt und anfällig für den Käferbefall. Starke Stürme warfen zudem viele Bäume um, in denen die Käfer nisten.

Bisher geht es vor allem um den so genannten Buchdrucker (Ips typographus). Diese Borkenkäfer-Art greift hauptsächlich Fichten an. Die kleinen Tierchen bohren sich in die Bäume und legen ihre Eier unter der Rinde ab. Nach dem Schlüpfen ernähren sich die Larven von der Bastschicht des Baums. Diese dünne Schicht unter der Rinde ist das lebenswichtige Adersystem des Baums. Darin werden Wasser und Nährstoffe transportiert. Wird die Schicht zerstört, stirbt der Baum.

Vor allem in tieferen Lagen ist der Borkenkäfer Fachleuten zufolge kaum aufzuhalten. Es gebe gar nicht genug Arbeitskräfte und Maschinen, um dagegen vorzugehen. Zudem ist die Bekämpfung teuer: Wegen der Dringlichkeit kostet das Fällen von befallenen Bäumen mehr Geld und gleichzeitig ist der Erlös für das Schadholz geringer. Und: Selbst wenn die Bäume rechtzeitig gefällt und aus dem Wald transportiert würden, blieben immer noch Käfer in der Laubschicht im Wald zurück.

»Wir bewegen uns langsam aus dem Bereich der Idealbedingungen für Bäume, die wir bisher als heimisch bezeichnen, heraus«Henrik Hartmann, Leiter des Julius-Kühn-Instituts für Waldschutz

In höheren Lagen verbreitet sich der Käfer wegen der kühleren Temperaturen bisher langsamer. Das scheine sich nun aber zu ändern, sagt Waldbesitzer-Vertreter Bitter. Zudem würden neben Fichten auch verstärkt Kiefern befallen. Künftig könnte die Erderwärmung weiteren Baumarten zusetzen, ergänzt Hartmann. »Wir bewegen uns langsam aus dem Bereich der Idealbedingungen für Bäume, die wir bisher als heimisch bezeichnen, heraus.«

In Deutschland sind bislang vor allem Mittelgebirge vom Borkenkäfer betroffen. In den vergangenen sechs Jahren fielen laut den Niedersächsischen Landesforsten im Harz etwa 80 Prozent der Fichten dem Schädling zum Opfer. Die Region zählt mit dem Sauerland zu den am stärksten betroffenen Gebieten.

Die Forstarbeiter und -arbeiterinnen würden sich in diesem Jahr auf die verbliebenen gesunden Bäume konzentrieren. Es komme nun vor allem auf Schnelligkeit an. Bäume müssten aus dem Wald geschafft werden, bevor die in ihnen brütenden Käfer der zweiten Generation schlüpfen, sagte ein Landesforsten-Sprecher. Dabei gehe es eher um Tage als um Wochen. Klar sei aber auch, dass das Baumsterben so nur hinausgezögert werde. Im Harz wird bereits seit Jahren an vielen Stellen der Wald mit Mischwäldern wieder aufgeforstet. Ein größerer Mix aus jungen und alten sowie verschiedenen Laub- und Nadelbaumarten soll die Wälder besser gegen die Einflüsse des Klimawandels schützen. (dpa/kmh)

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