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Bose-Einstein-Kondensat: Der exotischste Materiezustand wird noch exotischer

Polare Moleküle bilden einen Quantenzustand mit bisher unzugänglichen Eigenschaften. Fachleute hoffen auf ganz neue Arten kurioser Quantenmaterie.
Wolke mit hellem Peak in der Mitte.
Bei sechs Nanokelvin kondensiert der gemeinsame Quantenzustand aus einer ultrakalten Gaswolke (Symbolbild).

Bisher bestanden Bose-Einstein-Kondensate, in denen sich sehr viele Teilchen eine gemeinsame quantenmechanische Wellenfunktion bilden, ausschließlich aus Atomen einer Sorte. Nun ist es einem Team um Sebastian Will von der Columbia University in New York gelungen, den exotischen Quantenzustand auch aus Molekülen mit ungleicher Ladungsverteilung herzustellen. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Nature« berichtet, brachten sie zweiatomige Moleküle aus Natrium und Cäsium dazu, etwa zwei Sekunden lang einen gemeinsamen Quantenzustand einzunehmen. Fachleute erwarten, dass in einem Bose-Einstein-Kondensat aus solchen dipolaren Molekülen mit unterschiedlich geladenen Seiten sogar noch exotischere Materiezustände entstehen. Zum Beispiel könnten die Moleküle Quantentröpfchen bilden, in denen sich das Kondensat wie eine Flüssigkeit verhält.

Ein Bose-Einstein-Kondensat aus Molekülen stellten Fachleute bereits 2003 her. Doch diese Moleküle bestanden aus zwei Lithiumatomen, und zwischen zwei Atomen verteilt sich die Ladung gleich. Deswegen wechselwirkten diese Konstrukte nicht viel anders als normale Atome. Die von der Arbeitsgruppe in New York genutzten Moleküle können sich dagegen über ihre unterschiedlich geladenen Seiten auch elektromagnetisch beeinflussen und räumlich ausrichten. Das macht Kondensate aus ihnen viel spannender. Dadurch ist es aber auch viel schwieriger, aus solchen Molekülen überhaupt ein Bose-Einstein-Kondensat herzustellen. In einem ultrakalten Gas aus dipolaren Molekülen, dem Ausgangsmaterial für die Quantenkondensation, treten chemische Reaktionen auf, die solche Gase schnell zerstören.

Das Team um Will unterband diesen Prozess, indem es verhinderte, dass die Moleküle des Gases kollidieren. Dazu nutzte es zwei Mechanismen. Einerseits brachte es die Moleküle mit einem Mikrowellenfeld in einen Überlagerungszustand aus Rotationszuständen, durch den sich die Moleküle über kurze Distanzen abstoßen. Sie bilden dann gebundene Zustände, in denen sie sich nicht berühren. Diese Zustände können aber weitere Moleküle anziehen, so dass drei Moleküle miteinander interagieren. Diese Anziehung kompensierte die Arbeitsgruppe mit einem weiteren überlagerten Mikrowellenfeld. Dadurch blieb das reaktive Gas aus rund 30 000 Molekülen stabil, während die Fachleute es von seiner Ausgangstemperatur von 700 Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt auf nur noch sechs Milliardstel Grad abkühlten.

Dann entstand ein Bose-Einstein-Kondensat mit rund 200 Molekülen, das für 1,8 Sekunden stabil blieb. Das Besondere an dem neuen Kondensat ist, dass die Moleküle darin durch ihre Ladungen wechselwirken, ähnlich wie Wassermoleküle. Durch die Anziehung zwischen positiven und negativen Ladungen hat das Kondensat – laut theoretischen Rechnungen – eine Art Oberflächenspannung, ganz ähnlich wie Wassertropfen. Es bleibt auch ohne einschließendes Magnetfeld zusammen. In solchen Tröpfchen erwarten Fachleute neue exotische Phänomene wie einen neuen Typ von Supraflüssigkeit, eine Quantenversion von Flüssigkristallen oder auch bisher unbekannte Spingitter.

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