News: Bose-Einstein-Kondensat schlägt Wellen
So beschrieb im Jahre 1834 der schottische Ingenieur John Scott Russell (1808-1882) in seinem Report on Waves die bemerkenswerte wissenschaftliche Entdeckung, die er bei Experimenten auf dem Union Canal nahe Edinburgh gemacht hatte. Heute ist das Phänomen jener Wellenerscheinungen – der Solitonen – weit besser verstanden. Wissenschaftler wissen, dass es sich dabei um ein nichtlineares Phänomen handelt, bei der sich Ursache und Wirkung nicht wie sonst üblich in der Physik proportional zueinander verhalten.
Die Solitonen, die sich auch als einzelnes Teilchen auffassen lassen, sind inzwischen nicht nur aus der Hydrodynamik, sondern auch aus Bereichen der Teilchenphysik sowie der Optik bekannt. Gerade hier ermöglichen sie eine Reihe interessanter Anwendungen in der Informationstechnologie: So können sie beispielsweise in der Telekommunikation für störungsfreie Signalübertragung über lange Strecken sorgen. Nun türmen sich die außergewöhnlichen Wellen aber auch in Materie auf, die mindestens ebenso befremdlich ist, wie das Phänomen der Solitonen selbst: Zum ersten Mal gelang es Forschern nämlich, "helle" Solitonen in einem Bose-Einstein-Kondensat zu erzeugen.
Ein solches Kondensat besteht aus ultrakalten Atomen, deren Temperatur weniger als ein Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt liegt. Bei derartiger Kälte verlieren bestimmte Atome, die Bosonen, ihre Individualität und finden sich zu einem gemeinsamen Ganzen zusammen, verhalten sich also wie ein einziges Superatom. Kevin Strecker und seinen Kollegen von der Rice University in Houston gelang es nun, aus einer solchen Wolke aus Lithium-Atomen einzelne Solitonen herauszuschlagen. "Hell" hießen die Solitonen deshalb, weil sie tatsächlich auch aus Atomen bestanden und nicht aus Stellen, die lediglich von ihrer Abwesenheit kündeten.
Denn solche "dunklen Solitonen" konnten Forscher bereits in einem Bose-Einstein-Kondesat erzeugen. Doch erwiesen sich diese nicht als sonderlich stabil und existierten obendrein nur innerhalb des Kondensats. Nicht so die Solitonen von Streckers Team: Die einzelnen Wellenpakete wanderten ohne ihre Form zu ändern aus dem ursprüngliche Kollektiv entlang eines Laserstrahls. Durch Magnetfelder schalteten die Forscher die Wechselwirkung der Atome im Kondensat von abstoßend auf anziehend und kompensierten so die Dispersion – das Auseinanderlaufen – der Welle.
Dabei waren die Kondensat-Häppchen auf ihrem Weg über den Laserstrahl nur deshalb stabil, weil sie aus einer vergleichsweise kleinen Zahl von Atomen bestanden. Eine größere Ansammlung wie im ursprünglichen Kondensat wäre hingegen unter der anziehenden Wechselwirkung kollabiert. So konnten die Solitonen jedoch größere Strecken von dem Bose-Einstein-Kondensat zurücklegen, das sie einst formte.
Doch haben diese eigenartigen Materiewellen auch einen tatsächlichen Nutzen? Im Prinzip ja, denn mit ihnen ließe sich ein äußerst präzises Gyroskop verwirklichen – ein Gerät, das selbst allerkleinste Lageveränderungen noch sicher nachweisen kann. Auch außergewöhnlich genaue Atomuhren könnten den Effekt nutzen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.