Botanik: Unerwartete Orchidee mit rekordverdächtigen Ausmaßen
Im Jahr 1862 prognostizierte Charles Darwin anhand des 30 Zentimeter langen Blütensporns der Orchideenart Stern von Madagaskar (Angraecum sesquipedale), dass es dazu einen Falter mit extrem langem Rüssel geben müsse, der an den Nektar der Pflanze gelangen könne. 1903 wurde dieser Schwärmer dann tatsächlich beschrieben. Weitere 121 Jahre später beschreibt ein Team um João Farminhão von der Universidade de Coimbra in Portugal eine bislang unbekannte Art, die es mit den Rekorden des Sterns von Madagaskar aufnehmen kann: Solenangis impraedicta besitzt einen Blütensporn von 33 Zentimeter Länge – den drittlängsten, der bekannt ist, und den größten im Pflanzenreich in Relation zur nur zwei Zentimeter messenden Blüte.
Letztmals wurde zuvor 1965 eine ähnlich dimensionierte Orchidee entdeckt, wobei Madagaskar relativ viele Arten mit derart langen Nektarkelchen aufweist, die von spezialisierten Schwärmern angeflogen werden. Erstmals gesammelt wurde Solenangis impraedicta Ende der 2000er Jahre auf dem Gelände eines geplanten Bergbaus im zentralen Teil Ostmadagaskars; zehn Jahre später fanden Mitglieder der Arbeitsgruppe sie an einem weiteren Standort und identifizierten sie schließlich als bis dahin unbeschriebene Art der Gattung Solenangis.
Dass seit der Erstentdeckung so viele Jahre vergangen sind, begründet Farminhão mit der Seltenheit der Orchidee. Sie wächst wahrscheinlich nur in einem sehr kleinen Gebiet und wird dort nicht nur durch den Abbau von Rohstoffen bedroht. Die extremen Maße der Blüte machen die Pflanze wahrscheinlich ebenso zum begehrten Ziel von Orchideensammlern. Deshalb nutzten die Forschenden die Zwischenzeit, um die Gewächse nicht nur zu studieren, sondern auch erste Schutzmaßnahmen einzuleiten. Der genaue Standort der Population bleibt daher unter Verschluss. Zudem sammelte das Team Samen und zog Pflanzen in botanischen Gärten als Sicherheitsbestand heran.
Mit Hilfe von Kamerafallen überwachten die Forscher außerdem ausgewählte Blüten, um potenzielle Bestäuber zu identifizieren. Auch wenn kein direkter Nachweis gelang, so ließen sich auf den Bildern zumindest zwei große Schwärmerarten nachweisen, die potenziell dazu in der Läge wären. Die Forscher hoffen, dass es nicht wieder Jahrzehnte bis zum endgültigen Beleg dauern wird, wie damals bei Charles Darwins Voraussagen.
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