Kein Brauner Zwerg: Zufallsfund im All heißt »Unfall« und ist nicht normal
Richtig gut weg kommen Braune Zwerge weder in der Presse noch in der Fachliteratur. Dass sie gescheiterte Sterne seien, wird da berichtet. Als stellare Fehlzündungen werden sie bezeichnet, als Zwitterobjekte, oder, etwas poetischer, als einsame Wanderer. Und nun auch noch das: Ein Brauner Zwerg namens WISE 1534–1043 hat von seinem Entdecker den Spitznamen »Der Unfall« erhalten. Doch ob es sich bei WISE 1534–1043 überhaupt um einen Braunen Zwerg handelt, loten Astronominnen und Astronomen im Fachmagazin »The Astrophysical Journal Letters« aus.
Braune Zwerge sind weder Stern noch Planet
Die Zuschreibungen der Braunen Zwerge – gescheiterte Sterne, stellare Fehlzündung oder Zwitterobjekt – sind zunächst einmal fachlich korrekt. Denn sie sind zu groß, um als Planet durchzugehen, aber zu klein und zu kalt, um ein Stern zu sein. Ihre Masse ist zu gering, als dass sie in ihrem Inneren durch Kernfusionsprozesse Energie freisetzen könnten. Sterne leuchten aufgrund ihrer Prozesse im Inneren, unsere Sonne beispielsweise bringt es dadurch auf eine Oberflächentemperatur von rund 5800 Kelvin – was immer noch lächerlich erscheint gegen die rund 15 Millionen Kelvin in ihrem Zentrum. Die kühlsten Braune Zwerge hingegen mögen an ihrer Oberfläche vielleicht gerade einmal 450 Kelvin schaffen. Sie lassen sich nur über ihre Infrarotstrahlung entdecken.
Bei einer Himmelsdurchmusterung im infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums wanderten dem NASA-Weltraumteleskops Wide-Field Infrared Survey Explorer WISE nun zufällig ein Himmelsobjekt durch das Bild, nach dem niemand gesucht hatte: WISE 1534–1043, der prompt den Spitznamen »Der Unfall« verpasst bekam. War WISE 1534–1043 ein Brauner Zwerg? Auf den ersten Blick sah er ein wenig danach aus, ein Forscherteam um J. Davy Kirkpatrick vom California Institute of Technology stellte dann aber einige zusätzliche Beobachtungen am Keck Observatorium auf Hawaii und mit dem Hubble Weltraumteleskop an.
Alter Brauner Zwerg, junger Brauner Zwerg, Exoplanet auf Abwegen oder stellares Überbleibsel?
Zunächst einmal konnte das Forscherteam die Entfernung zu WISE 1534–1043 genauer bestimmen. Sie beträgt lediglich rund 50 Lichtjahre. Betrachten Astronominnen und Astronomen nun lediglich die absolute Helligkeit bei verschiedenen Wellenlängen von WISE 1534–1043, mag er ausschauen wie ein extrem kalter Brauner Zwerg des sogenannten Typ Y. Bei einem Vergleich der Farben und der Helligkeiten der unterschiedlichen Helligkeiten der aufgenommenen Farbkanäle allerdings wurde schnell klar, dass es sich der Zufallsfund WISE 1534–1043 nicht so recht den bislang gefundenen Kategorien der Braunen Zwergen zuordnen lässt.
Bei Beobachtungen wie in diesem Fall fertigen Astronominnen und Astronomen photometrische Aufnahmen an. Sie beobachten damit, wie hell ein Stern leuchtet, messen die Helligkeit aber nicht über das gesamte Spektrum – oder den gesamten infraroten Bereich, so wie in diesem Fall –, sondern lediglich in einigen wenigen Farbkanälen um einen engen Wellenlängenbereich herum. Dies erlaubt Rückschlüsse darauf, wie hell ein Himmelsobjekt insgesamt in einer gewissen Farbe leuchtet. Als »Farbe« bezeichnet man dabei den Helligkeitsunterschied zwischen zwei Farbkanälen. Dieses Vorgehen erlaubt es einerseits, das Himmelsobjekt in sogenannte Farben-Helligkeitsdiagramme einzutragen. Andererseits ist auch ein Vergleich von verschiedenen Farben möglich.
Mit derartigen Diagrammen lassen sich Himmelskörper in Gruppen sortieren. Nur wollte WISE 1534–1043 nun partout zu keiner der Gruppen bekannter Brauner Zwerge passen: Auf den Diagrammen war er allein auf weiter Flur. Irgendetwas an diesem Himmelsobjekt ist also komisch. Nur was?
Bislang ist kein vergleichbares Objekt gefunden worden, und so darf munter spekuliert werden, um was es sich bei WISE 1534–1043 handelt. Die Forscherinnern und Forscher schlagen dazu vier Möglichkeiten vor. Zuerst könnte das merkwürdige Objekt ein sehr alter und kühler Braunen Zwerg sein, der nicht viele massereiche Elemente in seiner Atmosphäre versammelt. Oder es handelt sich um einen sehr jungen, massearmen Braunen Zwerg. Etwas exotischer kommt Möglichkeit Nummer drei daher: Wenn WISE 1534–1043 schon so alleine durch das Weltall driftet, könnte es ja auch ein freifliegender Exoplanet sein, der aus seinem Sternsystem hinausbefördert wurde. Dann würde es sich im wahrsten Sinne des Wortes um einen einsamen Wanderer handeln. Oder aber das Forscherteam hat einen ultrakalten stellaren Überrest beobachtet.
WISE 1534–1043 ist bislang der einzige Braune Zwerg seiner Art
All diese Möglichkeiten klingen spannend. Für am wahrscheinlichsten halten J. Davy Kirkpatrick und sein Team allerdings Möglichkeit Nummer 1. WISE 1534–1043 als alter, extrem kühler Braunen Zwerg könnte dann seine eigene Kategorie begründen: die der sub-Typ Y Braunen Zwerge. Ob die Forscher damit richtig liegen, können erst weitere Beobachtungen und vor allem spektroskopische Aufnahmen zeigen, die mit den derzeitigen technischen Mitteln noch unmöglich sind. Dementsprechend fällt das Fazit der Forschenden aus: »Eine Bestätigung, eine Widerlegung oder noch mehr Verwirrung sollte mithilfe von weiteren Aufnahmen sowie spektroskopische Beobachtungen über einen weiten Wellenlängenbereich mithilfe des James Webb Weltraumteleskops möglich sein.«
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