Hydrogeologie: Britische Sintfluten
Die Briten werden von manchen als besonderes Völkchen angesehen: Ihre Küche gilt als wenig berühmt, sie fahren auf der falschen Straßenseite und hegen manch Festlandeuropäern merkwürdig anmutende Sitten. Alles Folge der insularen Isolation? Dann wären wohl zwei Dammbrüche zu Eiszeiten, gefolgt von Megafluten, verantwortlich zu machen.
35 Minuten dauert sie, die Fahrt durch den Eurotunnel. Wer lieber über Wasser und etwas kostengünstiger reist, braucht mit der Fähre von Calais nach Dover immerhin anderthalb Stunden, um den Ärmelkanal zu überqueren – jenen Graben, der Großbritannien zur Insel macht. Dabei war das nicht immer so: Zu Eiszeiten, in denen der Meeresspiegel etwa 120 Meter tiefer lag als heute, teilten sich Themse, Rhein und Seine noch den Unterlauf, der das Tal des heutigen Kanals als gewaltiger Strom durchzog. Man konnte als früher Europäer also hinüber spazieren – was auch geschah.
Schon lange rätseln Wissenschaftler, was diesen Graben eingeschnitten hat. Hatte ihn das alte Flusssystem bei niedrigem Meeresspiegel erodiert? Oder vorrückende Gletscher? Die Gezeiten? Oder eine katastrophale Flut? Der letzte Vorschlag gefällt Sanjeev Gupta vom Imperial College in London und seinen Kollegen am besten – und für ihn präsentieren sie auch überzeugende Hinweise.
Tiefe Spuren von Erosion
Im Gebiet südlich der Isle of Wight stießen die Forscher auf ein hundert Kilometer langes, ungewöhnlich breites und gestrecktes, von Nordost nach Südwest orientiertes Tal im leicht abfallenden Schelfhang. Es bildete früher den nördlichen Teil des alten Kanal-Flusssystems. Es quert verschiedene geologische Schichten des Untergrunds, seine Form ist also nicht von der Widerstandsfähigkeit der Gesteine abhängig. Stromlinienförmige Hangkanten deuten auf massive Erosion hin, ebenso wie kilometerlange Einkerbungen, die alten Stromlinien zu folgen scheinen – eine Struktur, die bei starkem Abfluss durch Wirbel entlang der Flussrichtung entstehen kann.
Vielsagender Abbruch
Südöstlich der Isle of Wight offenbarte sich den Wissenschaftler zudem ein abrupter Abbruch von einem Seitental, das als ursprünglicher Lauf des früheren Solent-Zuflusses aus dem Norden interpretiert wird. Ein derartiger Höhenunterschied an einer Einmündung kann nur entstehen, wenn das Bett des Vorfluters – in diesem Falle also des alten Kanalstroms – plötzlich massiv abgesenkt wird. Unter normalen Bedingungen würde rückschreitende Erosion den Steilhang stetig ausgleichen. Und last not least stießen die Forscher am nördlichen Talhang auf eine in das Kalkgestein eingegrabene Uferbank, die von weiterer Erosion nach einem ersten katastrophalen Flutereignis zeugt: Das erste hatte sie geschaffen, und erst im folgenden wurde sie weiter vertieft.
Wann genau das alles geschah, können die Forscher allerdings nicht sagen: Vor frühestens 450 000, als die ersten Eismassen so weit in den Süden vorstießen, und spätestens 180 000 Jahren, nur so viel ist sicher, wurde Großbritannien zur Insel. Das zeigt sich auch im Nachweis der frühen menschlichen Besiedlung, die im Paläolithikum regelmäßige Einwanderung belegt, dann jedoch plötzlich einknickt: Der frisch entstandene Ärmelkanal machte nun die Überquerung in Warmzeiten, bei hohem Wasserstand, nur noch mit dem Boot möglich. Den Tunnel gab es schließlich erst später.
Schon lange rätseln Wissenschaftler, was diesen Graben eingeschnitten hat. Hatte ihn das alte Flusssystem bei niedrigem Meeresspiegel erodiert? Oder vorrückende Gletscher? Die Gezeiten? Oder eine katastrophale Flut? Der letzte Vorschlag gefällt Sanjeev Gupta vom Imperial College in London und seinen Kollegen am besten – und für ihn präsentieren sie auch überzeugende Hinweise.
Grundlage ihrer Schlussfolgerung ist eine wahre Fleißarbeit: 1979 hatte die britische Meeres- und Küstenbehörde begonnen, den Boden des Ärmelkanals mit Echolot penibel zu vermessen. Nachdem von Hand Messfehler und sonstige Ungereimtheiten ausgeräumt waren, konnten die Forscher aus den Daten ein digitales Geländemodell erstellen, das horizontal auf 20 Meter und vertikal auf 10 Zentimeter genau ist. Und diese Unterwassertallandschaft haben sie sich auf die typischen Spuren der verschiedenen Abtragungswege genauer angesehen.
Tiefe Spuren von Erosion
Im Gebiet südlich der Isle of Wight stießen die Forscher auf ein hundert Kilometer langes, ungewöhnlich breites und gestrecktes, von Nordost nach Südwest orientiertes Tal im leicht abfallenden Schelfhang. Es bildete früher den nördlichen Teil des alten Kanal-Flusssystems. Es quert verschiedene geologische Schichten des Untergrunds, seine Form ist also nicht von der Widerstandsfähigkeit der Gesteine abhängig. Stromlinienförmige Hangkanten deuten auf massive Erosion hin, ebenso wie kilometerlange Einkerbungen, die alten Stromlinien zu folgen scheinen – eine Struktur, die bei starkem Abfluss durch Wirbel entlang der Flussrichtung entstehen kann.
Außerdem stießen Gupta und seine Mitarbeiter auf bis zu zehn Kilometer langgestreckte, linsenförmige bis viereckige Inseln, die nicht etwa auf der Ablagerung von Sedimenten beruhen, sondern aus dem Untergrund herausgearbeitet wurden. Sie erinnern stark an Löss-Inseln im Cheney-Palouse-Gebiet in den USA, wo der pleistozäne Missoula-See in Montana sich nach einem Dammbruch durch den Löss bis in den Basalt eingegraben hatte. Normale Flusserosion wäre nicht stark genug, um solche Strukturen zu erzeugen.
Vielsagender Abbruch
Südöstlich der Isle of Wight offenbarte sich den Wissenschaftler zudem ein abrupter Abbruch von einem Seitental, das als ursprünglicher Lauf des früheren Solent-Zuflusses aus dem Norden interpretiert wird. Ein derartiger Höhenunterschied an einer Einmündung kann nur entstehen, wenn das Bett des Vorfluters – in diesem Falle also des alten Kanalstroms – plötzlich massiv abgesenkt wird. Unter normalen Bedingungen würde rückschreitende Erosion den Steilhang stetig ausgleichen. Und last not least stießen die Forscher am nördlichen Talhang auf eine in das Kalkgestein eingegrabene Uferbank, die von weiterer Erosion nach einem ersten katastrophalen Flutereignis zeugt: Das erste hatte sie geschaffen, und erst im folgenden wurde sie weiter vertieft.
Nicht eine, sondern gleich zwei wahre Sintfluten also sollen den tiefen Graben zwischen europäischem Festland und britischer Insel geschaffen haben. Die Seen dazu sind auch schon gefunden: Der erste wurde aufgestaut, als Gletschermassen erstmals so weit in den Süden vorstießen, dass sie das Gebiet der südlichen Nordsee blockierten. Gespeist aus den Zuflüssen von Rhein und Themse, durchbrach das Wasser schließlich die Barriere in der heutigen Straße von Dover nach Westen. Beim zweiten Mal, in einer späteren Vereisungsphase, befand sich das steinige Hindernis etwas weiter nördlich.
Wann genau das alles geschah, können die Forscher allerdings nicht sagen: Vor frühestens 450 000, als die ersten Eismassen so weit in den Süden vorstießen, und spätestens 180 000 Jahren, nur so viel ist sicher, wurde Großbritannien zur Insel. Das zeigt sich auch im Nachweis der frühen menschlichen Besiedlung, die im Paläolithikum regelmäßige Einwanderung belegt, dann jedoch plötzlich einknickt: Der frisch entstandene Ärmelkanal machte nun die Überquerung in Warmzeiten, bei hohem Wasserstand, nur noch mit dem Boot möglich. Den Tunnel gab es schließlich erst später.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.