Kryptozoologie: Britischer Tourist stöbert verschollenes Baumkänguru auf
»Nur ein unerschrockener Brite auf der Suche nach Rhododendren hätte durchhalten können.« Mit diesen Worten kommentierte der australische Beuteltierforscher Roger Martin von der James Cook University gegenüber »National Geographic« einen sensationellen Fund durch einen unerwarteten Abenteurer. Nach über 90 Jahren ohne gesicherten Nachweis hat der britische Tourist und Hobbybotaniker Michael Smith aus Farnham das Wondiwoi-Baumkänguru (Dendrolagus mayri) wiederentdeckt – in den abgelegenen Wondiwoi-Bergen im westlichen Neuguinea. Nur im Jahr 1928 hatte der berühmte Evolutionsbiologe Ernst Mayr das Tier beobachtet und wissenschaftlich erfasst, seitdem galt es als verschollen oder sogar als ausgestorben. Selbst lokale Jäger berichteten nur sehr selten, dass sie eines der Tiere gesichtet hätten.
Doch Baumkängurus gelten als notorisch schwer zu beobachtende Tiere, die versteckt in oft unzugänglichen Bergregenwäldern leben. Da sie von den einheimischen Papua-Völkern intensiv bejagt werden, sind sie zudem sehr scheu. Doch gerade dies ließ Smith keine Ruhe: Nachdem der Zoologe Gerüchte über die Art gehört hatte, entschloss er sich, eine Expedition in die Wondiwoi-Berge zu organisieren. Gänzlich unerfahren ist der bei einer Medizinkommunikationsfirma angestellte Brite darin nicht, denn seine Urlaubsreisen gehen regelmäßig zu fernen Zielen in Asien, wo er nach seltenen Pflanzenarten wie Orchideen oder Rhododendren sucht. Letztere führten ihn 2017 in die indonesische Provinz Papua, wo er erstmals von dem seltsamen Säugetier gehört hat.
Zusammen mit mehreren Trägern, einem aus der Region stammenden Jäger und einem Studenten der University of Papua brach Smith dann am 23. Juli in die Berge auf – und kehrte laut »National Geographic« schon eine Woche später erfolgreich wieder. Im Gepäck hatte er mehrere Fotos, die er Experten wie Roger Martin vorlegte, welche die Art nahezu zweifellos anhand der typischen Fellfärbung identifizierten. Die Wondiwoi-Berge liegen zudem mehrere hundert Kilometer entfernt vom nächstgelegenen Gebirge, in dem verwandte Hochgebirgsarten vorkommen. Ein Grund für die seltenen Sichtungen könnte sein, dass Jäger kaum in den Lebensraum der Tiere vordringen. Zumeist stiegen sie laut Smith nur bis in eine Höhe von 1300 Metern auf, darüber beginnen schwer durchdringliche Bambusdickichte, die ein Vorwärtskommen zum Kraftakt machen. Das Wondiwoi-Baumkänguru lebt allerdings erst oberhalb dieser Zone, die in 1500 bis 1700 Meter Höhe beginnt.
Dort scheint die Art sogar relativ häufig zu sein, wie typische Kratzspuren an Bäumen mit dem charakteristischen Duft von Baumkängurus sowie Kotreste andeuten. Dennoch hatten Smith und Co erst am letzten Tag Glück, als sie bereits wieder absteigen wollten. An diesem Tag bemerkte der angeheuerte Jäger 30 Meter über dem Grund ein Baumkänguru, dass Smith schließlich fotografieren konnte. Das gesamte Verbreitungsgebiet der Art könnte allerdings nur wenige Dutzend Quadratkilometer groß sein, so dass sie weiterhin als gefährdet gelten muss. Die relativ großen Tiere dieser Familie sind in vielen Teilen Neuguineas begehrte Beute; außerdem existiert noch kein Schutzgebiet in den Wondiwoi-Bergen. Für den Beuteltierspezialisten Mark Eldridge vom Australian Museum in Sydney ist es daher oberste Priorität, dass eine weitere Expedition Kot- oder Fellproben der Tiere sammelt, um letzte Zweifel an Smith' Fund auszuräumen – und um auszuloten, wie die Bergregenwälder außer durch die Bambusdickichte geschützt werden können.
Baumkängurus leben in mehreren Arten auf Neuguinea und der Kap-York-Halbinsel Australiens. Sie haben starke Vorderbeine, mit denen sie sich an Baumstämmen emporziehen können. Dort bewegen sie sich springend und kletternd im Kronenraum fort. Über die Lebensweise der meisten Spezies ist bis heute wenig bekannt; viele Arten gelten als bedroht – während andere womöglich erst noch wissenschaftlich beschrieben werden müssen: Sie sind durch Fotofallen oder anhand von Fellproben bekannt, doch noch nicht lebend beobachtet worden.
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