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Kommunikation: Buchstaben-Gedankenleser

Ein Hirnscanner könnte Locked-in-Patienten helfen, sich zu verständigen.
Buchstaben-Gedankenlesen im Hirnscanner

Ans Bett gefesselt und unfähig zur Kommunikation – so ergeht es Menschen mit "Locked-in-Syndrom": einem Zustand, in dem die Betroffenen zwar bei vollem Bewusstsein, körperlich aber fast vollständig gelähmt sind. Erhalten ist meist nur die vertikale Augenbeweglichkeit, worüber die Patienten mit Ja-nein-Antworten kommunizieren können. Bettina Sorger von der Universität Maastricht und ihre Kollegen haben nun eine neue Technik entwickelt, über aktivierte Gehirnmuster einzelne gedachte Buchstaben abzulesen und damit möglicherweise den Betroffenen Gespräche zu ermöglichen.

Die Forscher brachten dazu sechs gesunden Versuchspersonen zunächst bei, einzelne Buchstaben mit Denkaufgaben auszudrücken, die dann typische, in funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) eindeutig erkennbare Aktivitätsmuster im Gehirn hervorrufen. Die 27 unterschiedlichen Aktivitätsmuster (für die 26 Buchstaben plus Leerzeichen) ergaben sich durch eine 3-mal-3-mal-3-Kombination von folgenden Kriterien: Die Testpersonen sollten entweder mental eine Rechenaufgabe durchführen, einen inneren Monolog abspulen oder sich eine Bewegung vorstellen. Darüber hinaus war die Dauer der mentalen Aufgabe (10, 20 oder 30 Sekunden) und die Zeit, welche die Testpersonen abwarten sollten, bis sie mit der mentalen Vorstellung begannen (10, 20 oder 30 Sekunden), für die Kodierung maßgebend.

Um beispielsweise ein "E" zu kodieren, sollte sich der Proband für 30 Sekunden eine Bewegung vorstellen, 10 Sekunden nachdem der Buchstabe aufleuchtete. Der Beobachter am fMRT erkennt das "E" nun daran, dass die für Bewegung zuständigen Hirnregionen nach 10 Sekunden Ruhe für 30 Sekunden aktiv werden.

Buchstaben-Gedankenlesen | Um dem am Magnetresonanztomografen lauschenden Beobachter einen bestimmten Buchstaben (hier: ein "K") zu signalisieren, muss eine Testperson eine bestimmte Denkaufgabe zum richtigen Zeitpunkt über eine bestimmte Zeitspanne hinweg absolvieren. Für "K" bedeutet dies, unmittelbar nach dem Erscheinen einer Kodierungstabelle im Sichtfeld sofort eine Rechenaufgabe ("mental calculation") im Kopf durchzuführen – und dies 30 Sekunden lang, weil das "K" an dritter Stelle des hell hinterlegten Tabellenabschnitts steht. Um dagegen ein "F" zu kodieren, müsste die Person warten, bis das letzte Drittel der Buchstaben hell hinterlegt erscheint, um dann sofort nach dem Aufleuchten für 10 Sekunden eine Bewegung zu imaginieren ("motor imagery"). Im Hirnscanner sind diese Aktionen und ihr Timing dann gut nachzuvollziehen – so können sie in Buchstaben zurückübersetzt werden.

Locked-in-Patienten können schon mit der Hilfe von EEG-Messungen kommunizieren – und dies sogar schneller und kostengünstiger, als es mit dem hier vorgestellten Verfahren gelingen könnte. Allerdings sind die gängigen Methoden nicht differenziert genug, um Aktivitätsmuster für einzelne Buchstaben zu kodieren, und benötigen ein meist langes Training von bis zu zwei Jahren. Hinzu kommt die lange Zeit zur Anbringung der Elektroden. Das Buchstabenlesen mit der fMRT-Technik funktioniert dagegen ohne lange Übungsphasen. Langfristiges Ziel sei es, so die Forscher, die Messungen mit kleineren, tragbaren Geräten zu ermöglichen, etwa mit funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS).

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