News: Buchstabensalat und Wörtersuppe
Rod Nicolson von der University of Sheffield in Großbritannien berichtete am 25. Oktober 1999 auf der Jahrestagung der Society for Neuroscience in Miami, daß er bei dyslexischen Kindern leichte motorische Probleme und einen verringerten Blutfluß im Kleinhirn festgestellt habe. Er führt die dyslexischen Symptome darauf zurück, daß die Menschen nicht in der Lage sind, bestimmte Aufgaben zu automatisieren – sie also schnell und ohne große Anstrengung durchzuführen.
Ein ganz klassischer Test für das ordnungsgemäße Funktionieren des Kleinhirns ist eine Konditionierung, bei der Wissenschaftler Töne mit einem leichten Luftstoß verknüpfen. Die Versuchsobjekte – ob nun Ratten oder Menschen – lernen, daß sie nach einem Ton einen kleinen Luftstoß gegen die Augen bekommen, so daß sie bereits beim Hören des Tones die Augen schließen. Beteiligte mit einem geschädigten Kleinhirn schließen die Augen jedoch nicht vorher, sondern erst, wenn sie den Luftzug spüren – sie erlernen die Verknüpfung nicht. Joan Coffin und Brian L. Jones vom King's College in Wilkes-Barre, Pennsylvania, führten diesen Test an zehn Schülern mit Dyslexie, fünf weiteren mit anderen Lernstörungen und 15 Schülern mit normalen Lesefähigkeiten durch. Diese 15 und die Schülern mit anderen Lernstörungen zwinkerten in 65 Prozent der Zeit unfreiwillig vor dem Luftzug, während die Jugendlichen mit Dyslexie nur in zehn Prozent der Zeit blinzelten.
Gemäß Markus Shugens von der Universität Bochum unterstützen diese Ergebnisse die Annahme, daß Dyslexie in irgendeiner Weise mit dem Kleinhirn verbunden ist. Allerdings seien die neurologischen Grundlagen davon noch unklar. So nehmen andere Wissenschaftler an, daß eine verlangsamte Verarbeitung von akustischen oder visuellen Informationen zu Dyslexie führen könne.
Coffin meint, falls der "Zwinkertest" Dyslexie wirklich zuverlässig vorhersagen könne, wäre es möglich, schon kleine Kinder mit Schwierigkeiten beim Lesenlernen zu finden, und so rechtzeitig richtig zu fördern.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 27.8.1999
"Eine Vorahnung der Leseschwäche"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 9.6.1999
"Wenn einem Hören und Lesen vergeht"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 4.3.1998
"Warum das Lesen so schwer fällt"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 1/97, Seite 30
"Legasthenie gestörte Lautverarbeitung"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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