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Cannabis: Kiffen verantwortlich für jede dritte Psychose bei jungen Männern?

Bei starkem Cannabiskonsum steigt das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, besonders bei Männern. Unklar bleibt aber, welchen Anteil umgekehrt Psychosen am Kiffen haben.
Ein Mann dreht sich einen Joint, dabei ist Cannabis zu rauchen, besonders ungesund.
Eine Auswertung von fast sieben Millionen Einträgen im dänischen Gesundheitsregister aus dem Zeitraum von 1972 bis 2021 ergab: Offenbar liegt bei jungen Männern zwischen 21 und 30 Jahren das Risiko besonders hoch, durch Cannabiskonsum eine Schizophrenie zu entwickeln.

Bei jungen Männern dürften bis zu 30 Prozent aller Schizophreniefälle auf einen problematischen Konsum von Cannabis zurückgehen. Das schreiben Fachleute um Carsten Hjorthøj von der Universität Kopenhagen im Fachblatt »Psychological Medicine«. Sie hatten dazu fast sieben Millionen Einträge aus fünf Jahrzehnten im dänischen Gesundheitsregister ausgewertet, um zu prüfen, wie so genannte Cannabiskonsumstörungen und Schizophrenie zusammenhängen. Kriterien für eine derartige Störung sind unter anderem hoher Konsum, starkes Verlangen nach der Droge oder die Aufgabe oder Einschränkung wichtiger sozialer, beruflicher oder Freizeitaktivitäten. Bisherige Studien hatten bereits gezeigt, dass Cannabiskonsumstörungen mit schweren psychischen Erkrankungen einhergehen können, beispielsweise mit einer Schizophrenie – das gilt für Männer genauso wie für Frauen. Nun haben die Forscherinnen und Forscher um Hjorthøj untersucht, für wen das Risiko am höchsten ist.

Die Analyse zeigt: Ohne Cannabiskonsumstörung hätten 15 Prozent aller Schizophrenien bei Männern in Dänemark im Jahr 2021 vermieden werden können. Bei den Frauen waren es 4 Prozent. Besonders hoch war der Anteil mit bis zu 30 Prozent bei den jüngeren Männern im Alter von 21 bis 30 Jahren. Cannabiskonsumstörungen seien demnach ein wichtiger Risikofaktor für die Krankheit Schizophrenie, schlussfolgern die Fachleute.

Was kam zuerst – die Schizophrenie oder die Abhängigkeit?

Vollkommen gesichert sei es jedoch nicht, dass die Zusammenhänge zwischen Cannabiskonsum und Schizophrenie nur einseitig seien. So schreibt die Arbeitsgruppe: »Interessanterweise wurde bereits gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Cannabis und Schizophrenie möglicherweise wechselseitig ist.« Das Team plädiert daher dafür, auch einen umgekehrten Zusammenhang – Schizophrenie als Risikofaktor für einen künftigen Cannabiskonsum – weiter zu untersuchen.

Die Forschenden hatten Daten von mehr als 6,9 Millionen Männern und Frauen aus dänischen Gesundheitsregistern gesammelt. Bei mehr als 45 300 dieser Menschen war eine Schizophrenie diagnostiziert worden. Anschließend prüften die Wissenschaftler, bei welchen Personen in den verschiedenen Geschlechts- und Altersgruppen außerdem Cannabiskonsumstörungen bekannt waren, und schätzten dann den Anteil aller Schizophreniefälle, bei denen es einen Zusammenhang zu einer solchen Störung gibt. Aus dem Gesundheitsregister ging dabei nicht hervor, wie häufig und wie viel Cannabis die Menschen genommen hatten. Auch wann sie damit begannen, geben die Daten nicht her. Ebenso ist in der Datenbank nicht aufgeschlüsselt, wie hoch der THC-Gehalt der konsumierten Cannabisprodukte liegt.

Die Forscherinnen und Forscher weisen dahingehend jedoch auf einen möglichen weiteren Zusammenhang hin: So sei die Anzahl der Menschen mit einer Cannabiskonsumstörung mit den Jahren generell gestiegen – ebenso werde der THC-Gehalt in Cannabisprodukten immer höher. In Dänemark seien im Jahr 2006 noch im Schnitt 13 Prozent THC-Gehalt gemessen worden, im Jahr 2016 habe er bei 30 Prozent gelegen.

Die Menge an THC könnte das Risiko einer Psychose vergrößern

Die aktuelle Studie erweitert das Ergebnis einer Fallkontrollstudie aus dem Jahr 2019 von Marta Di Forti vom King's College London und ihrem Team. Sie stellten damals fest, dass in den Städten, in denen Menschen regelmäßig Cannabisprodukte mit einem besonders hohen THC-Gehalt konsumieren, auch die Anzahl der Psychoseerkrankungen besonders hoch ist. Die Studie von 2019 befasste sich mit Daten aus elf europäischen Städten, die Spitzenplätze belegten Amsterdam und London. Folglich könnte auch die Stärke des konsumierten Cannabis relevant für das Schizophrenierisiko sein, meinen die Forscher.

Der Ärztliche Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg Rainer Thomasius verweist auf einen weiteren Aspekt der Studie: »Wirklich erschreckend ist, dass laut der Analyse der Anteil der Neuerkrankungen an Schizophrenie, die auf eine Cannabiskonsumstörung zurückgeführt werden können, in den letzten fünf Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen ist.« Für die Betroffenen beginnt damit in vielen Fällen ein langer Leidensweg: »Die Schizophrenie gehört zu schwersten psychiatrischen Erkrankungen, weil sie mit einer stark verminderten Lebensqualität, einer hohen Behandlungsbedürftigkeit, Unselbständigkeit und einer starken Einschränkung gesellschaftlicher Teilhabe verbunden ist«, erklärt Thomasius. Die Studie aus Dänemark lasse sich auch auf Deutschland übertragen.

Die deutsche Bundesregierung plant die Legalisierung von Cannabis. Thomasius und andere Experten vermuten, dass der Konsum damit hier zu Lande insgesamt steigen wird. »Durch diese Zunahme werden mehr Menschen an einer Cannabiskonsumstörung erkranken und die Anzahl der Schizophreniepatienten wird zunehmen. Es wird auch die Erkrankungshäufigkeit für cannabisinduzierte depressiven Störungen und Angststörungen ansteigen«, prognostiziert Kinder- und Jugendpsychiater Thomasius.

Studienmitautorin Nora Volkow vom National Institutes of Health im amerikanischen Bethesda mahnt in einer Pressemitteilung: »Da der Zugang zu potenten Cannabisprodukten weiter zunimmt, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir auch die Prävention, das Screening und die Behandlung für Menschen ausbauen, die psychische Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum erleiden könnten.« Erstautor Hjorthøj sieht noch ein grundsätzliches Problem: »Die zunehmende Legalisierung von Cannabis in den letzten Jahrzehnten hat dazu geführt, dass es zu einer der am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen der Welt geworden ist, während gleichzeitig die öffentliche Wahrnehmung der Schädlichkeit von Cannabis abgenommen hat.« (dpa/kas)

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