News: Chemie-Nobelpreis: Bevorzugtes Spiegelbild
Da es sich um gleiche Moleküle handelt – nur mit unterschiedlichem räumlichen Aufbau – haben sie identische chemische Eigenschaften. Auch physikalisch unterscheiden sie sich nicht. Mit einer Ausnahme, die gleichzeitig auch als Nachweis dient: Entantiomere drehen die Schwingungsebene von polarisiertem Licht entweder nach links oder nach rechts.
Damit scheint die so genannte Chiralität (chiros griech.: Hand) eher ein Randproblem für Chemiker zu sein. Dem ist aber nicht so, denn wichtige Bausteine des Lebens, wie Aminosäuren oder Zucker, kommen als Spiegelbildisomere vor. Und die Natur bevorzugt jeweils nur eine Form. Diese Einseitigkeit hat enorme Konsequenzen für die Pharmaforschung, wie sich fatalerweise zu Beginn der sechziger Jahre beim Contergan zeigte: Das Schlafmittel enthielt eine Mischung beider Enantiomere des Wirkstoffes Thalidomid. Während die eine Form die gewünschte beruhigende Wirkung zeigte, löste die andere schwere Missbildungen bei Embryonen aus.
Was für die Natur ein Kinderspiel ist, stellt Chemiker vor eine schwierige Herausforderung: die Produktion von nur einer Form der Spiegelbildisomere. Denn bei den meisten chemischen Reaktionen entsteht ein Gemisch beider Formen, die hinterher nur schwer zu trennen sind. Den Durchbruch schaffte 1968 William Knowles, der damals bei der Firma Monsanto in St. Louis beschäftigt war. Er verwendete die Vorarbeit zweier Arbeitsgruppen: 1966 entdeckten Osborn und Wilkonson die katalytischen Fähigkeiten eines Rhodiumkomplexes für Hydrierungsreaktionen – also Reaktionen mit molekularem Wasserstoff. Die von ihnen verwendeten Katalysatoren waren jedoch nicht chiral.
Die zweite Entdeckung, auf die sich Knowles stützte, war die Synthese chiraler Phosphine durch Horner und Mislow. Knowles kombinierte nun beide Erkenntnisse und baute aus den chiralen Phosphinen und dem Metallkomplex einen Katalysator, der selbst als Spiegelbildisomer vorlag. Und siehe da: dieser Katalysator vermochte tatsächlich die Hydrierung in Richtung eines bestimmten Enantiomers zu steuern.
Die Ausbeute war noch sehr gering; der Überschuss eines Enantiomers betrug nur 15 Prozent. Doch Knowles machte sich an seine eigentliche Aufgabe: die Produktion des Wirkstoffes L-DOPA. Das Medikament, das gegen die Parkinson'sche Krankheit eingesetzt wird, hilft nur in dieser Form; sein Pendant, D-DOPA, bleibt wirkungslos. Knowles gelang es jedoch, einen Rhodium-Komplex als Katalysator herzustellen, der zu 97,5 Prozent L-DOPA liefert.
Auf diese Arbeiten baute der Japaner Ryoji Noyori von der Nagoya University auf. Er suchte nach spiegelsymmetrischen Katalysatoren für eine breitere Anwendung. Er wählte für seinen Katalysator statt Rhodium ein anderes Übergangsmetall, Ruthenium, und kombinierte es mit einer chiralen Diphosphin-Verbindung. Dieser neu kreierte Katalysator erwies sich als erfolgreich in der Produktion verschiedener Antibiotika.
In beiden Fällen handelt es sich um chirale Hydrierungen. Knowles und Noyori teilen sich daher die eine Hälfte des Chemienobelpreises 2001. Die andere Hälfte sprach die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften dem Chemiker Barry Sharpless vom Scripps Research Institute zu. Er erweiterte die spiegelsymmetrische Katalyse auf Oxidationsreaktionen.
Viele chemische Synthesen beruhen auf Oxidationen, und diese ließen sich – im Gegensatz zu Hydrierungen – bis 1980 nicht chiral steuern. Doch Sharpless entdeckte einen Katalysator, der die gesuchte Fähigkeit hat. Der Kern seines Moleküls ist ebenfalls ein Übergangsmetall, diesmal Titan. Mit Hilfe dieses Komplexes konnte er Alkoholverbindungen zu chiralen Epoxiden oxidieren. Diese Epoxide dienen wiederum als Ausgangsstoff für viele pharmazeutische Verbindungen, wie beispielsweise beta-Blocker. Die Arbeiten der drei Laureaten gelten somit als grundlegende Basis für die Produktion wichtiger Medikamente.
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