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Verhaltensbiologie: Chemische Erziehungsgrundlagen

Bei Bienen sind die Aufgaben klar verteilt: Die Jüngeren kümmern sich um den Nachwuchs, erst ab einem gewissen Alter stehen ihnen die Blüten der weiten Welt offen. Aber wer oder was bestimmt, dass sich alle daran halten?
Bienen
Das Leben einer Arbeiterin im Bienenstaat ist kurz. Nur sechs Wochen bleiben ihr, in denen sie zudem ihre Kraft ganz in den Dienst ihres Staates stellt. Dabei erwartet sie eine Fülle von Aufgaben – die erste Hälfte spielt sie Kindergärtnerin und päppelt den Nachwuchs, im reiferen Alter folgt der Außendienst als Nektarsammlerin und notfalls der Verteidigungseinsatz, wenn Eindringlinge den heimischen Stock bedrohen. Von geruhsamem Rentenalter keine Spur.

So strikt die Arbeitsteilung aber auch erscheinen mag, sie ist durchaus flexibel. Denn kommen einem Stock beispielsweise durch Räuber plötzlich zu viele Nahrungsbeschaffer abhanden, entwickeln sich manche der Jüngeren schneller und fliegen deutlich früher aus. Andererseits verlangsamt sich das Erwachsenwerden des Nachwuchses, wenn es im Volk von zu vielen Sammlerinnen wimmelt. Offenbar wird das Heranreifen der Stockmitglieder sozial gesteuert.

Aber wie? Die Vermutung liegt nahe, dass Pheromone die entscheidende Rolle spielen, schließlich unterdrückt die Königin mit ihrer Hilfe unter anderem die Entwicklung der Eierstöcke ihrer Untertanen und löst die königliche Behandlung mancher Sprösslinge aus, die zu Nachfolgerinnen heranwachsen und dann im Frühjahr neue Völker gründen. Also begaben sich Isabelle Leoncini von der Universität Avignon und ihre Kollegen auf chemische Spurensuche.

Die Wissenschaftler zerkleinerten verschiedene Körperteile von jungen und alten Bienen und untersuchten die herausgelösten Substanzen mit Gaschromatografie und Massenspektrometrie auf eindeutige Unterschiede. Bei den Fettsäureestern, die auch Bestandteil anderer Bienen-Pheromone sind, wurden sie fündig: Sammlerinnen enthielten die 30fache Konzentration von Ethyloleat, einem Abkömmling der Ölsäure. Allerdings beschränkte sich dies auf ein Gewebe – die Honigblase. Hier speichern die Tiere Nektar und Wasser wie in einem Kropf zwischen und würgen den Inhalt im Stock wieder heraus.

Um sicherzugehen, dass das Ethyloleat tatsächlich das Heranreifen junger Bienen bremst, mischten Leoncini und ihre Kollegen verschiedene Konzentrationen der Substanz in ein Honig-Puderzucker-Gemisch und stellten täglich neue Portionen der Leckerei in die Stöcke. In den folgenden Wochen beobachteten sie, wann markierte Jungtiere das erste Mal den Ausflug in die weite Welt unternahmen. Wie sich zeigte, verzögerte das Ethyloleat in den Süßigkeiten ganz offensichtlich den Eintritt in den Außendienst, stellten die Forscher fest – und das unabhängig von der Dosis.

Damit blieb noch eine Frage zu klären: Stellen die älteren Arbeiterinnen das Pheromon selbst her oder stammt es aus einverleibtem Pollen? Mit Hilfe radioaktiv markierter Glukose entdeckten die Wissenschaftler, dass die Tiere in die Substanz offenbar in ihren Honigblasen – und nur dort – tatsächlich eigenständig produzieren können.

All jene Puzzleteilchen fügten Leoncini und ihre Mitarbeiter nun zu einem Bild zusammen: Ethyloleat wirkt als eine Art Jugendpheromon, mit dem die Alterstruktur und damit die bewährte Arbeitsteilung im Stock aufrecht erhalten wird. Da es die Sammlerinnen in ihren Honigblasen produzieren, dürfte die Botschaft bei der Fütterung der jüngeren Halbschwestern übertragen werden – ein für soziale Staaten bildende Insekten üblicher Kommunikationsweg. Dort angekommen, so spekulieren die Forscher weiter, könnte es – wie für andere Pheromone nachgewiesen – die Genaktivität in den Gehirnen der Tiere beeinflussen. Auf welche Weise und ob noch weitere Substanzen daran beteiligt sind, ist im Moment aber noch völlig unklar.

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