Chemische Unterhaltungen: Lithium selbst gemacht
Die Alkalimetalle Lithium, Natrium und Kalium sind für zentrale Funktionen unseres Körpers unverzichtbar: So sorgt die Natrium-Kalium-Pumpe dafür, dass unsere Nerven überhaupt Reize weiterleiten können. Die sehr kleinen Lithium-Ionen wiederum setzt man in stimmungsaufhellenden Medikamenten ein, etwa, um Patienten mit manisch-depressiven Symptomen zu behandeln. Der US-Amerikaner Charles Leiper Grigg musste schon sehr früh über diese psychoaktive Wirkung Bescheid wissen – er entwickelte 1927 das mit Lithium-Ionen versetzte Getränk »Bib-Label Lithiated Lemon-Lime Soda«. Dieser komplizierte und marketingstrategisch wohl eher ungünstige Getränkename wurde aber schnell – nach der Wirkung und der Atommasse des Lithiums – in die heute überall bekannte Bezeichnung »SevenUp« geändert.
Elementares Lithium und Natrium gewinnt man elektrochemisch durch Elektrolyse der entsprechenden Salzschmelzen. Weil beide Alkalimetalle extrem negative Standardelektrodenpotenziale besitzen (E0(Li/Li+) = –3,04 V; (E0(Na/Na+) = –2,71 V), lassen sich diese Stoffe nicht aus einer entsprechenden wässrigen Salzlösung herstellen. Denn würde man die nötige Spannung anlegen, die zur Elektrolyse der jeweiligen Salzlösung führt, würde nur das enthaltene Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In der industriell eingesetzten Chlor-Alkali-Elektrolyse – der elektrochemischen Zersetzung einer wässrigen Natriumchloridlösung – gelingt es zwar, die Bildung von Sauerstoff an der Anode zu verhindern, indem man verschiedenste Elektrodenmaterialien und ein damit einhergehendes Überpotenzial einsetzt. Das Metall in seiner elementaren Form erhält man dabei trotzdem nicht.
In der Industrie gewinnt man elementares Lithium und Natrium in einer so genannten Downs-Zelle. Dabei erhält man aus der Alkalimetallsalzschmelze räumlich getrennt voneinander elementares Natrium (beziehungsweise Lithium) und Chlor: Natrium-Ionen werden an einer Eisenkathode reduziert, während Chlorid-Ionen an einer Kohlenstoffoberfläche anodisch oxidiert werden.
Die Grundidee zu diesem technischen Verfahren lieferte vor mehr als 200 Jahren Humphry Davy (1778–1829). Ihm gelang es als Erstem, elementares Natrium durch die Elektrolyse einer Natriumhydroxidschmelze herzustellen. Als energiesparender stellte es sich jedoch heraus, Natrium direkt durch Elektrolyse von Natriumchlorid zu gewinnen, da das Natriumhydroxid erst durch eine vorhergehende Elektrolyse einer wässrigen Natriumchloridlösung erzeugt werden musste.
Eine neue und günstige Art, Alkalimetalle zu gewinnen, ist die elektrochemische Abscheidung der Elemente aus organischen Elektrolytkompositionen. Das kann man im Fall von Lithium sogar selbst machen.
Man benötigt dazu ein Kunststoffgefäß (Maße: 8 cm x 4,5 cm x 2 cm), eine Bodenplatte, eine Lüsterklemme (passend für eine Graphitmine mit 3,15 mm Durchmesser), ein Voltmeter, ein Amperemeter, Verbindungskabel, einen Schraubenzieher, ein Netzgerät oder zwei 4,5-Volt-Blockbatterien, Krokodilklemmen, eine Graphitmine (Faber Castell, 3,15 mm dick, 13 cm lang, Härtegrad 6B), einen Kupferstab (3,15 mm dick, 13 cm lang), Lithiumperchlorat (Achtung – reizend und brandfördernd!), Propylencarbonat, Dimethylcarbonat sowie Paraffin.
Um die zirka einmolare Elektrolytlösung herzustellen, gibt man 10,6 Gramm Lithiumperchlorat zu 100 Millilitern (ml) eines Gemischs aus 40 ml Propylencarbonat und 60 ml Dimethylcarbonat. Anschließend rührt man zirka 20 Minuten lang mit dem Magnetrührer, bis das Lithiumperchlorat vollständig gelöst ist.
Zuerst füllt man die Elektrolytlösung zirka vier Zentimeter hoch in das Kunststoffgefäß, das entspricht etwa 40 Millilitern. Anschließend schichtet man rund einen Zentimeter dickes Paraffin darüber (entsprechend 10 ml), um das Eindringen von Feuchtigkeit weitgehend zu verhindern. Der Versuch wird entsprechend der Abbildung »Lithium-Gewinnung 1« aufgebaut. Die Graphitmine schaltet man als Pluspol, den Kupferstab als Minuspol. Die Elektroden tauchen fast bodentief in den Elektrolyten ein. Man elektrolysiert für etwa vier Minuten bei einer Spannung von 5,7 Volt mit einem Gleichspannungsnetzgerät.
An Stelle des Netzgeräts kann man als Gleichspannungsquelle auch zwei 4,5-Volt-Blockbatterien verwenden und in Reihe schalten (siehe »Lithium-Gewinnung 2«). Bei dieser Variante elektrolysiert man für ein bis zwei Minuten.
Die Lithium-Ionen in der Elektrolytlösung nehmen die Elektronen auf, die durch die Spannungsquelle in die Elektrode gelangen – dabei bildet sich elementares, metallisch graues Lithium. Am Pluspol werden negativ geladene Perchlorat-Ionen zwischen die Graphitschichten der Elektrode eingelagert (siehe »Ionenwanderung«). An den Elektroden laufen folgende Reaktionen ab:
Minuspol | x Li+ + x e– | → | x Li |
Pluspol | Cn+ x ClO4– | → | Cnx+(ClO4–)x + x e– |
Mit diesem elektrochemischen System ist es nun möglich, experimentell elementares Lithium in gewünschter Menge zu gewinnen. Damit lassen sich anschließend spannende Experimente durchführen, denn Alkalimetalle wie Lithium sind sehr reaktiv und reagieren sogar mit Wasser heftig.
Nach Ende der Elektrolyse stellt man die Kupferelektrode mit dem abgeschiedenen Lithium in ein kleines, etwa 1,5 Zentimeter hoch mit Wasser gefülltes Reagenzglas. In ein weiteres kleines Reagenzglas, diesmal 2,5 Zentimeter hoch mit Wasser und zwei Tropfen Thymolphthalein gefüllt, stellt man einen weiteren Kupferstab. Eine dritte Kupferelektrode kommt in ein Reagenzglas, das 4,5 Zentimeter hoch mit einer Lösung aus Wasser und 2 Tropfen Phenolphthalein gefüllt ist.
Taucht man die mit Lithium überzogene Kupferelektrode in eines der Reagenzgläser ein, entsteht ein Gas – das ist bei allen drei Lösungen der Fall. Diejenige im zweiten Reagenzglas (Thymolphthalein und Wasser) färbt sich dabei blau, diejenige im dritten (Wasser und Phenolphthalein) wird pink (siehe »Lithium-Nachweis«).
Bei der Reaktion des an der Kupferelektrode abgeschiedenen Lithiums mit Wasser bilden sich Wasserstoff und Hydroxid-Ionen. Während Ersterer als Gas aufsteigt, sorgen Zweitere für das Farbphänomen: Phenolphthalein sowie Thymolphthalein dienen als Indikatoren und zeigen mit unterschiedlichem Farbumschlag an, dass eine Lösung alkalisch ist. Folgende Reaktionen laufen also ab:
Oxidation | Li | → | Li+ + e– |
Reduktion | 2 H2O + 2 e– | → | H2 + 2 OH– |
Gesamtreaktion | 2 Li + 2 H2O | → | 2 Li+ + 2 OH– + H2 |
Mit dem selbst hergestellten Lithium kann man darüber hinaus sehr schön nachvollziehen, wie das Metall mit verschiedenen Alkoholen reagiert. Die Abbildung »Abnehmende Reaktivität« zeigt das Verhalten von Lithium in Wasser, den Alkoholen Ethanol, 1-Propanol und 1-Butanol (jeweils mit ein paar Tropfen Thymolphthalein versetzt) sowie Paraffin.
Taucht man die mit Lithium »ummantelten« Kupferelektroden in die verschiedenen Alkohole, ähneln die Reaktionen zunächst der mit Wasser: Gasblasen entstehen, die Lösung färbt sich blau. Beide Vorgänge verlaufen aber umso weniger heftig, je länger der Alkylrest des Alkohols ist. Denn je länger dieser unpolare Rest ist, desto weniger polar ist auch das Gesamtmolekül, und entsprechend reagiert es weniger heftig mit dem Alkalimetall. Mit dem völlig unpolaren Paraffin reagiert das Lithium schließlich überhaupt nicht. Daher lagert man die Alkalimetalle in unpolaren Flüssigkeiten.
Doch was geschieht in den Reagenzgläsern? Analog zur Reaktion mit Wasser bildet Lithium bei Kontakt mit Alkoholen Wasserstoff und das entsprechende Alkoholat-Ion.
Oxidation | Li | → | Li+ + e– |
Reduktion | 2 ROH + 2 e– | → | 2 RO– + H2 |
Gesamtreaktion | 2 Li + 2 ROH | → | 2 Li+ + 2 RO– + H2 |
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