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News: Chlor in der Umwelt? Aber natürlich!

Chlor ist ein lebenswichtiges Element - als Bestandteil des Salzhaushalts von Pflanzen und Tieren. Andererseits spielt es in der modernen Industriegesellschaft auch in Form von chlorierten Kohlenwasserstoffen eine wichtige Rolle. Solche Substanzen belasten als Gifte die Umwelt. Doch sie gelangen nicht nur durch den Menschen dorthin: Wie Wissenschaftler jetzt zeigten, entstehen chlororganische Verbindungen auch ganz natürlich beim biologischen Abbau von Pflanzenmaterial.
Ob DDT, PCB oder FCKW: organische Chlorverbindungen, einst vermeintlich segensreiche Entwicklungen für Landwirtschaft, Bauindustrie und privaten Haushalt, gelten heute meist nur noch als langlebige Altlasten, die in der Umwelt schwer abbaubar sind. Weniger bekannt ist, dass Organismen ähnliche Verbindungen herstellen. So schützt sich das Bakterium Streptomyces venezuelae mit dem Antibiotikum Chloramphenicol vor Feinden, und Erbsen wachsen mit Hilfe von 4-Chlorindolessigsäure. Dies deutet darauf hin, dass ein natürlicher Chlorkreislauf existiert.

Wissenschaftler um Satish Myneni von der Princeton University wollten genauer wissen, in welchen Formen Chlor ursprünglich in der Umwelt vorkommt. Deshalb untersuchten sie Blätter, Stängel, Wurzeln und Rinde in frischem Zustand und in verschiedenen Stadien der Zersetzung. Um sicherzustellen, dass das Chlor in allererster Linie aus natürlichen Quellen stammt und nicht durch anthropogene Aktivitäten angereichert wurde, arbeiteten sie mit Proben aus Nationalparks. Nun ist pflanzliches Gewebe der chemischen Analytik nicht besonders gut zugänglich. Zu schaffen macht Forschern besonders die zersetzte organische Substanz, denn sie enthält Huminsäuren – Makromoleküle, die bestimmte Stoffe so stark binden, dass sie sich kaum herauslösen lassen. Damit lassen sich diese Verbindungen nur mit wenigen chemischen Analysemethoden nachweisen. Der Ausweg bestand für Myneni und Mitarbeiter in der Röntgenabsorption, einer Methode, die keine aufwändige Probenvorbereitung erfordert und zudem zerstörungsfrei arbeitet.

In frischem Pflanzenmaterial fanden die Forscher Chlor in anorganischer Form: als freie Chlorid-Ionen in wässriger Lösung. Auch verwitterte rotbraun gefärbte Blätter enthielten Chlor praktisch nur anorganisch, allerdings jetzt vorwiegend über Wasserstoffbrücken an größere Moleküle gebunden. Mit dem weiteren Abbau des Gewebes nahm der Gehalt an anorganischem Chlor ab. Dafür traten chlororganische Verbindungen auf; ihr Anteil stieg mit dem Zersetzungsgrad. Unter den organischen Verbindungen befanden sich vor allem chlorierte Phenole als Vertreter der aromatischen Kohlenwasserstoffe und mono- und dichlorierte kettenförmige (aliphatische) Kohlenwasserstoffe. Dabei verschieben sich die Anteile innerhalb des organisch gebundenen Chlors mit fortschreitender Verwesung zugunsten der aromatischen Verbindungen.

Da anthropogene Einflüsse ausgeschlossen waren, müssen die chlororganischen Verbindungen aus anorganischem Chlor entstanden sein. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Wasserstoffbrücken, die sich während des Trocknens und des beginnenden Abbaus bilden, einen wichtigen ersten Schritt eines Reaktionsmechanismus darstellen, der zu chlorierten Verbindungen führt.

Bei der Diskussion der ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen von Organochlorverbindungen muss nach Ansicht der Forscher die Rolle natürlicher chlorierter Kohlenwasserstoffe stärker berücksichtigt werden. Dabei sei nicht nur der Einfluss dieser Stoffe auf Photosynthese und Redoxreaktionen entscheidend – auch könnten leichtflüchtige chlorierte Aliphaten zur Zerstörung der Ozonschicht beitragen, wenn sie etwa durch tropische Stürme in der Atmosphäre verteilt werden.

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