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News: Chromosomen entwirren

Sechs Milliarden Menschen auf der Erde, und keiner gleicht dem anderen aufs Haar. Warum jeder - außer er ist eineiiger Zwilling - mit einem anderen Chromosomensatz ins Lebens startet, liegt im Austausch der Chromosomen während der Meiose. Entscheidend an diesem essentiellen Schritt beteiligt ist ein Enzym, desses die Forscher erst jetzt in eukaryotischen Lebewesen habhaft werden konnten. Nachdem sich die Chromosomen ausgetauscht haben, schneidet es den Knoten auf und entlässt zwei veränderte DNA-Stränge.
Während bei einer "normalen" Zellteilung – der Mitose – das vorhandene Erbgut zuerst sorgfältig kopiert und anschließend auf zwei Tochterzellen verteilt wird, ist die Meiose, der Teilungsprozess bei Geschlechtszellen, deutlich komplizierter. Denn hier sollen vier Zellen – statt zwei – aus der Ursprungszelle entstehen. Gleichzeitig werden die Gene dabei neu gemischt und garantieren somit die genetische Variabilität.

In dem als Rekombination bezeichneten Vorgang legen sich in der Prophase der Teilung I der Meiose die väterlichen und mütterlichen Chromosomenstränge aneinander und kreuzen sich. An den Kreuzungsstellen – den so genannten Chiasmata – brechen die Verbindungen anschließend wieder auf, nachdem sich die dazwischenliegenden DNA-Stücke untereinander ausgetauscht haben. Die neu gemischten Chromosomen, die nun jeweils Abschnitte väterlicher und mütterlicher Erbanlagen tragen, werden anschließend wie bei einer Mitose auf die Tochterzellen verteilt.

Beim Menschen ereignen sich durchschnittlich zwei bis drei solcher Kreuzaustausche in jedem Chromosomenpaar, doch das hierfür verantwortliche Protein hatte sich lange aller Nachforschung entzogen. Nun gelang es jedoch zwei Arbeitsgruppen des Scripps Research Institute zeitgleich, das Protein zuerst in der Spalthefe Schizosaccharomyces pombe aufzustöbern und dann dem Pendant auch im menschlichen Erbgut habhaft zu werden. Die Arbeitsgruppen von Paul Russell und Clare McGowan identifizierten ein Protein namens Mus81 als wichtigen Bestandteil des großen Enzymkomplexes Resolvase.

Neben der Auflösung des genetischen Rätsels in Eukaryoten hat die Entdeckung der Resolvase noch einen zweiten wichtigen Aspekt. Sie könnte auch einen neuen Ansatzpunkt zur Behandlung von Krebs liefern, da das Enzym bei der Zellreplikation eine wichtige Rolle spielt. Ist die DNA geschädigt, stoppt die Replikationsmaschinerie, bewegt sich spontan rückwärts und formt ein Chiasma. Die Resolvase kombiniert die DNA-Stränge an dem entstandenen Knoten neu, wodurch die Stelle der fehlerhaften DNA überwunden werden kann. Russell und McGowan schwebt nun vor, durch den Einsatz von Chemotherapeutika DNA-Schäden in den Tumoren hervorzurufen. Kombiniert mit einer vernünftig geplanten Resolvase-Aktivität könnte dies eine wirksame Krebsbehandlung darstellen.

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