Saturn-Mission: Chronik eines langsamen, erfolgreichen Sondentodes
Impressionen von Titan, aus dem Esa-Kontrollzentrum und die globalen Reaktionen: Ein zäher Esa-Lander sendet mehr Daten, als aufgenommen und bearbeitet werden konnten.
Raumfahrtbegeisterte weltweit sind seit dem Wochenende Fans einer kleinen, kalten Welt und ihrem ersten menschengemachten Besucher. Huygens, die auf Titan gelandete Esa-Sonde, sammelte während ihres fallschirmgebremsten Fluges eine große Menge an Daten über die Atmosphäre, nahm Töne der Saturnmond-Welt auf, schoss jede Menge erstaunlicher Fotos und überlebte länger als je erhofft.
Dass die Huygens-Landung ein Erfolg werden müsste, deutete sich schon recht bald an: Radioastronomen auf der Erde fingen schon Signale des Landers auf, als die Cassini-Antennen noch ganz Ohr auf Titan gerichtet waren – und somit unserer Welt noch keine eigene Erfolgsnachricht übermitteln konnten. Am frühen Freitagabend sendete die Nasa-Sonde dann zu uns, was sie von Huygens aufgenommen hatte; und im europäischen Kontrollzentrum stellte sich ein erleichterter Esa-Flugdirektor Claudio Sollazzo den Wartenden: "Der erste Fallschirm öffnete sich genau zu dem Zeitpunkt, den wir vorausberechnet hatten". Außerdem sehe es so aus, als ob "auf Kanal B nicht ein einziges Datenpaket" bei der Übertragung verloren ging.
Am Boden mit Tatsachen
Ganz wie eine auf unter -160 Grad Celsius abgekühlte Erde ist Titan allerdings keineswegs – die Atmosphäre ist, wie die im Fallen von Huygens gesammelten Analysen zeigen, in einer Höhe von 18 bis 20 Kilometern von einer dichten Schicht aus Methanwolken durchzogen. Sie müssen sich, so die Esa-Forscher, wohl aus einem bislang unentdeckten Methanreservoir auf der Oberfläche speisen, aus dem Kohlenwasserstoffe verdampfen und aufsteigen.
Eindrucksvoll an irdisches Stürmen erinnert, was Huygens an Audio-Daten gesendet hat: In die Aufnahmen des HASI-Mikrofons (Huygens Atmospheric Structure Instrument) kann man vielleicht ein wiederholt durch Böen verstärktes und abflauendes Rauschen, das Flattern des Fallschirms im Wind und den Sprengmechanismus, der den letzten der drei Huygens-Fallschirme öffnete, und die Nebengeräusche des ACP-Experiments (Aerosol Collector and Pyrolyse) an Bord von Huygens hinein interpretieren.
Ebenfalls extrem vorsichtig in ihrer Deutung geben die Forscher sich, sobald begeisterte Kommentatoren – inspiriert durch die Luftbilder – von Seen und Methanmeeren fabulieren: Tatsächlich seien die auffällig dunklen flachen Regionen auf Titan vielleicht eher überkrustete, kohlenwasserstoffreiche Sumpflandschaften. In etwas wie überfrorenem Schlamm ist Huygens denn wohl auch gelandet, wie die Sensoren des Science-Surface-Packs SSP der Sonde übermittelten: Offenbar sackte die Sonde beim Aufprall durch eine brüchige Kruste, die mittlerweile in der Presselandschaft gerne als "Crème-brulée"-artig beschrieben wird. Huygens stand aber schließlich wohl sicher auf etwas Trockenem – anders können sich die Forscher gar nicht erklären, wie die Batterien des Landers so lange durchhalten konnten.
So überlebte die Sonde den Aufprall auf dem brüchigen Boden des Saturnmondes derart lange, dass die Daten-Relaisstation Cassini ihre Lauschantennen von einem noch munter funkenden, hinter dem Horizont verschwindenden Titan-Pionier abwenden musste. "Die Batterien der Sonde waren viel länger am Leben, als wir erwartet haben", freute sich Esa-Generaldirektor Dordain. Wie lange Huygens dann noch Daten aussandte, ist derzeit nicht einfach herauszubekommen: So um 18.00 Uhr drehte die Erdrotation Radioteleskope in Australien, die bis dahin noch Signale von Huygens gehört hatten, aus dem Empfangsbereich.
Haare in Suppen
Unklarheit herrschte zunächst auch noch darüber, wer diesen Ausfall des Übertragungskanals zu verantworten habe. Jedenfalls habe Huygens zwar gesendet, ein Empfänger-Relais an Bord von Cassini sei aber nicht wie geplant per Software-Befehl aktiviert worden. Viele Wissenschaftler mit weniger datenintensiven Experimenten hätten aber ihre Daten redundant über beide Kanäle parallel laufen lassen. Insgesamt sei die Esa für den Fauxpas alleine verantwortlich, so Esa-Wissenschaftsdirektor David Southwood. Ein menschlicher, nicht technischer Irrtum und eine "Gabe an die Götter", kommentiert er – womit er wohl auch vor gotterzürnender Hybris nach dem insgesamt großen Erfolg warnen möchte.
Der riesige Berg an Daten, die trotz des Ausfalls anfielen, verleitet allerdings ohnehin eher zur Demut: Offiziell glauben die Wissenschaftler daran, noch Jahre mit der Auswertung zubringen zu können. Entsprechend gemächlich, aber sorgfältig präsentierten sie über das vergangene Wochenende hinweg auch die Fotos, Audioaufnahmen und daraus abgeleitete Interpretationen vom Saturnmond. Da sind im weltweiten Datennetz begeisterte Amateure wahrscheinlich ungenauer, aber schneller: Mittlerweile kursieren schon viele von Enthusiasten erstellte Titan-Fotos auf der Grundlage der frei verfügbaren Rohdaten der Esa-Sonde. Und eine Reihe von mitunter fantasievoller, mitunter fundierter Spekulation darüber, was die Aufnahmen wohl zeigen könnten.
Fest steht jedenfalls, das Huygens trotz aller Widerstandskraft lange verstummt ist, wenn Cassini in knapp einem Monat wieder einen Titan-Vorbeiflug absolvieren wird. Der Lander hat dann seine Pflicht und Schuldigkeit auch längst mehr als getan. Sein Sondenkollege Cassini, dem der europäische Titanbesucher überhaupt den Transport zum Saturn verdankt, wird dagegen noch Jahre lang zwischen den Ringen und Monden des Ringplaneten umherkurven. Ob die Daten des eingefrorenen Huygens innerhalb von Cassinis Lebenszeit ausgewertet sein werden, ist dabei gar nicht einmal so sicher.
Dass die Huygens-Landung ein Erfolg werden müsste, deutete sich schon recht bald an: Radioastronomen auf der Erde fingen schon Signale des Landers auf, als die Cassini-Antennen noch ganz Ohr auf Titan gerichtet waren – und somit unserer Welt noch keine eigene Erfolgsnachricht übermitteln konnten. Am frühen Freitagabend sendete die Nasa-Sonde dann zu uns, was sie von Huygens aufgenommen hatte; und im europäischen Kontrollzentrum stellte sich ein erleichterter Esa-Flugdirektor Claudio Sollazzo den Wartenden: "Der erste Fallschirm öffnete sich genau zu dem Zeitpunkt, den wir vorausberechnet hatten". Außerdem sehe es so aus, als ob "auf Kanal B nicht ein einziges Datenpaket" bei der Übertragung verloren ging.
Am Boden mit Tatsachen
Tatsächlich: Was auf "Kanal B" übermittelt worden war, ist spektakulär. Zum Beispiel freuen sich die Wissenschaftler über 350 Fotos. Schon die ersten, die von den Esa-Bildbearbeitern präsentiert wurden, zeigten mäandernde, an Flusssysteme erinnernde Strukturen – ein ziemlich eindeutiger Hinweis auf landschaftsformende Flüssigkeiten (in Form von Kohlenwasserstoffen) auf dem zweitgrößten Mond des Sonnensystems. Später folgende Panoramaaufnahmen zeichnen das Bild einer Welt, die irgendwie ganz an eine etwas merkwürdige Erde erinnert: Die Aufnahmen aus der Luft zeigen bergige Gebiete, die von Abflussrinnen durchschnitten sind, und an Küstenlinien zu großen Gewässern erinnernde Übergangszonen zu flachen Plateaus. Am Boden selbst nahm Huygens' DISR-Kamera öde Eisgeröllfelder auf. Selbst Farbfotos waren schnell zur Hand – die ersten Aufnahmen wurden dazu mit dem eingefärbt, was die von Huygens gesammelten Atmosphärenlicht-Spektraldaten als für menschliche Augen realistisch nahe legten.
Ganz wie eine auf unter -160 Grad Celsius abgekühlte Erde ist Titan allerdings keineswegs – die Atmosphäre ist, wie die im Fallen von Huygens gesammelten Analysen zeigen, in einer Höhe von 18 bis 20 Kilometern von einer dichten Schicht aus Methanwolken durchzogen. Sie müssen sich, so die Esa-Forscher, wohl aus einem bislang unentdeckten Methanreservoir auf der Oberfläche speisen, aus dem Kohlenwasserstoffe verdampfen und aufsteigen.
Eindrucksvoll an irdisches Stürmen erinnert, was Huygens an Audio-Daten gesendet hat: In die Aufnahmen des HASI-Mikrofons (Huygens Atmospheric Structure Instrument) kann man vielleicht ein wiederholt durch Böen verstärktes und abflauendes Rauschen, das Flattern des Fallschirms im Wind und den Sprengmechanismus, der den letzten der drei Huygens-Fallschirme öffnete, und die Nebengeräusche des ACP-Experiments (Aerosol Collector and Pyrolyse) an Bord von Huygens hinein interpretieren.
Ebenfalls extrem vorsichtig in ihrer Deutung geben die Forscher sich, sobald begeisterte Kommentatoren – inspiriert durch die Luftbilder – von Seen und Methanmeeren fabulieren: Tatsächlich seien die auffällig dunklen flachen Regionen auf Titan vielleicht eher überkrustete, kohlenwasserstoffreiche Sumpflandschaften. In etwas wie überfrorenem Schlamm ist Huygens denn wohl auch gelandet, wie die Sensoren des Science-Surface-Packs SSP der Sonde übermittelten: Offenbar sackte die Sonde beim Aufprall durch eine brüchige Kruste, die mittlerweile in der Presselandschaft gerne als "Crème-brulée"-artig beschrieben wird. Huygens stand aber schließlich wohl sicher auf etwas Trockenem – anders können sich die Forscher gar nicht erklären, wie die Batterien des Landers so lange durchhalten konnten.
So überlebte die Sonde den Aufprall auf dem brüchigen Boden des Saturnmondes derart lange, dass die Daten-Relaisstation Cassini ihre Lauschantennen von einem noch munter funkenden, hinter dem Horizont verschwindenden Titan-Pionier abwenden musste. "Die Batterien der Sonde waren viel länger am Leben, als wir erwartet haben", freute sich Esa-Generaldirektor Dordain. Wie lange Huygens dann noch Daten aussandte, ist derzeit nicht einfach herauszubekommen: So um 18.00 Uhr drehte die Erdrotation Radioteleskope in Australien, die bis dahin noch Signale von Huygens gehört hatten, aus dem Empfangsbereich.
Haare in Suppen
Den Radioteleskopen auf der Erde verdanken die Huygens-Forscher allerdings nicht nur die allererste und allerletzte Signalaufnahme der Sonde – nur wegen ihrer Leistung ist etwa das Windexperiment tatsächlich kein Fehlschlag. Und damit zu dem Haar in der Suppe: Neben dem "Kanal B" existierte eben auch noch ein "Kanal A" der Huygens-Cassini-Datenübetragung – welcher während der Mission ersatzlos ausfiel. Statt 700 sind daher nur die Hälfte der Bilder von Huygens auf die Erde übertragen worden – und die Windmessdaten, auf die beispielsweise auch Forschungsgruppen in Deutschland gespannt gewartet hatten. Aus den Aufzeichnungen von 18 Radioteleskopen kann das fehlende Datenmaterial aber wohl doch ergänzt werden, meinen Forscher der Esa – unglaublich, bedenkt man das nur Handy-Stärke erreichende Huygens-Signal und die mehr als eine Milliarde Kilometer Entfernung.
Unklarheit herrschte zunächst auch noch darüber, wer diesen Ausfall des Übertragungskanals zu verantworten habe. Jedenfalls habe Huygens zwar gesendet, ein Empfänger-Relais an Bord von Cassini sei aber nicht wie geplant per Software-Befehl aktiviert worden. Viele Wissenschaftler mit weniger datenintensiven Experimenten hätten aber ihre Daten redundant über beide Kanäle parallel laufen lassen. Insgesamt sei die Esa für den Fauxpas alleine verantwortlich, so Esa-Wissenschaftsdirektor David Southwood. Ein menschlicher, nicht technischer Irrtum und eine "Gabe an die Götter", kommentiert er – womit er wohl auch vor gotterzürnender Hybris nach dem insgesamt großen Erfolg warnen möchte.
Der riesige Berg an Daten, die trotz des Ausfalls anfielen, verleitet allerdings ohnehin eher zur Demut: Offiziell glauben die Wissenschaftler daran, noch Jahre mit der Auswertung zubringen zu können. Entsprechend gemächlich, aber sorgfältig präsentierten sie über das vergangene Wochenende hinweg auch die Fotos, Audioaufnahmen und daraus abgeleitete Interpretationen vom Saturnmond. Da sind im weltweiten Datennetz begeisterte Amateure wahrscheinlich ungenauer, aber schneller: Mittlerweile kursieren schon viele von Enthusiasten erstellte Titan-Fotos auf der Grundlage der frei verfügbaren Rohdaten der Esa-Sonde. Und eine Reihe von mitunter fantasievoller, mitunter fundierter Spekulation darüber, was die Aufnahmen wohl zeigen könnten.
Fest steht jedenfalls, das Huygens trotz aller Widerstandskraft lange verstummt ist, wenn Cassini in knapp einem Monat wieder einen Titan-Vorbeiflug absolvieren wird. Der Lander hat dann seine Pflicht und Schuldigkeit auch längst mehr als getan. Sein Sondenkollege Cassini, dem der europäische Titanbesucher überhaupt den Transport zum Saturn verdankt, wird dagegen noch Jahre lang zwischen den Ringen und Monden des Ringplaneten umherkurven. Ob die Daten des eingefrorenen Huygens innerhalb von Cassinis Lebenszeit ausgewertet sein werden, ist dabei gar nicht einmal so sicher.
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