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Hirnforschung: Die dunkle Schleife im Gehirn

Tinnitus und chronische Schmerzen haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Doch eine neue Studie zeigt: Es könnte sich um zwei Seiten einer Medaille handeln.
Hirnscans an einer Leuchtwand

Millionen Tinnitus- und Schmerzpatienten sind in einer quälenden Endlosschleife unerklärlicher Sinneswahrnehmungen gefangen. Neurologen vermuten schon lange, dass dahinter eine gemeinsame Ursache stecken könnte. Jetzt haben Wissenschaftler um Josef P. Rauschecker von der TU München gezielt nach der Verbindung zwischen Tinnitus und chronischem Schmerz gefahndet und dabei ein zentrales Regulationssystem aufgespürt, das für die quälenden Wahrnehmungen verantwortlich zu sein scheint. Beiden Störungen, so die Forscher, könnten folglich strukturelle und funktionelle Veränderungen in demselben Hirnschaltkreis zu Grunde liegen.

Für ihre Untersuchung durchforsteten sie systematisch Studien zu beiden Störungen und suchten dabei nach den Gemeinsamkeiten. Noch fehlende Puzzleteile ergänzten sie durch eigene Nachforschungen mit Hilfe moderner hoch auflösender bildgebender Verfahren und neurochemischer Analysen. Dabei stießen sie auf strukturelle und funktionelle Veränderungen in den immer gleichen Hirnregionen ihrer Patienten. Zwischen Tinnitus- und Schmerzpatienten unterschieden sich die neurologischen Veränderungen kaum.

Im betroffenen kognitiven System wird den ursprünglich neutralen Sinneseindrücken eine emotionale Qualität zugeordnet. Beispielsweise werden schrille Geräusche oder Schmerz mit dem Gefühl von Bedrohung verknüpft und als besonders wichtig markiert.

Das spiele sowohl bei Tinnitus als auch bei chronischen Schmerzen eine Rolle. Dabei sei es egal, ob der Stimulus von außen komme oder im Gehirn entstehe, so Studienleiter Rauschecker: "Tinnitus und chronische Schmerzen entstehen, wenn dieses System beschädigt ist."

Die eigentliche Aufgabe des Regulationssystems bestehe darin, überschießende sensorische Signale auszublenden. Arbeite es nicht normal, dann könne sich ein unangenehmer Sinneseindruck verselbstständigen und der Wahrnehmungsapparat in eine Endlosschleife geraten – mit quälenden Folgen für die Betroffenen. Schon längst überstandene äußere Verletzungen werden dann immer wieder neu ans Bewusstsein gemeldet.

Als verantwortliche Hirnstrukturen haben die Forscher den ventromedialen präfrontalen Kortex und den Nucleus accumbens, eine Kernstruktur im basalen Vorderhirn, identifiziert. Die Fehlfunktion wird aus Sicht der Forscher von den Neurotransmittern Dopamin und Serotonin gesteuert.

Könnte man in diesen Regelkreis eingreifen, würde das neue Möglichkeiten der Behandlung eröffnen. Denn bisher gibt es gegen Tinnitus und chronischen Schmerz keine wirksame Therapie. Die therapeutischen Bemühungen konzentrierten sich meist darauf, die Toleranz der Patienten gegenüber den quälenden Wahrnehmungen zu erhöhen, statt die Ursachen zu beseitigen. Die Wissenschaftler betonen allerdings, dass möglichen neuen Therapieansätzen noch eine Reihe offener Fragen entgegenstehen. Ihre Ergebnisse seien aber ein entscheidender Fortschritt im Verständnis der Störungen. Auf dessen Grundlage könnte eine frühere und gezieltere Behandlung mit bestehenden und neuen Methoden, wie zum Beispiel mit Dopamin, möglich werden.

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