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Chronobiologie: Verschlafene Jugendliche

Die innere Uhr tickt in der Pubertät offenbar anders. So werden Teenager oft erst nach Mitternacht müde und fühlen sich morgens nicht fit. Woran liegt das?
Jugendlicher schläft mit Kopf auf Schreibtisch
Mit Eintritt in die Pubertät verstellt sich die innere Uhr – Teenager werden abends später müde. Das kollidiert mit den frühen Schulzeiten. Jugendliche leiden daher mitunter an ständigem Schlafmangel. (Symbolbild)

Wieder gibt es Streit, wie jedes Wochenende. Es ist Samstag, 14 Uhr, und der 15-jährige Luis (Name von der Redaktion geändert) liegt zum Ärger seiner Eltern immer noch wie erschlagen im Bett. Kein Wunder, sagt seine Mutter. Im Lauf der Schulwoche hat er ein erhebliches Schlafdefizit angesammelt. Vor ein, mitunter auch zwei Uhr nachts schläft er selten ein. Früher werde er nun einmal nicht müde, erklärt Luis. Doch fünf, maximal sechs Stunden Schlaf unter der Woche sind zu wenig. Morgens hilft alles Schimpfen nichts, der Neuntklässler ist einfach nicht wach zu bekommen. Meist wälzt er sich dann in letzter Minute aus dem Bett: »Mama, bringst du mich mit dem Auto zur Schule? Sonst komme ich eben zu spät …« Am Nachmittag schläft Luis oft nochmals für ein bis zwei Stunden ein. Erst am Abend läuft er zu Hochform auf, macht Hausaufgaben, lernt ein bisschen für die am nächsten Tag anstehende Klassenarbeit, chattet mit Freunden. Um 23 Uhr ist er dann hellwach: Jetzt ist die perfekte Zeit, um mit den Eltern über das Leben zu diskutieren – findet er. Die sind allerdings seit halb sieben auf Achse und bettreif.

Es kriselt in der Familie. Die Mutter ist der Meinung, es gehöre ein abendliches oder mindestens nächtliches Medienverbot her. Sie macht sich Sorgen um Luis' Schulnoten, noch mehr aber um seine Gesundheit. Der Vater dagegen ist überzeugt, die Einsicht müsse von Luis selbst kommen. Das Wichtigste sei, in der schwierigen Phase der Pubertät die gute Beziehung zum Sohn aufrechtzuerhalten.

Was ist mit Luis los? Ist sein chaotisch anmutender Schlafrhythmus nur eine Folge fehlender Disziplin, wie seine Großeltern behaupten? Hat er körperliche Ursachen – oder liegt es an der Nutzung der elektronischen Medien?

Viele Faktoren bestimmen, wann jemand einschläft und wie gut und wie lange er schläft. Neben situativen Einflüssen wie Aufregung und Stress ist daran auch unsere so genannte innere Uhr beteiligt. Ihr wichtigster Taktgeber liegt im Gehirn im vorderen Teil des Hypothalamus. Er generiert einen »zirkadianen Rhythmus«, also einen Ablauf, der sich ungefähr alle 24 Stunden wiederholt (lateinisch: circa = ungefähr, dies = Tag). Selbst wenn wir ohne Uhr, ohne Tageslicht und ohne tagesstrukturierende Abläufe in einem Bunker lebten, würde ein Takt beibehalten, der je nach genetischer Veranlagung individuell zwischen 23 und 25 Stunden variiert.

Ihm folgt auch das Auf und Ab diverser Hormone im Körper. Einer der prominentesten Vertreter ist wohl das Melatonin, das so genannte Dunkelhormon, das durch seinen allabendlichen Anstieg das Einschlafen erleichtert (siehe »Zeiger für den Schlaf«). Daher bezeichnen wir den Zeitpunkt, zu dem sich die Melatoninkonzentration erhöht, mitunter als »Öffnung des Tors zur biologischen Nacht«.

Zeiger für den Schlaf | Bestimmt man während des 24-Stunden-Zyklus mehrmals den Melatoninspiegel (beispielsweise im Speichel), so ergeben sich charakteristische zirkadiane Konzentrationsprofile, die individuell sowie abhängig vom Alter variieren (oben). Mit dem Beginn der Pubertät verändert sich der Rhythmus der Melatoninausschüttung. Die Sekretion setzt in dieser Entwicklungsphase abends zunehmend später ein. Jugendliche werden daher quasi von Natur aus abends später müde und wachen morgens später auf als Kinder und auch als ältere Erwachsene – nach der Pubertät verlagert sich die Melatoninkurve nämlich wieder nach vorne. Bei Jugendlichen mit einem »delayed sleep phase syndrome« (DSPS) ist die Verschiebung der Melatoninkurve extrem ausgeprägt. Die Sekretion des Melatonins kann durch äußere Faktoren wie Licht beeinflusst werden. Viel Licht (insbesondere dessen Blauanteil) am Abend kann die Melatoninausschüttung verzögern (Mitte). Deshalb helfen abends Brillen mit einem Blaufilter dabei, früher einzuschlafen. Helles Licht am Morgen dagegen verschiebt den Beginn der biologischen Nacht eher nach vorne (unten). Diese Erkenntnis wird bei einer Lichttherapie genutzt, die das zirkadiane System bei Jugendlichen mit DSPS neu justieren soll.

Ohne äußere »Zeitgeber« würde die innere Uhr eines Menschen der exakten 24-Stunden-Rotation unseres Planeten also bald vorangehen oder ihr hinterherhinken. Unter natürlichen Lebensbedingungen jedoch synchronisiert sie sich beständig mit der Erdumdrehung, vor allem durch die Wahrnehmung von Licht und Dunkelheit. Sobald das Auge Licht detektiert, gelangt diese Information über spezifische Sinneszellen in der Netzhaut direkt zur inneren Uhr. Von dort aus werden verschiedene Bereiche des Gehirns gesteuert, die für unser Schlaf-wach-Verhalten eine wichtige Rolle spielen. Setzen wir uns dagegen am Abend hellem Licht aus, kann sich die Melatoninausschüttung etwas verzögern. Darum fällt uns das Wachbleiben in hell beleuchteter Umgebung leicht. Umgekehrt schlafen wir abends schneller ein, wenn es schon dunkel ist.

Aus dem Takt geraten

Der tägliche natürliche Licht-Dunkel-Wechsel legt die Schlaf- und Wachzeiten einer Person relativ genau fest. Gerät ihre innere Uhr nicht durch irgendetwas durcheinander, wird sie also immer zu einem für sie typischen Zeitpunkt müde, schlägt die Augen morgens stets zur selben Zeit auf und erreicht zu einer bestimmten Tageszeit eine gute Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Wie bei Luis scheint bei vielen Jugendlichen dieser gleichförmige Rhythmus aber verloren gegangen zu sein.

Am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel erforschen wir das Zusammenspiel zwischen dem Licht-Dunkel-Wechsel und der inneren Uhr von Erwachsenen und Jugendlichen. Welchen Einfluss hat zum Beispiel die Zusammensetzung und Art des Lichts, der wir in der Wachzeit ausgesetzt sind, und welche Rolle spielen unsere Konstitution und das Lebensalter? Wie wirken sich Bewegung (etwa Sport) oder Koffeinkonsum auf den Schlaf-wach-Rhythmus aus?

Die Forschung am Menschen ist aufwändig. Als typischen »Uhrzeiger« der inneren Uhr analysieren wir beispielsweise den Melatoningehalt in Speichelproben, die wir mehrfach wiederholt über mehrere Stunden hinweg sammeln. Noch viele andere Aspekte sind von Interesse: Schlafstruktur und -intensität, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsvermögen, Stimmung, Motivation und Risikobereitschaft. Es ist uns wichtig, dass die Studien alltags- oder praxisrelevante Ergebnisse liefern. Anders als bei vielen Tierversuchen läuft die Datensammlung nicht automatisiert ab, vielmehr muss jede Versuchsperson intensiv aufgeklärt und individuell betreut werden.

Regelmäßig suchen wir Freiwillige, die bereit sind, am Zentrum für Chronobiologie an einer Studie teilzunehmen, was meist einen Aufenthalt für mehrere Tage und Nächte im Labor auf dem Campus der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel bedeutet. Hinzu kommt oft noch eine mehrtägige Vorbereitung, in der man einen bestimmten Schlafrhythmus einhalten soll und weder Koffein noch Alkohol konsumieren darf. Wenn wir etwa jemanden bitten, 40 Stunden lang am Stück wach zu bleiben oder einige Tage kürzer zu schlafen, braucht das schon viel Durchhaltevermögen – das wissen wir aus unserer eigenen Erfahrung als Versuchspersonen!

Wie die Forschung belegen konnte, ändert sich im Verlauf des Lebens die chronobiologische Taktung. Deshalb fällt es vielen älteren Erwachsenen leicht, früh aufzustehen, anders als Jugendlichen, die morgens um halb sieben häufig schlecht aus dem Bett kommen. Umgekehrt ist es für die meisten Teenager und jungen Erwachsenen kein Problem, bis weit über Mitternacht hinaus zu feiern, während ihre Eltern um diese Zeit schon seit Stunden gegen das Einschlafen ankämpfen. In der Chronobiologie spricht man daher von unterschiedlichen Chronotypen: Jugendliche sind typischerweise eher Spättypen (auch als »Eulen« bezeichnet); Kinder und ältere Menschen neigen dagegen zum Frühtyp (»Lerchen«).

Aber warum geht die innere Uhr während der Pubertät so stark nach? Sicher spielt die Biologie hier eine wichtige Rolle: Sogar bei Tieren hat man in dieser Entwicklungsphase entsprechende Veränderungen beobachtet. Etliche Säuger wie Rhesusaffen, Degus, Ratten und Mäuse zeigen ähnlich wie der Mensch zu Beginn oder während der Pubertät einen verspäteten zirkadianen Rhythmus. Fachsprachlich wird das Phänomen oft mit dem englischen Begriff »phase delay« bezeichnet. Bei Tieren registriert man im Labor die Bewegungen über mehrere Tage oder Wochen und wertet die Ruhe-Aktivitäts-Muster aus. So ist etwa eine ausgewachsene Ratte während der Nacht relativ durchgehend auf Achse, vergleichbar mit einem erwerbstätigen Menschen tagsüber.

Vorpubertäre Ratten dagegen zeigen nachts ein so genanntes biphasisches Muster, wie ein Team um Megan Hagenauer von der University of Michigan beobachtete: Sie beginnen zwar zur gleichen Zeit wie die erwachsenen Tiere aktiv zu werden, legen nachfolgend jedoch eine Pause ein und werden erst gegen Ende der Nacht wieder umtriebig, wenn die älteren Tiere zur Ruhe kommen. Vielleicht, so vermutet Hagenauer, gewährt die zeitliche Aktivitätsverschiebung den jungen Nagern einen Zugang zu Nahrungsressourcen, der zu anderen Zeiten durch aktive ausgewachsene Artgenossen blockiert ist. Das Verhaltensmuster der Rattenjugend erinnert an die abendlichen Energieschübe von Jugendlichen, die viele Eltern herausfordern, weil sie zu einer Tageszeit auftreten, zu der diese eigentlich gerade »runterfahren« wollen.

Einer ist immer wach

Eine alternative evolutionäre Erklärung liefert die »Wächter-Hypothese«, die der Schlafforscher Frederick Snyder vom US-amerikanischen National Institute of Mental Health bereits 1966 vorschlug. Da man im Schlaf leichter von Feinden gefressen oder überfallen wird, erhöht es die Sicherheit bei Gruppentieren wie Ratten und Menschen, wenn nicht alle gleichzeitig schlafen, sondern immer zumindest eine Wächterin oder ein Wächter aufpasst. Eine biologisch verankerte, entwicklungsbedingte Verschiebung der Schlafenszeit könnte somit einem Stamm Überlebensvorteile verschafft haben. Bemerkenswerterweise präferieren auch junge Erwachsene bei den Hadza, einer sehr ursprünglich lebenden Volksgruppe in Tansania, eher späte Schlafenszeiten. Ein anthropologisches Forschungsteam trackte 2017 die Bewegungen von rund 30 Mitgliedern einer Gemeinschaft und stellte fest, dass so gut wie nie alle gleichzeitig schliefen.

Den Startschuss für die typischen Veränderungen im zirkadianen Rhythmus von Jugendlichen geben wahrscheinlich Sexualhormone wie Östrogene und Androgene, die mit Beginn der Pubertät freigesetzt werden. Blockiert man bei Tieren diesen Prozess schon vor Einsetzen der Geschlechtsreifung, gerät nicht nur die geschlechtstypische Entwicklung ins Stocken. Ebenso wenig ändert sich die Taktung der inneren Uhr; das heißt, die alterstypischen Verschiebungen der Ruhezeiten bleiben aus, wie Hagenauers Team feststellte. Das passt zu dem Ergebnis einer Befragung durch eine unserer Arbeitsgruppen (Cajochen), wonach Mädchen abends umso später ins Bett gehen, je weiter sie in ihrer körperlichen Entwicklung (gemessen an der ersten Regelblutung) sind.

Die spezifischen Effekte der Sexualhormone auf die einzelnen Komponenten des zirkadianen Systems sind vielfältig. Tierversuche legen unter anderem eine direkte Wirkung auf den Taktgeber im Hypothalamus nahe. Zudem scheinen sie auf den endogenen Rhythmus von Nervenzellen in etlichen anderen Hirnregionen Einfluss zu nehmen, etwa in Teilen der Amygdala, die zentral an der Emotionskontrolle beteiligt ist. Selbst wenn vieles darauf hindeutet, dass Androgene und Östrogene den Startschuss für zirkadiane Veränderungen in der Pubertät geben, ist noch unklar, was mit der inneren Uhr bei Teenagern genau passiert.

Tickt sie einfach langsamer als bei Kindern, so dass die Jugendlichen deshalb verspätet einschlafen? Die Datenlage spricht laut Stephanie Crowley und Charmane Eastman vom Rush University Medical Center in Chicago eher dagegen. Die beiden Chronobiologinnen hatten 2018 die Schlafperioden von rund 45 Jugendlichen mit denen von ebenso vielen Erwachsenen verglichen, die allesamt fünf Tage lang im Schlaflabor ohne äußere Zeitgeber zubrachten: Die Dauer eines Schlaf-wach-Zyklus unterschied sich in den Altersgruppen nicht.

Genauso wenig ließ sich belegen, dass Pubertierende womöglich stärker als Kinder auf abendliches Licht ansprechen – im Gegenteil: Je weiter die Pubertät fortschreitet, desto schwächer reagieren sie offenbar darauf. So unterdrückte nach Crowleys Ergebnissen dieselbe Lichtdosis bei Vorpubertären die Bildung des Dunkelhormons Melatonin deutlicher als bei Jugendlichen, die sich mitten in der Pubertät befanden.

Warum Jugendliche mehr Ausdauer haben

Allerdings setzen sich Letztere am Abend wahrscheinlich wesentlich stärker und länger hellerem Licht aus als jüngere Kinder. Vor allem, wenn Jugendliche noch spätabends chatten oder am PC daddeln, kann das ihre Schlafenszeit verzögern – das belegen inzwischen dutzende Studien. Neben dem hemmenden Einfluss des LED-Lichts auf die Melatoninproduktion spielen dabei mit Sicherheit auch psychologische Faktoren wie Aufregung, Anspannung und Flow-Erleben eine Rolle.

Und schließlich gelingt es Jugendlichen noch aus einem anderen Grund, länger wach zu bleiben: Sie bauen in der Wachphase, also im Tagesverlauf bis zum Abend, vermutlich weniger »Schlafdruck« auf. Ergebnisse aus Tierversuchen weisen darauf hin, dass sich im Verlauf der Wachphase eine oder mehrere Substanzen im Gehirn ansammeln, die ab einer bestimmten Konzentration zu starker Ermüdung führen. Die genauen Abläufe sind noch kaum erforscht. Ein Team um Oskar Jenni von der Universität Zürich folgerte aber bereits 2005 aus seinen EEG-Daten von im Labor wach gehaltenen Teenagern, dass diese mit zunehmendem Alter langsamer Schlafdruck aufbauen.

Insgesamt begünstigen demnach mehrere unterschiedliche Faktoren gemeinsam, dass Jugendliche am Abend später einschlafen. Dies kann in Kombination mit frühen Schulzeiten zu einem gravierenden Schlafdefizit unter der Woche führen. Um trotz des Schlafmangels leistungsfähig zu bleiben, konsumieren viele Jugendliche Koffein. Die psychoaktive Substanz gilt weltweit als Wachmacher. Bringt sie die innere Uhr der Heranwachsenden durcheinander?

Bisher gibt es kaum Studien, die sich mit der Wirkung von Koffein auf das Schlaf-wach-System bei Jugendlichen beschäftigen. Eine am Zentrum für Chronobiologie durchgeführte Untersuchung (Reichert) bestätigte, dass 80 Milligramm Koffein – etwa so viel wie in einem viertel Liter Energydrink – im Vergleich zu einem Placebo bei 14- bis 17-Jährigen am Abend durchaus ein Gefühl der Wachheit hervorrufen. Der Schlaf in der nachfolgenden Nacht erschien danach allerdings erstaunlicherweise nur moderat gestört. Lediglich bei einem Teil der Teenager verkürzte sich die Dauer des Tiefschlafs um wenige Prozent. Wir nehmen an, dass hier ausgleichende Faktoren wie der über Tage akkumulierte Schlafdruck ins Spiel kommen. In einer weiteren Studie untersucht unser Team am Zentrum für Chronobiologie daher, ob Teenager nach mehreren Tagen Schlafmangel weniger stark mit Schlafstörungen auf Koffein reagieren als ihre Altersgenossen, die ausreichend Schlaf hatten.

Die Lichtgeschichte

Licht zur richtigen Zeit könnte Jugendliche auch vor Schlafstörungen schützen. Ein Team um Christian Cajochen ergründet etwa den Einfluss der »Lichtgeschichte« auf die innere Uhr von Jugendlichen: Wird das zirkadiane System beispielsweise schon während des Tages viel Licht ausgesetzt, könnte es sein, dass es abends unempfindlicher darauf reagiert. Bald wissen wir dazu mehr, die Datenerhebung wurde bereits abgeschlossen.

Extrem wird der Schlafmangel beim so genannten verzögerten Schlafphasensyndrom (kurz DSPS für englisch: delayed sleep phase syndrome), das durch eine Verzögerung des Schlafbeginns um mehr als zwei Stunden verglichen mit der üblichen Schlafenszeit gekennzeichnet ist. Menschen mit DSPS haben große Schwierigkeiten, vor Mitternacht einzuschlafen. Es fällt ihnen sehr schwer, morgens aufzuwachen, und sie sind mitunter auch tagsüber schläfrig. Auf Grund der biologisch bedingten Verschiebung der zirkadianen Rhythmik sind Teenager besonders anfällig für DSPS.

Frühe Schulanfangszeiten in der Schweiz, in Deutschland und weiteren Ländern in ähnlichen Breitengraden verschlimmern die Folgen der DSPS bei Jugendlichen zusätzlich, darin ist man sich in Forschungskreisen einig. Die Betroffenen können sich an den frühmorgendlichen Unterrichtsbeginn nur sehr schwer gewöhnen, und viele leiden unter einem so genannten sozialen Jetlag. Er tritt dann auf, wenn die biologische Uhr eines Menschen nicht mehr mit den gesellschaftlich üblichen Zeiten für Arbeit, Schule und gemeinsame Freizeitaktivitäten in Einklang zu bringen ist.

Zugleich kommt es meist wie bei Luis zu einer großen Abweichung zwischen den Schlaf- und Wachzeiten an Wochentagen und denen am Samstag, Sonntag und in den Ferien. Seine Eltern sind frustriert, am Wochenende nie Tagesausflüge mit ihrem Sohn planen zu können, weil er vormittags quasi nicht einsatzfähig ist. Dass sich der Schlafdruck bei Jugendlichen langsamer aufbaut und sie die Fähigkeit besitzen, bis zum Nachmittag auszuschlafen, befördert die Drift der Schlaf-wach-Zyklen noch. Zu den chronobiologischen Faktoren kommen in der Pubertät soziale Veränderungen hinzu, wie gesteigerte sexuelle Aktivität und Kontakt mit Genussmitteln wie Koffein, Alkohol und Nikotin.

Alles zusammen kann befördern, dass Jugendliche in ein Fahrwasser geraten, das in einem gestörten Schlaf-wach-Verhalten mündet. Die Folgen von DSPS und sozialem Jetlag können erheblich sein. In den vergangenen Jahren zeigten mehrere Studien, dass betroffene Jugendliche eher schulische Schwierigkeiten, Stimmungsschwankungen und Verhaltensprobleme entwickeln. Darüber hinaus wird DSPS mit verschiedenen negativen körperlichen Auswirkungen in Verbindung gebracht, darunter Fettleibigkeit oder das so genannte metabolische Syndrom, das sich in Bluthochdruck und Stoffwechselstörungen äußert. Das Risiko für psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände steigt ebenfalls.

Chronotherapie mit Licht und Melatonin

Luis' Mutter hat mit ihren Befürchtungen, was die Gesundheit ihres Sohns betrifft, also nicht Unrecht. Schon eine mäßige Anpassung der Schulanfangszeiten an den natürlichen Schlaf-wach-Rhythmus von Teenagern würde etliche Probleme lindern (siehe »Hilfe für junge Spättypen«). So geht laut einer 2013 publizierten Studie einer Gruppe um Nadine Perkinson-Gloor von der Universität Basel bereits ein 20 Minuten späterer Unterrichtsbeginn mit einer höheren Schlafqualität und Tagesaufmerksamkeit sowie besseren schulischen Leistungen einher. In Ländern wie Frankreich, Spanien oder England fängt die Schule vielerorts erst um neun Uhr an, wovon die dortigen Schülerinnen und Schüler zweifellos profitieren.

Zu den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten einer DSPS gehören die Lichttherapie und eine abendliche Melatoningabe. Bei der Lichttherapie schauen die Teenager bei uns morgens regelmäßig 20 Minuten lang in helles Tageslicht, was den zirkadianen Schlaf-wach-Rhythmus nach vorn verschiebt. Meist kommen spezielle Lampen zum Einsatz, im Sommer reicht auch die Morgensonne. Die Einnahme von Melatonin am Abend kann in Kombination mit hellem Morgenlicht ebenfalls dazu beitragen, die innere Uhr vorzustellen. Dieses rezeptpflichtige Arzneimittel sollte allerdings nur nach den Vorgaben eines chronobiologisch versierten Mediziners eingenommen werden, da es sonst leicht zu Überdosierung oder einem falschen »Timing« mit entsprechend unerwünschten Nebenwirkungen kommt.

Außerdem gibt es Brillen, die aus dem Lichtspektrum bestimmte Blaulichtanteile herausfiltern. Das hilft, die chronobiologischen Effekte abendlichen Lichts abzuschwächen, das von den Bildschirmen von Tablets, Smartphones und Computern abgestrahlt wird. Eine Arbeitsgruppe am Zentrum für Chronobiologie hat solche Blaufilter bereits 2015 bei gesunden männlichen Jugendlichen getestet und konnte die positive Wirkung bestätigen. Allerdings empfiehlt es sich, diese Brillen wirklich nur abends, rund fünf Stunden vor dem Zubettgehen, aufzusetzen, da sie tagsüber müde machen können. Änderungen des Lebensstils können Teenagern ebenfalls etwas helfen, DSPS und den sozialen Jetlag zu bewältigen.

Hilfe für junge Spättypen

Späterer Schulbeginn

Wenn möglich, Schulen mit einem späteren Unterrichtsbeginn und kurzem (Anfahrts-)Weg wählen.

Das richtige Licht zur richtigen Zeit

Morgens Licht ins Zimmer lassen und sich im Freien aufhalten (etwa mit dem Fahrrad zur Schule fahren), abends rund zwei Stunden vor der gewünschten Schlafenszeit auf eher schummrige Beleuchtung umstellen, gegebenenfalls Brille mit Blaulichtfilter benutzen.

Weniger Stimulanzien konsumieren

Kaffee oder koffeinhaltige Energydrinks insbesondere am Abend können den Schlaf stören. Zudem wäre es möglich, dass sie die Hirnentwicklung von Jugendlichen negativ beeinflussen.

Medien-Intervallfasten

Am Abend auf anregende Bildschirmtätigkeiten wie Videospiele verzichten.

Generell abends Stress vermeiden

Ein abendlicher Anstieg des Stresshormons Kortisol kann das Einschlafen verzögern.

Entspannende Schlafumgebung

Ein komplett abgedunkeltes, gut belüftetes und ruhiges Zimmer verbessert den Schlaf. Smartphones und Ähnliches stumm stellen oder am besten in einem anderen Raum ablegen.

Die von Luis' Großeltern geforderte Disziplin ist nicht völlig altmodisch: Dazu gehören das Streben nach einem regelmäßigen Schlafrhythmus (möglichst auch an den Wochenenden), der Verzicht auf koffeinhaltige Getränke und andere Stimulanzien wie Nikotin sowie eine gute »Schlafhygiene«, das heißt etwa eine entspannende Schlafumgebung zu schaffen und aufregende Aktivitäten am Abend zu meiden. Zudem wird Teenagern mit DSPS empfohlen, drei Stunden vor dem Zubettgehen gänzlich auf Bildschirmnutzung zu verzichten.

Ein Team um Christin Lang von der Universität Basel konnte darüber hinaus 2022 in einem Experiment mit 18 zuvor sportlich wenig aktiven Jugendlichen zeigen, dass sich ihr Rhythmus durch ein gemäßigtes morgendliches Laufprogramm nach vorne verschieben ließ. Es ist wichtig, dass Teenager mit DSPS eng mit ihren medizinischen Betreuern zusammenarbeiten, um einen individuellen Behandlungsplan zu entwickeln, der auch ihre sozialen und privaten Bedürfnisse berücksichtigt.

Versuche, die Heranwachsenden zum Einschlafen zu »zwingen« oder am Wochenende abendliche Unternehmungen zu verbieten, sind in der Regel zum Scheitern verurteilt. Noch dazu vergrößert es das Schlafdefizit womöglich weiter, wenn man sie am Wochenende genauso früh wie unter der Woche weckt. Luis möchte gerne seine Schulnoten verbessern und findet es selbst quälend, morgens so todmüde zu sein. Er wäre daher bereit, das Licht abends zu dimmen und eine Brille mit Blaufilter zu tragen. Und auf koffeinhaltige Getränke würde er zumindest unter der Woche ganz verzichten. Die Kommunikation per Smartphone mit Freunden dagegen ist ihm gerade abends wichtig.

Da viele von ihnen ebenfalls »nachtaktiv« sind, fühlt er sich nicht im sozialen Jetlag – im Gegenteil. Eine Therapie lehnt er ab. Mit seinen Eltern vereinbart er dafür ein stufenweises Vorgehen. Zunächst beschränken sich die Maßnahmen auf Brille und Koffeinverzicht, und das Handy wird unter der Woche um 23 Uhr stumm geschaltet. Morgens weckt ihn ab sofort ein »Lichtwecker« mit anschwellendem Tageslicht. Sollte sich aber weiterhin der Schlaf nachts erst weit nach Mitternacht einstellen, wollen seine Eltern therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.

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