CISS-Effekt: Molekülstruktur steuert exotischen Quanteneffekt
Ein mysteriöser Effekt soll Quantencomputer verbessern und das größte Rätsel zum Ursprung des Lebens lösen helfen. Doch bisher fällt es Fachleuten außerordentlich schwer, die Details der vor rund 25 Jahren entdeckten »chiralitätsinduzierten Spinselektivität« (CISS) zu entschlüsseln. Bei diesem Quanteneffekt steuert die »Händigkeit« eines Moleküls die Ausrichtung der Spins von Elektronen, die durch dieses Molekül fließen – das heißt, der makroskopische Aufbau des Stoffes ist eng mit seinen quantenmechanischen Eigenschaften verknüpft. Nun hat man das Phänomen zum ersten Mal bei Molekülen direkt beobachtet.
Ein Team um Hannah J. Eckvahl von der Northwestern University in Evanston nutzte die Eigenschaften von Flüssigkristallen, um den exotischen CISS-Effekt messbar zu machen. Dazu baute die Gruppe ein chirales Molekül – eines, von dem zwei spiegelbildliche Versionen existieren – zwischen zwei weitere Molekülteile ein, zwischen denen ein Elektron fließen kann. Das entstehende stabförmige Molekül richtet sich in kristallähnlichen Strukturen präzise aus. Dadurch kann man wiederum mit einem Magnetfeld die Spins von Elektronen relativ zu den Molekülen ausrichten. Nur so lässt sich der Effekt beobachten.
Denn beim CISS-Effekt können lediglich Elektronen mit einer bestimmten Spin-Ausrichtung ein Molekül mit gegebener Händigkeit durchqueren. Die spiegelbildliche Version des Moleküls lässt dagegen bloß Elektronen mit entgegengesetztem Spin passieren. Genau dieses Phänomen hat das Team um Eckvahl nun dank des ausgeklügelten Experiments direkt gemessen, wie es in der Fachzeitschrift »Science« berichtet. In dem Versuch bestrahlte die Arbeitsgruppe das Molekül mit Laserlicht, so dass ein Elektron in einem Molekülteil angeregt wurde. Das floss dann durch das chirale Molekül in der Mitte zum anderen Molekülteil – aber nur, wenn sein Spin durch das Magnetfeld jeweils passend zur Händigkeit ausgerichtet war.
Bisher war dieser CISS-Effekt ausschließlich indirekt bei Molekülen in Kontakt mit Elektroden gemessen worden. Der neue Versuch zeigt, dass diese enge Verknüpfung zwischen großräumiger Molekülstruktur und den Quanteneigenschaften einzelner Elektronen tatsächlich eine grundlegende Eigenschaft chiraler Moleküle ist. Dadurch können solche Moleküle als »Spin-Gleichrichter« funktionieren und möglicherweise eine Rolle für zukünftige Quantencomputer auf Spin-Basis spielen.
Insbesondere aber vermuten Forscher, dass CISS vielleicht ein ganz zentrales Rätsel in Bezug auf den Ursprung des Lebens lösen könnte: warum Biomoleküle fast immer eine bestimmte Händigkeit haben. Proteine, Erbgutmoleküle und Zuckerbausteine enthalten jeweils Molekülteile, von denen eine spiegelbildliche Form existiert – die Lebewesen allerdings nicht nutzen. Diese Bevorzugung einer bestimmten Händigkeit wurde schon am Ursprung des Lebens angelegt, doch weshalb das so ist und wieso genau diese Moleküle genutzt werden statt ihrer Spiegelbilder, ist völlig mysteriös. Manche Fachleute vermuten, dass CISS bei der Auswahl dieser Moleküle einst die entscheidende Rolle spielte.
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