News: Cliquenwirtschaft
Mit manchen Menschen haben wir mehr, mit anderen weniger eng zu tun. In tierischen Nahrungsnetzen ist das kein bisschen anders: Auch hier regiert die Cliquenwirtschaft.
Produzenten, Konsumenten, Destruenten – sie bilden die Beteiligten im alltäglichen Kampf um das Fressen und Gefressenwerden. Dabei jagt ein Räuber in der Regel mehrere Beutetierarten, und umgekehrt droht einer Beute meist Gefahr von mehreren Seiten. Stellt man mit Strichen die Nahrungsbeziehungen zwischen den Betroffenen dar, entsteht daher ein völlig unübersichtliches Netz – das Nahrungsnetz.
Auch die menschliche Gesellschaft ist ein solches Netz. Zwar frisst hier einer dem anderen höchstens die Haare vom Kopf, aber ein Strichbild der Beziehungen untereinander wäre ebenfalls höchst verworren – auf den ersten Blick. Auf den zweiten würde man eindeutige Muster erkennen, vor allem, wenn man die Stärke der Interaktionen gewichtet. Dann zeichnet sich plötzlich deutlich ein Phänomen ab, das von Vorteil wie von Nachteil für die Involvierten sein: Cliquen.
Was ist damit gemeint? Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine wichtige Entscheidung am Arbeitsplatz treffen. Dafür werden Sie sich gegebenfalls nicht nur mit den Kollegen beraten – die im Sinne des Produzenten-Konsumenten-Destruenten-Modells zur selben Einheit gehören –, sondern auch mit Freunden oder Familienangehörigen, die aber einer anderen Gruppe zuzuordnen wären. Und umgekehrt gelten auch Sie bei Ihren Freunden in solchen Situationen als guter Ratgeber, weshalb Sie häufig gefragt werden. Schon hat sich ein kleiner Kreis aus Angehörigen verschiedener Gruppen gebildet, die in engem Austausch stehen: eine Clique. Ohne sie würde gar vieles im menschlichen Zusammenleben nicht funktionieren.
Eine soziologische Erkenntnis, die daher seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der Beurteilung und Erforschung der Gesellschaft spielt. Aber wie sieht es damit in der Tierwelt aus? Schließlich zeigen Räuber bei ihrer Beute durchaus Vorlieben, die Interaktionen sind demnach ebenfalls gewichtet. Cliquen – wenn auch etwas anders geartet – also auch hier?
Mit soziologischen Methoden machten Ann Krause von der Michigan State University und ihre Mitarbeiter die Probe aufs Exempel. Sie wählten ein neues Modell ihrer geisteswissenschaftlichen Kollegen und wendeten es auf fünf verschiedene Nahrungsnetze an: Von der kleinen Gemeinschaft auf St. Martin Island, in der zwei Eidechsenarten die entscheidenden Rollen spielen, bis hin zum vielfältigem Netz in der Chesapeake Bay mit 45 beteiligten Arten oder höheren Taxa.
Bei nur wenigen Angehörigen bilden sich auch keine Cliquen, stellten die Forscher wenig überraschend fest: Im Fall von St. Martin Island spielt sich alles wie in einer großen Familie ab, die sich aber zum Fressen gern hat, ohne dabei besondere Vorlieben zu zeigen. Ganz anders in so komplexen Verhältnissen wie der Chesapeake Bay: Hier kristallisierten sich deutlich zwei Cliquen oder Kompartimente heraus, deren Mitglieder jeweils untereinander in engerem Verhältnis standen als zu den Genossen der anderen Gruppe. Und das, obwohl sie teilweise zu ganz unterschiedlichen Nischen im Lebensraum gehörten, die eine enge Interaktion zunächst nicht vermuten ließen.
So besteht Kompartiment A aus 28 Taxa, die als Freiwasserbewohner bezeichnet werden könnten, während in Kompartiment B die Bodenbewohner vorherrschen. Allerdings gehören auch verschiedene Muscheln und die Austern in Gruppe A, obwohl sie im Sediment residieren. Hintergrund ist ihr enges Verhältnis zu Bakterien und Ciliaten im Wasserkörper, das sich auch in früheren Studien schon aufgezeigt hatte.
In jeder dieser Clique gibt es dabei einige Arten, die eine zentrale Rolle einnehmen: Bei Kompartiment B sind dies die benthischen Produzenten, der Flohkrebs Corophium lacustre und der Katzen-Kreuzwels (Arius felis) – eine Mischung also aus Produzenten und Konsumenten. In Kompartiment A steht an zentraler Stelle gar eine richtige kleine Nahrungskette aus Phytoplankton, einem Copepoden, der sich davon ernährt, und anderem Zooplankton, das wiederum womöglich auch die Copepoden verspeist.
Ganz wie beim Menschen zeigte sich in Simulationen auch, wie wichtig das mehr oder weniger enge Miteinander für die Stabilität des Ganzen ist. Als die Wissenschaftler den Krebstiere und Fische verspeisenden Umberfisch Cynoscion regalis virtuell "überfischten" und daher aus dem System entfernten, ging zum einen die Artenzahl des gesamten Kompartiments zurück – vor allem aber schwächten sich zum anderen die Interaktionen zwischen den beiden Cliquen deutlich ab.
Ganz ähnlich ging die künstliche Einwanderung eines Zooplankters aus, der vor allem große Bakterien und Wimperntierchen fressen sollte, selbst aber ungenießbar war: Auch hier litten letztlich vor allem die engen Wechselwirkungen zwischen den Kompartimenten – die Cliquenwirtschaft trägt also zur Stabilität bei, indem sie störende Einflüsse von außen innerhalb der Gruppe abpuffert und nicht auf das Gesamtsystem ausufern lässt.
Soziologen werden hier befriedigt nicken, nichts anderes hätten sie erwartet: Auch bei unserem Netz aus omnivoren Zweibeinern sorgen Cliquen dafür, dass nicht immer gleich alles zusammenbricht, wenn von außen Druck ausgeübt wird. Sei es Ärger am Arbeitsplatz oder Probleme in der Familie – wir neigen dazu, das im kleinen Kreis zu diskutieren und durchzustehen und nicht etwa die ganze Belegschaft oder den Großonkel dritten Grades damit zu beunruhigen. Der Mensch ist eben auch nur ein Tier.
Auch die menschliche Gesellschaft ist ein solches Netz. Zwar frisst hier einer dem anderen höchstens die Haare vom Kopf, aber ein Strichbild der Beziehungen untereinander wäre ebenfalls höchst verworren – auf den ersten Blick. Auf den zweiten würde man eindeutige Muster erkennen, vor allem, wenn man die Stärke der Interaktionen gewichtet. Dann zeichnet sich plötzlich deutlich ein Phänomen ab, das von Vorteil wie von Nachteil für die Involvierten sein: Cliquen.
Was ist damit gemeint? Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine wichtige Entscheidung am Arbeitsplatz treffen. Dafür werden Sie sich gegebenfalls nicht nur mit den Kollegen beraten – die im Sinne des Produzenten-Konsumenten-Destruenten-Modells zur selben Einheit gehören –, sondern auch mit Freunden oder Familienangehörigen, die aber einer anderen Gruppe zuzuordnen wären. Und umgekehrt gelten auch Sie bei Ihren Freunden in solchen Situationen als guter Ratgeber, weshalb Sie häufig gefragt werden. Schon hat sich ein kleiner Kreis aus Angehörigen verschiedener Gruppen gebildet, die in engem Austausch stehen: eine Clique. Ohne sie würde gar vieles im menschlichen Zusammenleben nicht funktionieren.
Eine soziologische Erkenntnis, die daher seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der Beurteilung und Erforschung der Gesellschaft spielt. Aber wie sieht es damit in der Tierwelt aus? Schließlich zeigen Räuber bei ihrer Beute durchaus Vorlieben, die Interaktionen sind demnach ebenfalls gewichtet. Cliquen – wenn auch etwas anders geartet – also auch hier?
Mit soziologischen Methoden machten Ann Krause von der Michigan State University und ihre Mitarbeiter die Probe aufs Exempel. Sie wählten ein neues Modell ihrer geisteswissenschaftlichen Kollegen und wendeten es auf fünf verschiedene Nahrungsnetze an: Von der kleinen Gemeinschaft auf St. Martin Island, in der zwei Eidechsenarten die entscheidenden Rollen spielen, bis hin zum vielfältigem Netz in der Chesapeake Bay mit 45 beteiligten Arten oder höheren Taxa.
Bei nur wenigen Angehörigen bilden sich auch keine Cliquen, stellten die Forscher wenig überraschend fest: Im Fall von St. Martin Island spielt sich alles wie in einer großen Familie ab, die sich aber zum Fressen gern hat, ohne dabei besondere Vorlieben zu zeigen. Ganz anders in so komplexen Verhältnissen wie der Chesapeake Bay: Hier kristallisierten sich deutlich zwei Cliquen oder Kompartimente heraus, deren Mitglieder jeweils untereinander in engerem Verhältnis standen als zu den Genossen der anderen Gruppe. Und das, obwohl sie teilweise zu ganz unterschiedlichen Nischen im Lebensraum gehörten, die eine enge Interaktion zunächst nicht vermuten ließen.
So besteht Kompartiment A aus 28 Taxa, die als Freiwasserbewohner bezeichnet werden könnten, während in Kompartiment B die Bodenbewohner vorherrschen. Allerdings gehören auch verschiedene Muscheln und die Austern in Gruppe A, obwohl sie im Sediment residieren. Hintergrund ist ihr enges Verhältnis zu Bakterien und Ciliaten im Wasserkörper, das sich auch in früheren Studien schon aufgezeigt hatte.
In jeder dieser Clique gibt es dabei einige Arten, die eine zentrale Rolle einnehmen: Bei Kompartiment B sind dies die benthischen Produzenten, der Flohkrebs Corophium lacustre und der Katzen-Kreuzwels (Arius felis) – eine Mischung also aus Produzenten und Konsumenten. In Kompartiment A steht an zentraler Stelle gar eine richtige kleine Nahrungskette aus Phytoplankton, einem Copepoden, der sich davon ernährt, und anderem Zooplankton, das wiederum womöglich auch die Copepoden verspeist.
Ganz wie beim Menschen zeigte sich in Simulationen auch, wie wichtig das mehr oder weniger enge Miteinander für die Stabilität des Ganzen ist. Als die Wissenschaftler den Krebstiere und Fische verspeisenden Umberfisch Cynoscion regalis virtuell "überfischten" und daher aus dem System entfernten, ging zum einen die Artenzahl des gesamten Kompartiments zurück – vor allem aber schwächten sich zum anderen die Interaktionen zwischen den beiden Cliquen deutlich ab.
Ganz ähnlich ging die künstliche Einwanderung eines Zooplankters aus, der vor allem große Bakterien und Wimperntierchen fressen sollte, selbst aber ungenießbar war: Auch hier litten letztlich vor allem die engen Wechselwirkungen zwischen den Kompartimenten – die Cliquenwirtschaft trägt also zur Stabilität bei, indem sie störende Einflüsse von außen innerhalb der Gruppe abpuffert und nicht auf das Gesamtsystem ausufern lässt.
Soziologen werden hier befriedigt nicken, nichts anderes hätten sie erwartet: Auch bei unserem Netz aus omnivoren Zweibeinern sorgen Cliquen dafür, dass nicht immer gleich alles zusammenbricht, wenn von außen Druck ausgeübt wird. Sei es Ärger am Arbeitsplatz oder Probleme in der Familie – wir neigen dazu, das im kleinen Kreis zu diskutieren und durchzustehen und nicht etwa die ganze Belegschaft oder den Großonkel dritten Grades damit zu beunruhigen. Der Mensch ist eben auch nur ein Tier.
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