Raumfahrt: Commander Gerst fliegt wieder
Alexander Gerst, Deutschlands letzter und nächster Mann im All, ist schon wieder auf dem Sprung – unterwegs nach Moskau. Dort beginnt er mit dem Training für seine zweite Mission auf der Internationalen Raumstation ISS, die im Mai 2018 beginnen soll. Letzte Gelegenheit für ein paar Fragen an den Geophysiker, der als erster Deutscher auf der ISS den Ton angeben wird.
Glückwunsch, Commander Gerst. Sie dürfen nicht nur ein zweites Mal ins All fliegen, sondern werden auch Kommandant der Internationalen Raumstation ISS. Schon an den neuen Titel gewöhnt?
Nicht komplett, muss ich zugeben. Auch wenn ich es in den vergangenen Tagen oft gehört und gelesen habe, hört sich der "Commander" noch immer etwas seltsam an. Das kam schon unerwartet.
Wann haben Sie davon erfahren?
Sicher erfährt man so etwas nie. Einigermaßen sicher ist man erst, wenn die Raketentriebwerke zünden und man den Schub im Rücken spürt. Aber eine erste Idee bekam ich im Februar, als ich im Urlaub einen Anruf von meinem Chef bekam. Er meinte: Fang schon mal mit dem Training an!
Und Sie haben keinen Moment gezögert?
Ich hatte nach dem Urlaub genau vier Tage Zeit, um meinen Haushalt, den ich kurz zuvor wieder nach Köln verlegt hatte, transportfertig zu machen für die Reise nach Russland. Dort werde ich bis Oktober fast durchgehend trainieren.
Seit dem Ende Ihrer ersten Mission sind gerade einmal eineinhalb Jahre vergangen. Was gibt es da viel zu trainieren?
Sie wären erstaunt, wie viel man in dieser Zeit vergisst. Da ist einiges an Auffrischung notwendig. Hinzu kommt das Training für Notfallprozeduren, wenn es zum Beispiel auf der Station brennt oder wenn ein Druckverlust auftritt. Solche Situationen muss man aus dem Effeff beherrschen, da gibt es auch beim zweiten Flug keine Zugeständnisse. Hinzu kommt dann noch, dass ich dieses Mal auf dem linken Platz in der Sojus sitzen werde.
Sie wurden vom reinen Flugingenieur zum Kopiloten befördert.
Korrekt, und als Kopilot muss ich – noch mehr als beim letzten Mal – wissen, wie die Systeme der Sojus funktionieren. Im Notfall muss ich das Raumschiff sogar von Hand steuern oder mit zwei Joysticks an der ISS einparken können.
Aber ist es nicht nervig: schon wieder der gleiche Drill, schon wieder Überlebenstraining im Moskauer Winter?
Es wäre gelogen, würde ich behaupten, mich komplett auf so etwas zu freuen. Einige Elemente gefallen mir aber durchaus: Ich war schon immer ein Abenteurer, und mir machen harte Momente, bei denen man sich durchkämpfen muss, so richtig Spaß. Viel schlimmer als das Überlebenstraining im Winter war allerdings das Training im Wasser.
Inwiefern?
Wir hatten Temperaturen von 35 Grad Celsius und waren für mehrere Stunden zu dritt in dieser extrem engen Sojus-Kapsel eingesperrt. Dann mussten wir den Raumanzug ausziehen und uns in mehrere Lagen Thermokleidung plus Überlebensanzug zwängen, bevor wir ins Wasser springen durften. Das war wahrscheinlich das Anstrengendste, was ich bislang in meinem Leben gemacht habe, und das werde ich diesen Sommer wieder tun. Wenn man so etwas durchsteht, gibt einem das hinterher allerdings ein tolles Gefühl.
Apropos Gefühl: Was war – abgesehen vom Gedanken an den Umzug – Ihre erste Reaktion, als Sie vom erneuten Flug erfahren haben?
Natürlich habe ich mich sehr gefreut. Es ist eine tolle Sache, wenn man so etwas noch einmal machen darf; vor allem mit der Verantwortung über eine der bedeutendsten Maschinen, die die Menschheit je gebaut hat. Ich sehe das als großen Vertrauensvorschuss und als Kompliment für mich persönlich. Darauf möchte ich mich sehr gut vorbereiten.
Sie haben während Ihrer Vorbereitung und während Ihrer Zeit im All verschiedene ISS-Kommandanten kennen gelernt. Was macht einen guten Commander aus?
Aus meiner Sicht ist der beste Commander einer, der die Übersicht behält, um seiner Crew zu helfen; der sicherstellt, dass jeder zufrieden ist; der mit Humor an die Dinge herangeht und letztlich für eine gute Stimmung unter der Besatzung sorgt.
Ein geborener Motivator also?
Ja, aber nicht nur. Als Commander sollte man sich auch nicht zu schade sein, mal selbst einzuspringen, wenn einem Kollegen die Zeit für eine Aufgabe knapp wird. Sich als Chef abzusetzen und zu sagen, ich gebe hier die Befehle – das geht auf der Raumstation nicht. Genauso wenig wie im tagtäglichen Leben.
Mit der Erfahrung von 165 Tagen im All: Was werden Sie dieses Mal anders machen?
Gar nicht so viel. Man lernt schon während seiner Zeit im Weltraum ständig dazu. Dinge, die ich in meiner ersten Woche getan hatte, haben sich noch viele Male geändert. Nach einem halben Jahr im All hat man schon recht gut herausgefunden, was funktioniert und was nicht.
Wie schaut's stattdessen mit Vorsätzen aus? Zum Beispiel weniger aus der Cupola schauen, Ihrer Aussichtskuppel im All?
Man kann gar nicht genug aus der Cupola schauen, das geht nicht (lacht). Wobei es mir mehrmals passiert ist, dass ich während der Arbeit an der Cupola vorbeigeschwebt bin, kurz runter auf die Erde geschaut habe, Berlin entdeckte und anschließend mit Schritt vier meiner Prozedur weitergemacht habe. Erst anschließend wurde mir klar, wie irrwitzig das gerade war: Da bist du über deine Heimat hinweggeflogen und hast das nur nebenbei bemerkt. Nein, abends aus der Cupola zu schauen und zu staunen, wird niemals alt. Da brauche ich mir keine Gedanken zu machen.
Dann vielleicht ein neues Hobby oder ein Rekord? Ihr britischer Kollege Tim Peake ist gerade Marathon auf der ISS gelaufen …
Nein, ich will mit keiner Agenda da hochgehen. Das habe ich beim letzten Mal schon nicht gemacht, und das hat gut funktioniert. Ich möchte mich mental einfach nicht mit Projekten belasten, die ich in meiner Freizeit unbedingt durchführen will. Dort oben werden mir eh noch genügend Ideen kommen.
Ihr erster Flug mit dem Missionsnamen "Blue Dot" stand im Zeichen des zerbrechlichen Blauen Planeten. Welche Botschaft wollen Sie dieses Mal verbreiten?
Zum einen möchte ich wiederum die Wissenschaft beleuchten, die wir auf der Raumstation für die Erde betreiben – angefangen bei Krankheiten wie Krebs oder Osteoporose bis hin zur Werkstoffkunde. Als zweiten Punkt sollten wir aber nicht vergessen, dass die Raumstation auch ein Sprungbrett hinaus in die Tiefen des Weltalls darstellt.
Obwohl sie in nur 400 Kilometer Höhe um die Erde kreist?
Ja. Wollen wir eines Tages länger im All unterwegs sein, dann können wir die dazu nötigen Systeme, zum Beispiel zur Lebenserhaltung, auf der ISS testen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn wir irgendwann auf dem Mond landen, leben und arbeiten wollen – und nicht wie damals beim Apollo-Programm nach zwei Tagen schon wieder zurückmüssen.
Ihr Name ist zuletzt auch immer wieder gefallen, wenn es um die Crew der ersten Orion-Kapsel der Amerikaner ging, die 2021 tatsächlich den Mond umkreisen soll. Nun geht's zur ISS. Wären Sie lieber zum Mond geflogen?
Das ist keine Entscheidung, die sich mir gestellt hat. Als Astronaut freut man sich immer über einen Flug, weil man nie weiß, ob es noch einen weiteren geben wird. Und rein logistisch muss eine erneute ISS-Mission einen Flug zum Mond in ein paar Jahren ja nicht ausschließen …
Vielen Dank für das Gespräch!
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