Corona-Impfzentrum für Kinder: »Darauf haben ganz, ganz viele Eltern schon lange gewartet«
Bremen gilt mit einer Impfquote bei Erwachsenen von mehr als 98 Prozent (Stand 17. Dezember 2021) als deutschlandweiter Spitzenreiter. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Früh hat man vielfältige Akteure und Akteurinnen aus der Mitte der Gesellschaft einbezogen, Impf-Informationen werden in verschiedenen Sprachen angeboten, es gibt mobile und aufsuchende Impfangebote auch in Stadtteilen, in denen auf Grund von Sprachbarrieren oder anderen Gründen eine größere Impfskepsis zu erwarten war.
Nun hat in Bremen pünktlich zur ersten Lieferung des Biontech-Impfstoffs für Kinder ab fünf Jahren und in Zeiten, in denen die Omikron-Variante erstarkt, ein eigenes Corona-Impfzentrum für Kinder eröffnet. Bremens Bürgermeister, Andreas Bovenschulte, spricht im Interview über die Hintergründe, die Organisation und warum er nicht auf eine Entscheidung der STIKO gewartet hat.
»Riffreporter.de«: Sie haben in Bremen ein Impfzentrum speziell für Kinder zwischen fünf und elf Jahren eröffnet. Warum?
Nachdem die Europäische Arzneimittelkommission den Impfstoff für Kinder zugelassen hat, registrieren wir in Bremen eine riesige Nachfrage von Eltern, die ihre Kinder so gut wie möglich vor einer Corona-Infektion schützen wollen. Zumal es bei Kindern jetzt zu Beginn des Winters naturgemäß wieder mehr Infektionen gibt. Darauf haben wir reagiert und eine Impfstelle in der Innenstadt eigens mit Kinderärztinnen und Kinderärzten besetzt.
Wie werden die Impfungen organisiert und wie viele Impfungen sind geplant?
Wir planen mit bis zu 100 Impfungen am Tag. Alle Kinder beziehungsweise Eltern werden in den kommenden Tagen angeschrieben und erhalten für ihre Kinder einen Impfcode, mit dem sie dann verbindlich einen Impftermin buchen können. Die ersten Briefe an die Jahrgänge 2010 und 2011 sind bereits in der Post, die übrigen Jahrgänge werden in den nächsten Tagen angeschrieben.
»Weil längst nicht alle Kinderärztinnen und Kinderärzte derzeit eine Impfung anbieten, haben wir uns dazu entschlossen, diese Lücke umgehend zu schließen«
Andreas Bovenschulte
Sie haben mit der Planung begonnen, lange bevor die STIKO ihre Empfehlung für diese Altersgruppe geäußert hat. Warum haben Sie nicht gewartet, bis diese vorlag?
Mittlerweile hat die Ständige Impfkommission sich ja geäußert: Sie empfiehlt eine Impfung für fünf- bis elfjährige Kinder, sofern sie Vorerkrankungen oder Kontakt zu Risikopatienten haben. Und sie spricht sich nicht gegen eine Impfung auch für gesunde Kinder aus, sofern die Eltern das wünschen. Darauf haben ganz, ganz viele Eltern schon lange gewartet, weil sie ihre Kinder schnellstmöglich durch eine Impfung besser gegen Corona schützen wollen. Weil aber längst nicht alle Kinderärztinnen und Kinderärzte derzeit eine Impfung anbieten, haben wir uns dazu entschlossen, diese Lücke umgehend zu schließen. Seit dem 13. Dezember 2021 steht der Kinder-Impfstoff zur Verfügung, einen Tag später ist unsere Kinder-Impfstelle in Betrieb gegangen.
In Bremen und Bremerhaven gab es Kinderärzte, die Kinder in dieser Altersgruppe bereits vor der offiziellen Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde geimpft haben. Andere wollten nach der Zulassung zusätzlich eine STIKO-Empfehlung abwarten. Wie bewerten Sie dieses unterschiedliche Vorgehen?
Ich bin mir sicher, dass sich weder die Eltern noch die Ärzte eine solche Entscheidung leicht machen – weder in die eine noch in die andere Richtung. Das ist in jedem Fall eine individuelle Entscheidung, die Eltern und Kinderärztin oder Kinderarzt gemeinsam nach Wertung aller Fakten prüfen müssen. Da steht mir als Bürgermeister keine Wertung zu.
Die Aussage von STIKO-Chef Thomas Mertens, er würde seine Kinder derzeit nicht impfen lassen, hat viele Eltern verunsichert. Wie bewerten Sie diese Aussage?
Es ist sicherlich nicht glücklich, wenn sich ausgerechnet der Chef der Ständigen Impfkommission skeptisch gegenüber einer Corona-Impfung äußert. Und ich kann sehr gut verstehen, wenn Eltern das irritiert und verunsichert. Doch man sollte es auch nicht überbewerten. Die Entscheidung, ob ein Kind geimpft wird oder nicht, ist immer eine Einzelfallentscheidung und muss individuell betrachtet werden. Der Gesundheitszustand des Kindes spielt dabei eine Rolle, aber auch der Gesundheitszustand der engen Bezugspersonen wie Eltern, Geschwister oder Großeltern. Und natürlich sind auch die konkreten Lebensumstände des Kindes beziehungsweise seiner Familie zu berücksichtigen. Grundsätzlich habe ich persönlich aber großes Vertrauen in die Impfstoffe.
»Wenn meine Kinder in dem Alter wären – ich würde sie ohne Bedenken impfen lassen«
Wird es für geimpfte Kinder Erleichterungen im Alltag geben – etwa eine verkürzte Quarantäne bei Fällen in ihren Kita-Gruppen oder Schulklassen oder ein Verzicht auf regelmäßiges Testen in der Schule?
Grundsätzlich gilt: Wer vollständig geimpft ist, muss als Kontaktperson nicht in Quarantäne. Das ist dann künftig auch bei Kindern so. In den Kitas wird es praktisch kaum eine Rolle spielen, weil die meisten Kinder noch keine fünf sind. Und in den Schulen wechseln wir derzeit ja mit der gesamten Klasse in den digitalen Unterricht, sobald wir mindestens vier positive Fälle in einer Klasse haben. Daran wird sich bis auf Weiteres auch nichts ändern.
Was raten Sie Eltern, die sich unsicher sind?
Wer sich nicht sicher ist, ob er sein Kind impfen lassen soll oder nicht, sollte sich intensiv mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt seines Vertrauens beraten.
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