Omikron-Variante: Mehrere Hinweise auf mildere Verläufe, doch Experten zweifeln
Studien deuten darauf hin, dass die Coronavirus-Variante Omikron weniger krank machen könnte als die Delta-Variante. Experten mahnten am Mittwoch aber, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen: »Aktuell erscheinen mir die Daten zur Krankheitsschwere von Omikron noch etwas zu dünn, um daraus allgemein gültige Aussagen zu treffen«, sagte die Infektiologin Isabella Eckerle von der Universität Genf.
Neue Studien berichten über eher milde Krankheitsverläufe bei Omikron-Infektionen in Südafrika und im Vereinigten Königreich. Ein britisches Forschungsteam war bereits in Laborversuchen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Die Arbeiten sind allerdings noch nicht von unabhängiger Seite begutachtet worden.
Das Team in Südafrika hatte zum Nachweis von Omikron einen speziellen PCR-Test gemacht, aber keine Vollsequenzierung, wie in Deutschland üblich. Aus den Daten von Anfang Oktober bis Ende November ergab sich laut den Autoren bei Omikron-Infektionen ein rund 80 Prozent geringeres Risiko als bei Delta, zur Behandlung ins Krankenhaus zu müssen, und ein rund 70 Prozent geringeres Risiko für einen schweren Verlauf. Waren die Patienten einmal in der Klinik, unterschieden sie sich jedoch nicht im weiteren Verlauf.
Eckerle warnte vor voreiligen Schlüssen. »Man muss bedenken, dass Südafrika eine junge Population hat, in den vorherigen Wellen bereits eine starke Übersterblichkeit entstand und die berichteten Fälle vor allem junge Menschen mit Impfdurchbrüchen waren«, sagte sie. »Auch zirkulierte in Südafrika vermehrt die Beta-Variante, so dass wahrscheinlich ein anderer immunologischer Hintergrund herrscht als bei uns.«
Ähnlich äußerte sich Björn Meyer, Leiter der Arbeitsgruppen Virusevolution der Universität Magdeburg. Es gebe große Unterschiede zwischen Südafrika und Deutschland. Südafrika habe viele schwere Wellen erlebt, die Bevölkerung sei im Durchschnitt sehr viel jünger. »Es bleibt somit abzuwarten.«
Daten aus dem Labor mit Vorsicht interpretieren
Die Laborstudie aus Großbritannien arbeitete mit so genannten Pseudoviren, die auf ihrer Oberfläche das Omikron-Spike-Protein tragen. Im Vergleich zu dem Delta-Pseudovirus gelang es dem Omikron-Pseudovirus schlechter, Lungenzellen zu infizieren. Die Forschenden interpretieren ihre Daten so, dass Omikron auf Grund der vielen Mutationen im Spike-Protein zwar einer bestehenden Immunantwort teilweise entkomme, die Virusvariante aber Zellen nicht so gut infizieren und sich ausbreiten könne. Inwieweit die Ergebnisse auf das reale Leben übertragbar sind, sei jedoch unklar.
Man könne die Daten aus dem Labor »nur mit sehr viel Vorsicht auf die tatsächliche Situation im Mensch extrapolieren«, sagte Eckerle. Die Infektion im Menschen sei »wesentlich komplexer«.
Eine dritte Preprint-Studie, die erst am Mittwochabend bekannt und nicht mehr von den Experten kommentiert wurde, legt ebenfalls nahe, dass Omikron seltener zu Krankenhauseinweisungen führt. Forscher des Imperial College in London hatten dazu die Daten aller Corona-Fälle in England in den ersten beiden Dezemberwochen verglichen, bei denen mit einem speziellem Verfahren Delta und Omikron unterschieden werden konnte. Das waren mehrere hunderttausend Menschen. Der Schätzung zufolge ist das Risiko eines Krankenhausaufenthalts von mindestens einem Tag bei Omikron-Infektionen im Schnitt um etwa 40 Prozent reduziert im Vergleich zu Delta-Infektionen.
Die Forscher des Imperial College gaben aber zu bedenken, dass der Effekt durch die höhere Übertragbarkeit der Omikron-Variante teilweise aufgehoben werde. Zudem seien sowohl in Südafrika als auch in Großbritannien große Teile der Bevölkerung durch frühere Wellen bereits mit anderen Corona-Varianten infiziert worden und hätten damit auch gegen Omikron eine gewisse Immunität erworben: Eine durchgemachte Erkrankung minderte das Risiko einer Hospitalisierung bei einer erneuten Infektion im Vergleich zur Erstinfektion um knapp 70 Prozent.
Außerdem war die geringere Zahl von Krankenhausaufenthalten unter symptomatischen Fällen bei einer Impfung mit Astrazeneca, nicht aber mit Biontech oder Moderna zu beobachten. Die Forscher warnen vor voreiligen Schlüssen, unter anderem wegen kleiner Fallzahlen. Außerdem würden mRNA-Impfstoffe besser vor einer symptomatischen Erkrankung schützen – so dass der Schutz vor Hospitalisierung unterm Strich doch nicht unterschiedlich ausfalle. Ihr ermutigendes Fazit: »Unsere Zahlen legen nahe, dass zweifach Geimpfte weiterhin erheblich vor einer Hospitalisierung geschützt sind, auch wenn der Schutz vor einer Infektion gegen die Omikron-Variante weitgehend verschwunden ist.«
»Wir können nach wie vor nicht sicher einschätzen, ob Omikron weniger krank macht«RKI-Chef Lothar Wieler
Der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, geht weiter von einer Verschärfung der Corona-Lage in Deutschland aus. »Wir können nach wie vor nicht sicher einschätzen, ob Omikron weniger krank macht«, sagte er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. »Aber selbst wenn es so wäre: Omikron ist extrem ansteckend und kann dem Immunsystem leichter entkommen. Das führt auch bei Genesenen und zweimal Geimpften häufiger zu Infektionen.« Diese könnten auch weitergegeben werden.
Eine Ansteckung sei selbst nach dreifacher Impfung noch möglich, wie die Virologin Sandra Ciesek vom Uniklinikum Frankfurt vorige Woche in einem Presse-Briefing berichtete. In Laborversuchen hatte sie mit ihrem Team eine stark reduzierte Reaktion von Antikörpern auf die Omikron-Variante nachgewiesen. »Ich habe Personen gesehen, die ein paar Wochen nach dem Booster infiziert waren.« (dpa/eli)
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