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Wirkstoff gegen Covid-19: Antikörper-Ersatz soll Immunflucht unmöglich machen

Ein neuer Wirkstoff ahmt den ACE2-Rezeptor nach und soll so auch gegen künftige Corona-Varianten wirken. Der Trick: Eine Immunflucht vor dem Molekül verwehrt ihm auch den Eintritt in die Zelle.
Die Illustration zeigt Antikörper, die sich an ein Sars-CoV-2-Virus binden
Sars-CoV-2 entkommt Antikörpern, indem es immer neue Immunflucht-Varianten bildet.

Seit die Impfungen gegen Sars-CoV-2 zur Verfügung stehen, erkranken zwar viel weniger Menschen schwer an Covid-19, doch für manche Gruppen ist die Krankheit immer noch gefährlich, insbesondere für ältere Menschen über 70 Jahre. Gleichzeitig haben neue Varianten die monoklonalen Antikörper nahezu unbrauchbar gemacht, und Fachleute fürchten, dass das Virus früher oder später Resistenzen gegen existierende antivirale Medikamente entwickelt. Nun berichtet ein Team um Gordon J. Freeman von der Harvard Medical School in Boston jedoch von einem potenziellen Medikament gegen Covid-19, das Antikörpermedikamenten ähnelt, aber dabei auch gegen zukünftige Immunflucht-Varianten wirkt.

Das jetzt in der Fachzeitschrift »Science Advances« beschriebene Präparat besteht aus dem Fc-Fragment, das normalerweise den »Schwanz« von Antikörpern bildet und hier mit dem vollständigen ACE2-Protein gekoppelt ist. Deswegen geht das Team um Freeman davon aus, dass eine Immunflucht prinzipiell unmöglich ist. Der Wirkstoff DF-COV-01 ist eine Attrappe des ACE2-Proteins, an den das Virus bindet, um in die Zelle hineinzugelangen. Wie die Gruppe berichtet, reduziert das Präparat bei Goldhamstern die Viruskonzentration im Blut und die Erkrankung verläuft weniger schwer. Derzeit bereitet sie erste präklinische Studien mit DF-COV-01 vor, mit dem Ziel, den Wirkstoff bald bei Menschen zu testen.

Medikamente dieses Typs, die ACE2 nachstellen, sind schon länger in der Diskussion. Sie funktionieren ähnlich wie Antikörper, indem sie an das Spike-Protein des Virus binden und das Virus so abfangen. Die meisten ACE2-Attrappen allerdings waren bisher gezielt verändert worden, um die Bindung an das Virus zu verbessern. Das Team um Freeman argumentiert jedoch, dass dieser Ansatz erstens Gefahr läuft, dass Fluchtmutationen entstehen, und zweitens dass das veränderte ACE2 seinerseits eine Immunreaktion hervorrufen könnte.

Die Gruppe untersuchte in ihrer Studie, in welcher Form ACE2 oder Teile davon am geeignetsten für das Medikament sind. Bekannt ist, dass die Fc-Region natürlicher Antikörper ACE2-Attrappen stabiler macht und sie auch effektiver an das Virus binden lässt. Freemans Team testete zum einen, ob man das ganze ACE2-Protein verwenden sollte oder nur jenen Teil, an den das Virus tatsächlich bindet, und ob ein separates Verbindungselement die Wirkung verbessert. Tatsächlich zeigte sich, dass der an der Bindung nicht direkt beteiligte Teil des ACE2-Proteins die Effektivität des Konstrukts um den Faktor zehn verbessert – ohne diesen Teil war es im Tierversuch kaum wirksam. Außerdem sorgt er unerwartet auch dafür, dass das Medikament länger im Blut bleibt, was seine Wirkung ebenfalls verbessert.

Daneben erhellen die Versuche des Teams um Freeman den genauen Wirkmechanismus der ACE2-Attrappen. Ursprünglich nahm man an, dass solche Moleküle das Virus behindern, indem sie einfach seine Bindungsstellen für Zellen blockieren. Tatsächlich aber scheint es einen weiteren Effekt zu geben. Bei der natürlichen Infektion wird das Spike-Protein in zwei Teile gespalten, um nach der Bindung an ACE2 die Infektion der Zelle zu ermöglichen. Laut den Ergebnissen der Gruppe um Freeman passiert das Gleiche, wenn das Spike-Protein auf DF-COV-01 trifft. Ein Segment des Proteins wird abgespalten, und der verbleibende Rest bindet nicht mehr an ACE2 – das heißt, das Virus kann dann keine Zellen mehr befallen.

Angesichts der Variantenvielfalt von Sars-CoV-2 dürfte der entscheidende Vorteil aber sein, dass Sars-CoV-2 einem solchen Medikament durch Immunflucht nicht entkommen kann. Während Mutationen seines S-Proteins Antikörperpräparate unwirksam machen können, hat der neue Wirkstoff exakt die gleiche Bindungsdomäne wie der natürliche Zellrezeptor, an den das Virus bindet. Eine Immunflucht vor DF-COV-01 macht es dem Virus deswegen automatisch schwerer, Zellen zu infizieren. Außerdem dürften solche ACE2-Attrappen auch gegen zukünftige vom Tier auf den Mensch übergesprungenen Coronaviren wirken, sofern diese ebenfalls den ACE2-Rezeptor nutzen, schreibt die Arbeitsgruppe in der Veröffentlichung. Allerdings hat der Wirkstoff als Medikament wohl die gleichen Nachteile wie Antikörperpräparate. Diese helfen nur sehr früh in der Erkrankung und müssen als Infusion verabreicht werden, was ihren Einsatz erschwert.

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