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Coronakrise: Neue Genspuren deuten auf Marderhunde als Ursprung hin

Wo die Coronakrise ihren Ausgang nahm, ist bis heute eine Quelle intensiver Debatten. Eine neue Untersuchung richtet den Blick nun wieder auf den Tiermarkt in Wuhan.
Marderhund im Käfig
Marderhunde werden in großer Zahl für den Pelztier- und Fleischhandel gehalten – unter oft miserablen Bedingungen.

Seit die Coronakrise im Januar 2020 in Wuhan offensichtlich wurde, suchen Forschende und Politiker nach dem tatsächlichen Ursprung von Sars-CoV2, das weltweit Millionen Menschen tötete. Bereits damals geriet der Tiermarkt der chinesischen Metropole in den Fokus, weil sich rund um diesen Markt die ersten Covid-19-Fälle häuften. Eine bislang unveröffentlichte Studie von Wissenschaftlern um Angela Rasmussen von der University of Saskatchewan erhärtet nun diesen Verdacht, wie mehrere Medien unter Berufung auf »The Atlantic« berichten.

Das Team hatte demnach Genmaterial untersucht, das auf dem Markt gesammelt worden war, kurz nachdem die chinesischen Behörden ihn geschlossen hatten. Die Tiere waren zu diesem Zeitpunkt zwar schon entfernt worden, doch strichen Wissenschaftler Wände, Böden, Käfige und andere Gegenstände dort ab. Mitarbeiter des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle und -prävention luden wahrscheinlich erst 2023 die Rohdaten dieser Abstriche auf GISAID hoch, ein internationales Archiv für Gensequenzen von Viren. Bereits 2022 hatte sich ein chinesischer Bericht dieser Daten angenommen, kam aber zum Schluss, dass die Virensequenzen von Menschen stammten, die sie infiziert auf dem Markt eingeschleppt hatten.

Seitdem warteten westliche Forscher auf diese Rohdaten, bis sie Anfang März 2023 entdeckt wurden. Anschließend konnte die Gruppe um Rasmussen diese analysieren. Vor allem eine Probe erregte ihre besondere Aufmerksamkeit: Sie stammte von einem Stand, an dem bekanntermaßen Marderhunde verkauft wurden. Und tatsächlich zeigte die Untersuchung, dass der Abstrich genetisches Material dieser Art und des Coronavirus enthielt. »Wir fanden relativ schnell heraus, dass zumindest in einer dieser Proben eine Menge Nukleinsäuren von Marderhunden zusammen mit Virusnukleinsäuren enthalten war«, sagte Stephen Goldstein von der University of Utah, der an der neuen Analyse mitarbeitete, gegenüber der »New York Times«.

Das genetische Material der Viren zeigte zudem, dass es sich dabei um eine frühe Linie von Sars-CoV2 gehandelt hat. Die Tiere könnten das Virus Ende 2019 oder Anfang 2020 auf den Markt eingetragen haben, von wo es dann seinen Zug um die Welt antrat. Ein endgültiger Beweis, dass das Coronavirus von den Marderhunden auf Menschen direkt oder über einen weiteren Zwischenwirt übergesprungen sein könnte, sei dies nicht, schränken die Wissenschaftler ein. Aber die Daten helfen zumindest mit Erkenntnislücken zu schließen.

Verschiedene Wissenschaftler wie etwa Christian Drosten von der Berliner Charité hatten bereits auf Marderhunde als potenzielle Quelle hingewiesen. Die Tiere werden in China massenhaft unter meist miserablen Bedingungen für den Pelztier- und Fleischhandel gehalten. Auf einer dieser Farmen könnten sie sich beispielsweise über Fledermauskot mit dem Coronavirus infiziert haben: Fledermäuse tragen verschiedenste Coronaviren in sich, ohne an diesen ernsthaft zu erkranken. Verschiedene enge Verwandte von Sars-CoV2 konnten in den Tieren bereits nachgewiesen werden.

Weitere Hilfe von chinesischer Seite brauchen sich die Forscher aber wohl nicht erhoffen. Nachdem das internationale Team auf die neuen Daten gestoßen war, wandte es sich an die chinesischen Wissenschaftler, die die Dateien hochgeladen hatten, und bot ihnen eine Zusammenarbeit an. Eine Reaktion erfolgte darauf allerdings nicht – und die Sequenzen verschwanden wieder aus GISAID: Transparenz sieht anders aus. Die Diskussion um den Ursprung der Seuche wird also nicht abreißen.

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