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Antivirale Medikamente: Der Wirkstoff gegen das nächste Pandemievirus

Warnungen gab es viele, beherzigt wurden sie nicht: Corona traf die Medikamentenentwickler unvorbereitet. Dabei ließe sich durchaus heute schon die Pandemie von morgen bekämpfen.
Ärzte bereiten sich auf das Betreten der Covid-Station im Krankenhaus Agatharied in Bayern vor.

Das Jahr 2003 ließ Schlimmstes befürchten: Gleich drei neue Infektionskrankheiten bedrohten die Menschheit. Zwei tödliche Grippestämme waren in Hongkong und den Niederlanden von Vögeln auf Menschen übergesprungen. Und ein neues Coronavirus verbreitete sich rund um die Welt und verursachte eine mysteriöse Krankheit, die als schweres akutes Atemwegssyndrom (Sars) bekannt wurde. Viele Experten sahen schon den Beginn einer globalen Pandemie gekommen.

Glücklicherweise schrammte die Menschheit am Worst-Case-Szenario vorbei, wenn auch nur knapp. So knapp, dass sich Robert Webster gezwungen sah, eine eindringliche Warnung an die Welt zu richten. Als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Vogelgrippe forderte er Fachleute und politische Entscheidungsträger dazu auf, sich auf den nächsten Ausbruch vorzubereiten. Eine seiner wichtigsten Empfehlungen: Die Entwicklung und Bevorratung von Medikamenten, die gegen ein breites Spektrum von viralen Erregern wirken.

Die Medikamentenforscher beherzigten seine Forderung nicht. Mit der Bedrohung durch Sars schwand auch das Interesse – und die Welt zahlte den Preis. »Die wissenschaftliche Gemeinschaft hätte wirklich universelle Virostatika gegen Sars entwickeln sollen«, sagt Webster, heute emeritiertes Mitglied des St. Jude Children's Research Hospital in Memphis, Tennessee. »Dann hätten wir etwas gegen Covid auf Lager gehabt.« Schließlich ist Sars-CoV-2 ein enger Verwandter des für Sars verantwortlichen Virus.

»Schande über uns. Wir hätten besser vorbereitet sein können«Jay Bradner, Präsident der Novartis Institutes for BioMedical Research

Der nächste Warnschuss kam 2012 mit dem Middle East Respiratory Syndrome (Mers) – ein weiterer Verwandter von Sars-CoV-2. Dennoch blieben die Medikamentenregale weitgehend leer – wie Jay Bradner, Präsident der Novartis Institutes for BioMedical Research in Cambridge, Massachusetts, reumütig eingesteht. »Schande über uns«, sagt er über die Pharmaindustrie. »Wir hätten besser vorbereitet sein können.«

Sie war es nicht, allen Warnungen zum Trotz: Abgesehen von Remdesivir, einer Therapie, die ursprünglich zur Behandlung von Hepatitis C und Ebola entwickelt wurde, gab es praktisch keine aussichtsreichen Wirkstoffkandidaten, die schnell hätten getestet und gegen Sars-CoV-2 in Stellung gebracht werden können. Das Bedauern in der Forschung ist groß. »Wir brauchen ein Arsenal«, sagt Kara Carter, Leiterin der Forschungsbiologie bei der Biotech-Firma Dewpoint Therapeutics in Boston, Massachusetts, und Präsidentin der International Society for Antiviral Research.

Immerhin ein paar Initiativen könnten das für die Zukunft ändern. So planen die U.S. National Institutes of Health (NIH) ein riesiges Programm zur Entwicklung von Therapeutika gegen Sars-CoV-2-Varianten und andere Viren mit Pandemiepotenzial. Mit Unterstützung der Pharmaindustrie nimmt eine weiterer Forschungsverbund Influenza- und Coronaviren ins Visier. Und auch gegen entfernter verwandte Krankheitserreger mit Pandemierisiko sollen Wirkstoffe entwickelt werden.

Diese Projekte fangen nicht bei null an, die Suche nach einem Wirkstoff gegen Sars-CoV-2 ist im Jahr 2020 kräftig in Fahrt gekommen. Doch zuvor befasste sich Industrie primär mit HIV und Hepatitis C. So bleibt die Herausforderung enorm. »Es gibt noch viel zu tun«, sagt Nat Moorman, ein Virologe an der University of North Carolina (UNC). »Wir wollen kein weiteres Jahr wie 2020 haben und müssen das auch nicht, wenn wir die Arbeit im Voraus erledigen.«

Bereit für den Einsatz

Auch hinter Remdesivir stand die kluge Voraussicht von Forscherinnen und Forschern des Antiviral Drug Discovery and Development Center (AD3C). Das inzwischen sieben Jahre alte Projekt durchforstet mit finanzieller Unterstützung der NIH bestehende Medikamentenbibliotheken auf Hemmstoffe gegen verschiedene Viren: gegen Influenza, Coronaviren, Alphaviren (die für Chikungunya verantwortlich sind) und Flaviviren (die unter anderem Dengue und Zika auslösen). Im Jahr 2017 wiesen AD3C-Mitglieder im Tiermodell nach, dass Remdesivir auch Anti-Corona-Wirkung hat. Etwa zur gleichen Zeit zeigten Studien, die während zweier Ebolaausbrüche in Afrika liefen, dass das Medikament beim Menschen gefahrlos angewendet werden kann.

Als Covid-19 auftauchte, war Remdesivir also praktisch einsatzbereit. In einer großen, placebokontrollierten Studie belegten Mediziner Anfang 2020, dass Menschen, die mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden, mit Remdesivir schneller genesen. Aber viel mehr auch nicht: Andere klinische Studien konnten nicht bestätigen, dass es Covid-19-Patienten darüber hinausgehend hilft. Außerdem ist das Medikament teuer, schwierig herzustellen und es muss im Krankenhaus intravenös verabreicht werden – alles unerwünschte Eigenschaften inmitten einer Pandemie.

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Ein anderes antivirales Medikament, das kurz vor der Zulassung steht, ist in dieser Hinsicht weniger problematisch. Molnupiravir ist leichter zu synthetisieren, wird oral verabreicht und sorgt dafür, dass Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind, weniger lang ansteckend sind. Die klinischen Tests dürften bald abgeschlossen sein. Auch dieses Medikament wurde – noch vor der Pandemie – von AD3C-Wissenschaftlern entdeckt, genau wie einige weitere, viel versprechende Wirkstoffe gegen Alphaviren und Flaviviren.

Das Virus wird genetisch ausgetrickst

All diese Stoffe wirken wie falsche Erbgutschnipsel, die die Viren daran hindern, sich selbst zu kopieren, erklärt Richard Whitley, Spezialist für pädiatrische Infektionskrankheiten an der University of Alabama in Birmingham und Leiter der AD3C. Die virale Polymerase, mit der sich der Erreger kopiert, werde ausgetrickst: Statt der richtigen RNA-Basen baut das Enzym nun den Wirkstoff selbst in leicht abgewandelter Form ein. Die eigene Polymerase des Menschen fällt nicht darauf herein. Sie kann nach wie vor ihrer Aufgabe nachgehen. Auch zur Behandlung von Hepatitis B, HIV und einigen anderen Virenerkrankungen werden Wirkstoffe nach jenem Prinzip eingesetzt.

Da Viren im Allgemeinen schlecht darin sind, genetische Fehler auszubügeln, wirken diese so genannten Nukleosidanaloga häufig bei mehreren Virusfamilien gleichzeitig. Anders ist es bei der überwiegenden Mehrheit der weiteren antiviralen Medikamente. Sie greifen in der Regel bestimmte Enzyme des Erregers an und legen sie lahm. Im Prinzip könnte man sich dabei jene Proteine aussuchen, die bei allen oder vielen Viren in ähnlicher Form vorkommen, was das Wirkspektrum erweitern würde, sagt Jasper Fuk-Woo Chan, ein Forscher für neu auftretende Infektionskrankheiten an der Universität von Hongkong. Aber »das traditionelle Vorgehen ist immer: ›Ein Keim, ein Medikament‹«.

Diese Philosophie hilft, neue Medikamente für HIV oder Hepatitis C zu entwickeln, »ist aber ineffizient, wenn man schnell auf Epidemien oder Pandemien reagieren will«, sagt Chan. Viren sind allerdings auch besonders schwierige Feinde: Andere Arten von Krankheitserregern – Bakterien, Pilze, Parasiten – sind leichter in den Griff zu bekommen, weil ihre Zellen viele Angriffspunkte bieten. Penizillin blockiert beispielsweise den Aufbau der Zellmembran, Azol-Antimykotika zerstören die Hülle der Zellen.

Plastizität von Viren ist ein Problem

Mit ihren kompakten Genomen und ohne zelluläre Anatomie geben sich Viren dagegen viel weniger Blößen. Hinzu kommt noch die hohe Replikationsrate – ein typischer Sars-CoV-2-Infizierter produziert wohl mehr als eine Million kompletter Viruspartikel pro Tag – und die Fähigkeit zu mutieren. Da ist es nicht erstaunlich, dass sich die meisten existierenden antiviralen Medikamente als nutzlos gegen Covid-19 erwiesen haben.

Die Plastizität von Viren bedeutet, dass ein Medikament, das etwa gegen Herpes wirkt, vermutlich nichts gegen ein Coronavirus ausrichtet. Das eine Wundermittel gegen jede Art von Virus werde wahrscheinlich nie gefunden werden, meint Alejandro Chavez, Bioingenieur und Forscher für antivirale Medikamente am Irving Medical Center der Columbia University. »Was wir hoffentlich finden werden, sind Inhibitoren, die mit viel Glück bei einer ganzen Familie wirken.« Also gegen alle Coronaviren beispielsweise. Realistischer noch seien Medikamente für spezielle Untergruppen, etwa gegen die nicht lebensbedrohlichen Alphacoronaviren auf der einen Seite und Betacoronaviren, zu denen Sars und Mers gehört, auf der anderen.

Sobald man die Zugehörigkeit des Virus kenne, »folgt die Medikamentenentwicklung den immer gleichen Prinzipien«, erklärt Marnix Van Loock, der die Abteilung für neu auftretende Krankheitserreger bei Johnson & Johnson im belgischen Beerse leitet. Man sucht Enzyme, auf die das Virus angewiesen ist, nach Stellen ab, die sich medikamentös angreifen lassen und die sich bei verwandten Viren stark ähneln, erklärt er.

Dem Virus die Wirtsfunktionen entziehen

So gehen die Fachleute aber nur vor, wenn das Virus selbst das Ziel ist. Es gibt auch eine weitere, ebenfalls Erfolg versprechende Strategie: Die Teams versuchen dazu, in jene Signalwege unseres Körpers einzugreifen, die von Viren für ihre eigenen Zwecke eingespannt werden. Jeffrey Glenn zum Beispiel entwickelt ein Medikament, das ein fettregulierendes Enzym blockiert, das von vielen Viren benutzt wird, um in die Zelle einzudringen und die Replikation zu fördern. Indem man dieses Enzym hemmt, sagt Glenn, »entzieht man dem Virus den Zugang zu einer Wirtsfunktion, auf die es angewiesen ist«. Der Forscher ist Fachmann für Gastroenterologie und molekulare Virologe und arbeite an der Stanford University School of Medicine in Kalifornien.

Eine andere, ebenfalls auf den Wirt gerichtete antivirale Strategie stammt von zwei von Glenns ehemaligen Mitarbeitern – Nam-Joon Cho, einem Materialwissenschaftler an der Technischen Universität Nanyang in Singapur, und Joshua Jackman, Chemieingenieur an der Sungkyunkwan-Universität in Seoul. Sie haben kleine Peptidmedikamente entwickelt, die Löcher in die Lipidhüllen von umhüllten Viren stoßen. Diese Lipide stammen von der Membranoberfläche der menschlichen Zellen. Aber die Peptide dringen nur in die Lipide ein, die Viren umhüllen, nicht in die Zellen, weil die Membranstruktur unterschiedlich groß ist und sich unterschiedlich stark krümmt.

Cho nennt die Lipidhülle den »gemeinsamen Nenner« aller umhüllten Viren – eine Gruppe, die Flaviviren, Alphaviren, Coronaviren, Filoviren, Retroviren und mehr umfasst. Sie stimmen in keinem anderen bekannten Merkmal überein. Mit einer Strategie, die hier ansetzt, wäre man darum, kommt die nächste Pandemie, wahrscheinlich besser aufgestellt, findet der Forscher.

Wie gefährlich sind neue Medikamente?

Die menschliche Biologie bietet zudem viel mehr potenzielle Angriffspunkte als Viren. Und Viren haben weniger Chancen, eine Resistenz zu bilden. Eine auf den Wirt ausgerichtete Therapie zwingt das Virus, auf völlig andere zelluläre Prozesse auszuweichen. Das ist nicht mit ein oder zwei Mutationen getan, die mitunter schon ausreichen, um einem maßgeschneiderten Wirkstoff zu entkommen.

Die Befürchtung, dass dadurch unerwünschte Nebenwirkungen beim Menschen ausgelöst werden, hält die Virologin Shirit Einav für übertrieben. Die Spezialistin für Infektionskrankheiten an der Stanford University sagt, »wir behandeln ja auch jede andere Krankheit, indem wir auf eine Wirtsfunktion abzielen«. Warum sollte es bei antiviralen Medikamenten nicht möglich sein, die richtigen Moleküle und Dosierungen zu finden, die gut toleriert werden? Außerdem, so fügt sie hinzu, »erfordert die Behandlung akuter Infektionen nur einige Tage Therapie« – nicht Monate oder Jahre wie bei chronischen Krankheiten. »Das hilft ebenfalls, die Toxizität zu reduzieren.«

Am Ende dürfte die beste Versicherung gegen künftige Pandemien darin bestehen, sowohl beim Wirt als auch beim Virus anzusetzen. Allerdings nicht erst, wenn es zu spät ist. Experten sind sich einig, dass jedes Medikament, das für die Pandemievorsorge bestimmt ist, zumindest vollständig in Tiermodellen getestet sein müsste und bereits einige Versuche an gesunden menschlichen Freiwilligen durchlaufen haben sollte. »Dann können wir sie im Fall einer Pandemie schnell im besten Dosisbereich bei Menschen einsetzen«, sagt die Chemikerin Kelly Chibale, Leiterin des Drug Discovery and Development Centre an der Universität Kapstadt in Südafrika. Das Ziel wäre, ein solches Medikament bereits im kritischen Zeitfenster zuzulassen, in dem Impfstoffe oder Antikörperbehandlungen noch nicht verfügbar sind.

Vorbereitungen für die nächste Pandemie

»Es ist schwer, eine Firma davon zu überzeugen, ein Medikament gegen etwas zu entwickeln, das es nicht gibt«Timothy Sheahan, Virologe von der University of North Carolina

Nach dem ersten Sars-Ausbruch 2003 haben die Pharmafirmen einige dieser Vorarbeiten übernommen. An seinem Standort im kalifornischen La Jolla hat Pfizer beispielsweise ein Molekül entwickelt, das ein für die Replikation des Coronavirus wichtiges Protein hemmt. Das Enzym ist als Hauptprotease (Mpro) bekannt und zerhackt lange Ketten viraler Proteine in ihre funktionalen Teile.

»Wir haben uns damals etwa sechs Monate intensiv ins Zeug gelegt«, sagt der Chemiker Rob Kania, der das Sars-Projekt von Pfizer leitete. Aber als die Infektionen dann abflauten und im Jahr 2004 die letzten Sars-Fälle gemeldet wurden, legten Pfizer und andere Firmen, die an Sars-Medikamenten arbeiteten, ihre Programme auf Eis. Es gab einfach keinen Zukunftsmarkt für die Therapie. Der Virologe Timothy Sheahan von der UNC, der früher in der Pharmabranche tätig war, bringt es auf den Punkt: »Es ist schwer, eine Firma davon zu überzeugen, ein Medikament gegen etwas zu entwickeln, das es nicht gibt.«

Kanias Team hatte nie die Möglichkeit, seinen besten Wirkstoffkandidaten für den klinischen Einsatz zu optimieren, geschweige denn für Tests an Mäusen oder Menschen. Als dann Sars-CoV-2 auftauchte und genomische Analysen ergaben, dass das Mpro-Protein des Virus fast identisch ist mit dem des ursprünglichen Sars-Erregers, musste noch vieles abgestimmt werden. Als das Medikament in einer leicht veränderten Form für die Erprobung am Menschen bereitstand, war die erste Welle der Pandemie bereits abgeklungen und knapp eine Million Menschen waren weltweit an der Infektion gestorben.

Das Medikament mit der Bezeichnung PF-07304814 wurde im September 2020 als intravenös verabreichter Wirkstoff erprobt. Die Forschung hätte weiter gediehen sein können, sagt Charlotte Allerton, Leiterin der Medikamentenentwicklung des Unternehmens, aber immerhin habe Pfizer nicht von Grund auf neu anfangen müssen. Obwohl auch andere Unternehmen an der Blockade desselben Targets arbeiten, ist Pfizer der einzige Arzneimittelhersteller mit experimentellem Mpro-Inhibitor in der Erprobung am Menschen – und zwar gleich mit zweien: Neben dem abgewandelten Sars-Medikament hat Pfizer im März 2021 mit der Erprobung eines oral zu verabreichenden Kandidaten, PF-07321332, begonnen.

»Klar bin ich froh, dass wir in der Lage waren, schnell zu handeln und dass wir die Vorarbeit geleistet haben«, sagt Allerton. »Hätte ich mir gewünscht, dass wir noch weiter gewesen wären und früher Behandlungsmöglichkeiten hätten anbieten können? Definitiv.«

Andere Unternehmen versprechen nun, beim nächsten Mal nicht wieder mit leeren Händen dazustehen. Die Pandemie war »ein Weckruf«, sagt John Young, weltweiter Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten beim Pharmakonzern Roche in Basel. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste kommt«, sagt er, »und wir müssen uns als Industrie darauf vorbereiten.«

Zu diesem Zweck starten nun die Verantwortlichen der Covid R&D Alliance – ein Zusammenschluss von mehr als 20 Unternehmen aus den Bio- und Gesundheitswissenschaften sowie von Kapitalgebern, die sich 2020 zusammengetan haben, um gemeinsam gegen Sars-CoV-2 vorzugehen – ein Nebenprojekt: Das Ziel sind Breitspektrum-Wirkstoffe gegen Coronaviren und Grippeviren. Laut Elliott Levy, dem Leiter der Forschungs- und Entwicklungsstrategie bei Amgen in Thousand Oaks, Kalifornien, plant die Gruppe, etwa 25 antivirale Wirkstoffkandidaten in erste Studien am Menschen zu bringen. Zudem wollen sie die Infrastruktur für klinische Studien aufbauen, die für parallele Tests notwendig sind, wenn das nächste tödliche Virus zuschlägt.

Die US-Regierung hat ähnliche Ambitionen. Antivirale Mittel gegen Coronaviren seien »Aufgabe Nummer eins«, sagt NIH-Direktor Francis Collins. Aber die Initiative werde sich ebenso »auf andere Virusfamilien ausdehnen, wenn die Mittel zur Verfügung stehen«. In Europa gibt es gleichfalls entsprechende Ansätze: Das Projekt »Corona Accelerated R&D in Europe« – ein 75,8 Millionen Euro schweres, fünfjähriges Unterfangen – ist darauf ausgerichtet, Medikamente sowohl für die aktuelle Covid-19-Pandemie als auch für zukünftige Coronavirus-Ausbrüche zu entwickeln. Moorman und andere UNC-Forscher hoffen, durch ihre Rapidly Emerging Antiviral Drug Development Initiative 500 Millionen Dollar von Regierungen, Industriesponsoren und Stiftungen einzusammeln, um direkt wirkende antivirale Medikamente mit breitem Wirkungsspektrum an den Start zu bringen.

Parallel dazu verstärken große Pharmaunternehmen ihre Bemühungen. Novartis zum Beispiel optimiert derzeit einen Pan-Coronavirus-Inhibitor des Mpro-Enzyms. Laut John Tallarico, Leiter der Abteilung für chemische Biologie und Therapeutika bei Novartis, ist das Unternehmen noch mindestens ein Jahr von klinischen Tests am Menschen entfernt; zu diesem Zeitpunkt könnte Covid-19 bereits unter Kontrolle sein. Gleichwohl sei Novartis entschlossen, das Programm voranzutreiben, sagt Tallarico.

Aber, so Levy, »die Höhe der Investitionen der Industrie steht derzeit in keinem Verhältnis zur Bedrohung«. Deshalb hofft er, allein von den Pharmaunternehmen rund eine Milliarde Dollar für das Pandemievorbereitungs-Spin-off der Covid R&D Alliance einzuwerben. Zusätzliche Mittel könnten von gemeinnützigen Organisationen und anderen Interessengruppen kommen, sagt er.

Andy Plump, Präsident für Forschung und Entwicklung bei Takeda Pharmaceutical in Cambridge, Massachusetts, und einer der Leiter der Allianz, ist optimistisch, was die Erfolgschancen des Programms angeht. »Im Moment steht eine Menge Energie dahinter wegen der Pandemie«, sagt Plump. Und er will nicht, dass wieder Apathie einsetzt, wie es nach Sars und Mers der Fall war. »Wir müssen jetzt zuschlagen.«

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