Covid-19: Die Pandemie hat die Ungleichheit verschärft
Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben sich zwar weltweit manifestiert, aber nicht in gleichem Maß: Neueste Daten zeigen, dass die Last von Covid und die Folgen der Pandemie nicht gleichmäßig verteilt sind.
Sechs Grafiken zeigen detailliert, wie die Pandemie bestehende Ungleichheiten verschlimmert und neue Ungleichheiten geschaffen hat: Unter anderem sind Einkommensverluste sowie Folgen für die Gesundheit und die Sicherheit der Menschen extrem ungleich verteilt.
Das Gesamtbild
Die vergangenen zwei Jahre waren für die ärmsten Menschen der Welt eine besondere Herausforderung – doch das war erst der Anfang. Bis Ende 2022 werden mindestens 75 Millionen Menschen mehr in die Armut gedrängt worden sein, als vor der Pandemie erwartet wurde. Als arm gilt, wer von weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag leben muss. Der Krieg in der Ukraine und die steigende Inflation haben die Auswirkungen der Pandemie noch verschärft, da die Preise für Lebensmittel, Treibstoff und fast alles andere in die Höhe geschnellt sind.
Forscher der Weltbank haben geschätzt, wie sich die Zahl der in Armut lebenden Menschen in den vergangenen Jahren verändert hat. Sie gehen als Vergleichszahl davon aus, dass sich das Einkommen aller Menschen proportional zu den Einkommensschwankungen einer durchschnittlichen Person in ihrem jeweiligen Land verändert. Die Basisschätzungen gehen davon aus, dass die Inflation alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betrifft, während die pessimistischen Prognosen die Erwartung widerspiegeln, dass die Inflation die Geringverdiener am stärksten treffen wird.
Ein weiterer Datensatz der Weltbank zeigt, dass die Menschen mit den niedrigsten Einkommen die größten finanziellen Verluste erlitten haben. Anhand von Veränderungen des Bruttoinlandsprodukts schätzten die Forscher, wie viel Einkommen die Menschen verloren haben und wie viel sie zurückgewonnen haben – verglichen mit dem, was sie verdient hätten, wenn es keine Pandemie gegeben hätte. Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen aller Einkommensstufen zwar Geld verloren haben, die Spitzenverdiener jedoch zwischen 2020 und 2021 mehr als die Hälfte ihrer Verluste wiedererlangt haben, während die Geringstverdiener ihre Verluste im Vergleich zu den erwarteten Einkommenssteigerungen nicht wettgemacht haben.
Ungleiche Belastungen
Covid-19 hat nicht nur wirtschaftliche Schäden, sondern auch ungleiche Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen verursacht. Daten der US-amerikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention zeigen, dass die Sterblichkeitsrate in den Vereinigten Staaten bei indigenen Völkern besonders hoch ist: Sie liegt etwa 108 Prozent über der von Weißen und etwa 180 Prozent über der von Menschen asiatischer Abstammung. Diese Daten sind altersbereinigt – eine statistische Korrektur, die seriöse Vergleiche zwischen demografischen Gruppen mit unterschiedlicher Altersverteilung ermöglicht.
Der Gesundheitszustand eines Menschen hängt oft mit Faktoren wie Beschäftigung und Wohnsituation zusammen. Menschen, die in Gebieten leben, in denen es an grundlegenden Dingen wie angemessenem Wohnraum oder Bildung mangelt, haben oft einen schlechteren Gesundheitszustand als Menschen, die in Regionen leben, in denen es diese Dinge gibt.
Dieser Zusammenhang gilt auch für Covid-19, wie eine britische Analyse zeigt. Der Epidemiologe William Palmer vom britischen Think Tank Nuffield Trust in London hat Daten des Office for National Statistics und des Office for Health Improvement and Disparities herangezogen, um die Sterblichkeitsraten auf Grund von Covid-19 und anderen Krankheiten mit den Indizes für Mehrfachbenachteiligung zu vergleichen. Diese messen den Grad der Benachteiligung in einem Gebiet anhand von Faktoren wie Durchschnittseinkommen, Beschäftigungsquote, Bildungsniveau und Kriminalitätsrate.
Auf dem Höhepunkt der ersten Covid-19-Welle, zwischen März und Juli 2020, war die Sterberate in den Gebieten Englands mit der höchsten Benachteiligung doppelt so hoch wie in den Regionen mit der geringsten Benachteiligung. Ein ähnliches Ausmaß an Ungleichheit wurde bei einigen anderen Krankheiten festgestellt.
Soziale Risikofaktoren
Forschende in mehreren Ländern haben weitere Methoden entwickelt, um das Krankheitsrisiko in verschiedenen Gruppen zu messen. Am Beispiel Brasiliens haben die Wirtschaftswissenschaftlerin Luiza Nassif Pires vom Levy Economics Institute des Bard College in Annandale-on-Hudson, New York, und ihre Kollegen jedem Bundesstaat (in der Grafik durch einen Punkt gekennzeichnet) einen sozialen Risikofaktor zugewiesen. Dieser beruht unter anderem darauf, wie viele Menschen ein Auto besitzen – was die Notwendigkeit reduziert, öffentliche Verkehrsmittel benutzen zu müssen – und wie viele in beengten Verhältnissen leben.
Wer in Staaten mit höheren Risikofaktoren lebt, kann sich weniger sozial abgrenzen. Das spielte eine zentrale Rolle kurz vor dem Höhepunkt der ersten Welle der Pandemie im Jahr 2020: Das Team fand heraus, dass Menschen in Gebieten mit höheren Risikofaktoren häufiger an Covid-19 erkrankten und daran starben als Menschen in Gebieten mit niedrigeren Werten.
Gewalt gegen Frauen hat zugenommen
Die Pandemie hatte auch ungleich verteilte Auswirkungen auf andere Probleme im Bereich der Bevölkerungsgesundheit, wie zum Beispiel auf die Gewalt gegen Frauen. In 13 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gaben 45 Prozent der von der UN-Organisation für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau (UN Women) befragten Frauen an, dass sie oder eine Frau, die sie kennen, während der Pandemie Gewalt erfahren haben. Die Gewalt kann körperlich sein, zum Beispiel durch Schläge, oder verbal, zum Beispiel durch Anschreien. Sie kann auch die Verweigerung von Grundbedürfnissen wie Nahrung oder medizinische Versorgung beinhalten ebenso wie sexuelle Belästigung.
Diese Grafik zeigt den Anteil der Frauen, die der Überzeugung sind, dass die Gewalt gegen Frauen in ihrer Gemeinde seit Beginn der Pandemie zugenommen hat. Die Forscher befragten mindestens 1200 Frauen in jedem Land per Telefoninterview. Da sie während der Erhebungen weder reisen noch direkten Kontakt haben konnten, können die Forscher ihre Ergebnisse nicht direkt mit Studien vergleichen, die vor der Pandemie durchgeführt wurden.
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