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Covid-19-Impfung: Das Versprechen der kombinierten Covid-Impfstoffe

Studien deutet darauf hin, dass auch unterschiedliche Impfstoffe beim ersten und zweiten Piks die Körperabwehr stark ankurbeln. Wissenschaftler bleiben vorsichtig, bis der Effekt sich im echten Leben bewahrheitet und nicht doch noch seltene Nebenwirkungen ans Licht kommen.
Gurgel-Verfahren to Go: Eine Mitarbeiterin spiegelt sich im Außenspiegel eines Autos, das durch die Teststraße eines Corona-Testzentrums fährt.

Die meisten Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 wirken nur dann ordentlich, wenn sie in zwei Dosen verabreicht werden. Mischen kann man Impfstoffe im Impfplan aber offenbar schon, wie nun ein Schwung neuer Studien belegt: Die Kombination von Oxford/AstraZeneca und Biontech/Pfizer löst zum Beispiel eine ähnliche oder manchmal sogar stärkere Immunantwort aus als zwei Dosen eines der beiden Impfstoffe.

Es scheint also sinnvoll, das Wissen aus den neuen Untersuchungen beim Impfen gegen Covid-19 einzuplanen. Denn während auch Mischimpflinge nach den ersten Erkenntnisse gut und sicher geschützt sind, könnte ein flexibilisiertes Kombiimpfschema mögliche logistische Schwierigkeiten wegen ausbleibender Lieferungen eines Vakzins minimieren. Jedenfalls aber können Impfwillige sich nun mit der Idee des Impfstoff-Mix-and-Match »ein bisschen wohler fühlen«, sagt der Immunologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité.

Mit den neuen Resultaten wächst zudem die Zuversicht, dass auch andere Covid-19-Impfstoffe kombiniert werden könnten, die noch nicht miteinander getestet wurden. Allerdings: Derzeit sind überhaupt nur 16 Vakzine in mehreren Ländern zugelassen, und es gibt bislang nur wenige Daten zur Kombination von Impfstoffen, so dass umfangreichere Studien dringend notwendig bleiben. Zudem muss unbedingt über einen längeren Zeitraum hinweg überwacht werden, ob sich womöglich noch unbekannte Nebenwirkungen zeigen.

Kombiimpfstoffe kurbeln das Immunsystem an

Anlass für die letzten Mix-and-Match-Studien waren vor allem Bedenken über die Sicherheit des Impfstoffs, der von der Universität Oxford und dem Pharmaunternehmen AstraZeneca in Cambridge entwickelt wurde. Der Impfstoff war mit seltenen Fällen einer Blutgerinnungsstörung in Verbindung gebracht worden, einer Thrombose mit Thrombozytopenie. Im März 2021 hatten mehrere europäische Länder die Verwendung des Impfstoffs bei einigen Personengruppen gestoppt, mit der Folge, dass viele Menschen nur teilweise geimpft wurden, wenn sie nicht – für ihre zweite Dosis – zu einem anderen Impfstoff gewechselt sind. Forscher des Carlos-III-Health-Institutes in Madrid hatten währenddessen mit der CombiVacS-Studie begonnen und veröffentlichten im Mai ihre Ergebnisse: Sie beobachteten starke Immunreaktion bei Personen, die den Biontech/Pfizer-Impfstoff acht bis zwölf Wochen nach einer ersten Dosis des Impfstoffs von Oxford/AstraZeneca bekommen hatten.

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Allerdings fehlte in der Studie ein direkter Vergleich mit Personen, die zwei Dosen desselben Vakzins bekommen haben. Die Autoren konnten immerhin zeigen, dass die Kombigeimpften in Labortests 37-mal mehr neutralisierende Sars-CoV-2-Antikörper und 4-mal mehr Sars-CoV-2-spezifische T-Immunzellen produzierten als Menschen, die nur eine Dosis des Oxford/AstraZeneca-Impfstoffs erhielten.

Bis Ende Juni 2021 wurden weitere Studien mit ähnlichen Erkenntnissen zur Wirksamkeit veröffentlicht: An der Charité untersuchte Sander mit seinem Team 340 Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die entweder zwei Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer oder eine erste Dosis des Impfstoffs von Oxford/AstraZeneca gefolgt von einer Dosis Biontech/Pfizer erhalten hatten. Beide Schemata lösten eine Immunantwort mit neutralisierenden Antikörpern und T-Zellen aus.

Eine dritte Studie – durchgeführt an der Universität des Saarlandes in Homburg – ergab, dass das gemischte Schema eine bessere Immunreaktion auslöste als zwei Oxford/AstraZeneca-Impfungen. Zwei Spritzen von Biontech/Pfizer wirken ähnlich gut oder etwas schlechter. Und am 25. Juni 2021 stellte das Team hinter der britischen Com-Cov-Studie schließlich eine Vorabveröffentlichung online, in der die Reihenfolge der Verabreichung der beiden Impfstoffe untersucht wurde: Sie beeinflusst nicht, wie stark die Immunantwort ausfällt.

Alle Studien waren zu wenig umfangreich, um herauszuarbeiten, wie effektiv Impfstoffkombinationen die Entwicklung von Covid-19 wirklich verhindern. »Solange man keine Langzeit- oder Folgestudien mit Wirksamkeitsberechnungen hat, ist es schwer zu sagen, wie stark der Schutz ist oder wie lange er anhält«, sagt die Immunologin Martina Sester, die die Studie im Saarland leitete.

Einschränkend kommt hinzu, dass es kaum einfach möglich ist, die in unterschiedlichen Studien gesammelten Daten zu verschiedenen Kombinationen zu vergleichen. Zudem wird es immer schwieriger, groß angelegte Wirksamkeitsstudien durchzuführen, sagt Sester: Bei sinkenden Infektionsraten muss die Zahl der Studienteilnehmer steigen, damit man einen Unterschied in den Infektions- und Krankheitsraten erkennen kann. Sester weist auch darauf hin, dass ein Studiendesign unethisch ist, bei dem verschiedene Impfstoffkombinationen mit einer Placebokontrolle verglichen werden. Aus diesem Grund versuchen Wissenschaftler, ein so genanntes »Schutzkorrelat« zu bestimmen: ein definiertes Niveau der Immunantwort, das Schutz vor Infektionen und Krankheiten bietet. »Das ist extrem dringend«, sagt Sander.

Das Mix-und-Match-Verfahren hat subtile Facetten

Bei all dem schält sich aber doch ein nuanciertes Bild darüber heraus, wie und wie stark die Kombinationen von Impfstoffen wirken. Es gibt hier Unterschiede, und die könnten für einen bestmöglichen Schutz ausgenutzt werden. Der Impfstoff von Oxford und AstraZeneca verwendet ein harmloses Virus, das so genannte Adenovirus, um das genetische Material von Sars-CoV-2 in Zellen einzuschleusen. Impfstoffe, die diese Technologie verwenden, haben eine gute Erfolgsbilanz bei der Induzierung starker T-Zell-Antworten, sagt Sander. Dagegen eignen sich mRNA-Impfstoffe wie der von Pfizer »außergewöhnlich gut«, große Mengen von Antikörpern zu induzieren.

Der hohe Antikörperspiegel nach der zweiten Impfung sei ein Indikator dafür, dass der Kombinationsansatz funktioniert, sagt Sester. Und: »Neutralisierende Antikörper sind wahrscheinlich ein gutes Surrogat für die Vorhersage der Wirksamkeit«, weil sie helfen, eine Virusinfektion zu verhindern. T-Zellen, vor allem »Killer«-T-Zellen mit dem CD8-Protein schützen dagegen vor einer schweren Erkrankung: Sie töten die bereits infizierten Zellen.

Die britische Com-Cov-Studie verzeichnete die deutlichste Antikörperantwort nach zwei Standardimpfungen von Biontech/Pfizer. Fast genauso gut aber schnitt die Kombination von zuerst Oxford/AstraZeneca, dann Biontech/Pfizer ab. Diese Kombination hatte auch die beste T-Zell-Antwort – mehr als doppelt so hoch wie die der beiden Biontech/Pfizer-Dosen. Die Kombination aus einem mRNA-Impfstoff und einem Adenovirus-basierten Impfstoff biete daher womöglich, so Sander, »das Beste aus zwei Welten«.

Je nach verabreichten Impfstoffen entstehen geringfügig unterschiedliche T-Zell-Populationen, wie Sester und ihre Kollegen herausfanden. Es könne helfen, individualisierte Strategien zu entwickeln, wenn man die Ursachen solcher Nuancen verstünde, sagt die Immunologin: So könnten Kombinationen, die eine gute T-Zell-Antwort hervorrufen, zum Beispiel besser für Menschen geeignet sein, die eine Organtransplantation hinter sich haben und deren Immunsystem nur schwer Antikörper produziert, weil die Patienten Medikamente zur Unterdrückung ihres Immunsystems einnehmen. »Es gibt viele Möglichkeiten, dieses Wissen strategisch auszunutzen«, sagt Sester.

Es bleiben Sicherheitsbedenken bei der Kombiimpfung

Bisher wurde in keiner der Mix-and-Match-Studien über schwere Nebenwirkungen berichtet. Aber: Die Com-Cov-Studie konstatierte in vorläufigen Daten vom Mai 2021 mehr Nebenwirkungen beim Mischen von Impfstoffen als bei der Verabreichung von zwei gleichen Impfstoffdosen. In den Studien aus Berlin und Homburg sowie bei CombiVacS war dies aber nicht der Fall: Die Nebenwirkungen fielen nicht schlimmer aus als bei der Verabreichung von zwei Spritzen eines Impfstoffs.

Wahrscheinlich liege dies an dem Abstand zwischen den Dosen, sagt Sester. Die Teilnehmer der Com-Cov-Studie erhielten ihre zweite Impfung vier Wochen nach der ersten Dosis, während bei den Teilnehmern der deutschen Studien mindestens neun Wochen zwischen den Impfungen lagen. Auch einige Com-Cov-Teilnehmer bekamen die Dosen in einem längeren Abstand; deren Daten werden noch ausgewertet und im Juli erwartet.

Einige Sicherheitsbedenken bleiben, sagt Sander. Denn immerhin »kombiniert man zwei verschiedene Impfstoffe, die beide ihr eigenes Profil an unerwünschten Ereignissen und Wirkungen haben könnten«, sagt er. Das mag mögliche Probleme verstärken. Ohnehin haben die bisherigen Studien nur ein paar hundert Personen eingeschlossen: Sie sind zu klein, um seltene Ereignisse zu erfassen. In kleinen Studien »nimmt man nicht die eine von 1000 Nebenwirkungen auf, geschweige denn die eine in 50 000 Nebenwirkungen«, sagte Matthew Snape, ein Oxford-Impfstoffforscher, der die Com-Cov-Studie leitet, auf einer Pressekonferenz Ende Juni 2021. Damit weisen die kleinen Studien also Probleme wie die Gerinnungsstörungen nicht nach, die nach aktuellen Schätzungen bei etwa einer von 50 000 Personen nach der ersten Impfstoffdosis von Oxford/AstraZeneca und bei weniger als einer von 1,7 Millionen nach der zweiten auftreten. Dieselben seltenen Gerinnungsstörungen waren auch schon mit einem Adenovirus-Impfstoff von Johnson & Johnson in Verbindung gebracht worden.

Wird eine Impfstoffkombination zur neuen Norm?

Seltenere Nebenwirkungen könnten also noch übersehen worden sein, und aus diesem Grund empfehlen einige Forscher, vorerst besser bei den üblichen zwei Impfungen mit einem einzigen Impfstoff zu bleiben. »Meiner Meinung nach ist es besser, die Standardimpfungen zu verwenden. Von denen wissen wir, dass sie funktionieren, und es gibt eindeutige Zahlen bezüglich ihrer Sicherheit«, sagt Snape.

Wenn allerdings neue Varianten von Sars-CoV-2 auftauchen, könnten die Mix-and-Match-Studien den Verantwortlichen nun eine Entscheidungsgrundlage liefern, um den Umstieg auf schützende Kombinationen einzuleiten.

»Gut, diese Daten parat zu haben«, sagt die Impfstoffforscherin Fiona Russell vom Murdoch Children's Research Institute in Melbourne in Australien. Denn Mix-and-match-Impfstoffe könnten auch helfen, wenn die Impfkampagnen auf Grund von Versorgungsproblemen ins Stocken geraten. »Das Impfprogramm kann weiterlaufen statt zu stoppen, wenn es einen globalen Mangel eines bestimmten Impfstoffs gibt«, erklärt Russell. Wenn man die Wahl zwischen einem Kombinationsimpfstoff und keiner zweiten Dosis habe, dann »sollte man sich auf jeden Fall für das gemischte Programm entscheiden«, sagt Snape.

In der Com-Cov-Studie wird bereits damit begonnen, die Wirksamkeit einer zweiten Impfdosis anderer Impfstoffe nach einer ersten Impfung mit AstraZeneca oder Biontech zu ermitteln. Bei einer Kombination testen die Forscher den noch nicht zugelassenen proteinbasierten Impfstoff der Pharmafirma Novavax, bei einer anderen den schon in einigen Ländern zugelassenen mRNA-Impfstoff von Moderna. Auf den Philippinen läuft derweil bis November 2022 eine Studie, in der der inaktivierte chinesische Virusimpfstoff CoronaVac von Sinovac mit den sechs anderen dort vor Ort zugelassenen Impfstoffen kombiniert wird. AstraZeneca und das Gamaleya-Forschungsinstitut in Moskau testen in einer weiteren Studie zudem die Kombinationen ihrer beiden auf Adenoviren basierenden Impfstoffe, AstraZeneca und Sputnik-V.

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