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Covid-19-Pandemie: Lockdown ließ Vögel leiser zwitschern

Die Coronakrise reduzierte in San Francisco menschengemachten Lärm drastisch. Die Vogelwelt passte sich rasch daran an.
Dachsammer

Kalifornien gehört zu den am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Bundesstaaten der USA. Manche der eingeleiteten Gegenmaßnahmen führten zu unerwarteten Nebenwirkungen, wie eine Studie von Elizabeth Derryberry von der University of Tennessee in Knoxville und ihrem Team in »Science« zeigt: Verringerter Lärm sorgte zumindest in San Francisco dafür, dass die Singvögel vor Ort auch leisere und tiefere Töne anschlagen konnten, um Weibchen anzulocken.

Als die Regierung des Bundesstaates in den Frühlingsmonaten April und Mai im Jahr 2020 weit reichende Beschränkungen des öffentlichen Lebens verordnete, um den regionalen Covid-19-Ausbruch in den Griff zu bekommen, reduzierte sich beispielsweise der Straßenverkehr drastisch: Über die Golden-Gate-Brücke fuhren zeitweise nur noch so viele Autos wie zuletzt in den 1950er Jahren. Insgesamt fiel der Lärmpegel um 50 Prozent, laut Derryberry. Die lokalen Dachsammern (Zonotrichia leucophrys) reagierten darauf sehr schnell, wie ein Vergleich ihrer Gesänge aus den Vorjahren mit denen aus dem Frühling 2020 zeigte.

Um den Stadtlärm zu übertönen, müssen die Tiere normalerweise ebenfalls möglichst laut zwitschern und zudem höhere Töne anschlagen: Solche heben sich in einer geräuschvollen Umgebung mit dröhnenden Motoren und anderen niederfrequenten Schallquellen ab. Dank des beschränkten öffentlichen Lebens und der fehlenden Fahrzeuge konnten viele Dachsammern dagegen in diesem Jahr leiser singen und gleichzeitig auch tiefere Melodien pfeifen. Damit erweiterten sie ihr Repertoire und machten sich damit attraktiver für die Weibchen. »Diese Männchen wurden zu besseren Wettbewerbern und klangen besser für die Weibchen«, sagte die Wissenschaftlerin.

Durchschnittlich reduzierten die Stadtvögel die Lautstärke ihrer Gesänge um ein Drittel, dennoch waren sie in einem doppelt so großen Umkreis zu hören wie in den lauteren Vorjahren. Diese rasche Anpassung war im Ballungsraum deutlich größer und intensiver als in ländlichen Vergleichsräumen, wo die Vögel prinzipiell weniger Lärm ausgesetzt sind und dessen Niveau während des Lockdowns daher auch weniger stark sank. »Unsere Studie zeigt, wie schnell sich Vögel an sich wandelnde Umweltbedingungen adaptieren können. Wenn es gelingt, längerfristig die Lärmverschmutzung zu verringern, kann also auch die Natur profitieren«, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie.

Kommunikation per Federschlag

Ob eine Lärmreduktion auch den südamerikanischen Gabeltyrannen (Tyrannus savana) beim Kommunizieren geholfen hat, ist unbekannt. Diese tropische Fliegenfängerart setzt allerdings auf eine besondere Art, sich mitzuteilen, wie Kate Golembiewski vom Field Museum in Chicago und ihr Team in »Integrative and Comparative Biology« berichten. Die Männchen der Art produzieren mit ihren Schwingen spezielle Geräusche, wenn sie sehr schnell fliegen. Das geschieht vor allem während der Balz, wenn die Männchen miteinander konkurrieren und kämpfen, und wenn sie größere Vögel attackieren, die ihr Nest bedrohen könnten.

Gabeltyrann | Dieser südamerikanische Fliegenfänger macht charakteristische Töne mit seinen Flügeln.

Durch den schnellen Flügelschlag entsteht ein hochfrequenter trillernder Laut, der sich bei den beiden Unterarten der Gabeltyrannen zudem markant unterscheidet. Eine dieser Unterarten lebt ganzjährig im Norden Südamerikas, während die andere in den südlichen Teilen des Kontinents brütet. Diese Tiere ziehen im Winter nach Norden, wo beide Arten aufeinandertreffen. Doch offensichtlich vermischen diese sich nicht mehr oder nur noch selten, weshalb Biologen annehmen, dass sich die Unterarten auseinanderentwickeln und zu eigenständigen Spezies werden könnten.

Das zeigt sich ebenfalls an den Flügeln beider Vertreter: Die südliche Unterart besitzt dünnere Flügelspitzen, was ihre Flugeigenschaft für den Langstreckenzug verbessert. Gleichzeitig erzeugen die Federn an diesen Flügelspitzen einen anderen Ton im Vergleich zu den Federn ihrer sesshaften Artgenossen, schreiben die Wissenschaftler. Und dies könne wiederum die Aufspaltung beider Unterarten beschleunigen und verstärken.

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