Direkt zum Inhalt

News: Da ist der Wurm drin

Korallen gelten im Allgemeinen als sesshaft. Um so überraschter waren Meeresforscher, als die Korallen ihres Aquariums sich des nächtens auf Wanderschaft begaben. Schließlich entdeckten sie des Rätsels Lösung: Ein kleiner Wurm transportiert die Stöcke und könnte sich damit als Riffarchitekt erweisen.
Sie gehören zu den bedeutensten Baumeistern der Natur: Kleine Nesseltierchen schaffen riesige, kilometerweite Korallenriffe und gestalten damit ganze Ökosysteme. Wie so oft, ist der Beginn das Schwierigste: Die Korallentierchen brauchen eine feste Unterlage, um ein neues Riff zu bilden. Ist der Anfang erst einmal geschaffen, können sie auch auf sandigen Boden weiterwachsen.

Eher zufällig entdeckten Wissenschaftler, wie die Korallen diesen Startpunkt finden können. John Chrisholm vomObservatoire Océanologique Européen des Centre Scientifique de Monaco wollte in einem tropischen Meerwasseraquarium die Koralle Lobophyllia hemprichii ansiedeln. Er ging davon aus, dass die kleinen Kolonien – wenn sie erst einmal eingepflanzt sind – an ihrem Ort wachsen und gedeihen. Doch dem war nicht so. Eines Morgens musste der Forscher feststellen, dass drei seiner bis zu 20 Gramm schweren Stöcke offensichtlich mit ihrem angestammten Platz noch nicht einverstanden waren. Sie begaben sich nachts auf Wanderschaft – und zwar nur nachts. Dabei legten sie Strecken bis zu 16 Zentimeter zurück, versammelten sich an einem Platz und bildeten so einen gemeinsamen Stock. Diese nächtlichen Wanderungen ließen Chrisholm keine Ruhe. Zusammen mit Russell Kelley von der australischen Watermark Films beobachtete er mit einer hochempfindlichen Infrarot-Videokamera das nächtliche Treiben seiner Korallen.

Eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit lugte ein schnürsenkelartiges Würmchen aus dem Korallenstock hervor. Nachdem es sich offenbar unbeobachtet fühlte, kroch es hinaus, schnappte sich eine frei stehende Koralle und schleppte sie innerhalb von nur zwei Sekunden zum Stock. Der kleine Korallenträger war ein Wurm aus der Polychaeten-Ordnung Eunicida. Offensichtlich baute der Borstenwurm mit den Korallen sein Heim. Dabei verklebte er die Stöckchen miteinander und achtete dabei sogar auf deren richtige Orientierung, sodass die Korallen dem Licht zugewandt blieben (Nature vom 11. Januar 2001).

Der von Chrisholm und Kelley beobachtete recht kleine Wurm transportierte bereits zwanzig Gramm schwere Korallenstöcke. Euniciden ereichen jedoch Längen von bis zu zwei Metern. Solche Giganten können sicherlich auch größere Brocken zusammensammeln und somit die Grundlage für Riffe auf sandigen Untergrund schaffen, glauben die Wissenschaftler. "Das ist eine bemerkenswerte Beobachtung", meint Brian Rosen vom Londoner Natural History Museum, "und zeigt einen anderen Weg, wie sich Korallen auf weichem Grund ansiedeln können." Sein Kollege Robert Buddemeier von der University of Kansas ergänzt: "Wir wissen, dass einige Korallen Schlammböden tolerieren und sich auf Muschelschalen befestigen können." Doch der Wurmtransport "ist ein wesentlich dynamischerer und konzentrierterer Weg, Hartsubstrat anzusammeln".

Siehe auch

  • Quellen

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.