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News: 'Dampf' von Dampfern trübt die Luft

Die Stickoxid-Emissionen von Hochseedampfern beeinflussen wesentlich die chemischen Abläufe in der Atmosphäre und wirken sich auf die Entwicklung des Klimas aus. Das ergaben Simulationen, in denen erstmals Schiffe als wichtige Schadstoffquellen über dem Nordatlantik berücksichtigt wurden.
Daß Stickoxid-Emissionen (NO + NO2) von Hochseeschiffen merklich den Anteil von Ozon und sogenannter Hydroxylradikale in der Atmosphäre verändern, darauf weisen neueste Computersimulationen hin, durchgeführt am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Schiffsabgase führen demnach speziell über dem Nordatlantik zu einer Abkühlung der Atmosphäre (Nature vom 11. November 1999).

Abgas-Emissionen, die auf menschliche Aktivitäten zurückgehen, beeinflussen erheblich die Atmosphäre der Erde. Das zeigt sich beispielsweise beim Smog, der sich während der Sommermonate in vielen Großstädten auf der ganzen Welt bildet. Diese Schadstoffe können sich über große Gebiete der Erde verteilen und nicht nur die Luftqualität, sondern auch die Entstehung von Treibhausgasen, wie Ozon und Kohlendioxid, beeinflussen. Bisher wurden die Emissionen eines wichtigen Bereichs der industriellen Aktivitäten – die Abgase der internationalen Schifffahrt – bei politischen Überlegungen über Veränderungen der Atmosphäre meistens außer acht gelassen. Auch wenn die Schadstoffe von den Schiffen hauptsächlich im Küstenbereich und auf offener See freigesetzt werden, also weitab von den meisten industriellen Emissionen an Land, beeinflussen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Atmosphäre über dem Meer. In der November-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature stellen die Wissenschaftler Mark G. Lawrence und Paul J. Crutzen vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz neue Berechnungen vor, wonach die Stickoxid-Emissionen von Schiffen tatsächlich einen wichtigen Einfluß auf die Atmosphäre haben, was bei zukünftigen politischen Überlegungen zum Klimaschutz berücksichtigt werden sollte.

Lawrence und Crutzen verwenden bei ihren Untersuchungen ein globales Computermodell der Atmosphäre, bekannt unter dem Namen MATCH-MPIC (Model of Atmospheric Transport and Chemistry at the Max Planck Institute for Chemistry). Es wurde in den letzten fünf Jahren an ihrem Institut in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom National Center for Atmospheric Research in Boulder/Colorado, USA, entwickelt. Dieses Modell simuliert Quellen, Transport, Reaktionen und Senken wesentlicher Atmosphärengase, wie Ozon (O3). Kohlenmonoxid (CO), Hydroxylradikal (OH) und Stickoxide (NOx = NO + NO2), um zu berechnen, wie sich deren Konzentrationen in der Zukunft zeitlich und räumlich verändern werden.

Die Wissenschaftler betrachteten dazu zwei Modellvarianten: Die eine ohne, die andere mit Einbeziehung der Stickoxid-Emissionen von Schiffen.

Offensichtlich, so die Modellrechnungen, sind es Schiffsemissionen, die regelmäßig im Juli im Nordatlantik die NOx-Konzentrationen auf das 100-fache des "Hintergrund"-Werts ansteigen lassen. Da die Stickoxide wiederum wesentlich die Bildung von Ozon O3 fördern, bedeutet das eine Verdopplung der Ozon-Konzentration in diesem Gebiet. Noch wichtiger ist, daß die NOx-Emissionen zu Hydroxylradikal-Konzentrationen führen, die fünfmal höher sind als die normalen Werte über dem Ozean. Diese chemischen Reaktionen beeinflussen das Klima: Es wird kälter über diesem Gebiet.

Zum einen sind Hydroxylradikale (OH) das wichtigste Gas, das viele andere Treibhausgase, wie z.B. Methan (CH4), aus der Atmosphäre entfernt. Steigt der Anteil von OH, verringern sich die Treibhausgase, was eine Abkühlung der Atmosphäre zur Folge hat. Hinzu kommt, daß die Reaktion von OH mit schwefelhaltigen Gasen, wie z.B. Schwefeldioxid (SO2), wesentlich für die Entstehung von kleinsten Partikeln in der Atmosphäre verantwortlich ist. Diese Partikel wiederum sind notwendig für die Bildung von Wolkentröpfchen. Beide, Partikel wie Wolkentröpfchen, reflektieren das Sonnenlicht – ein weiterer Effekt, durch den sich die Atmosphäre abkühlt.

Die Einwirkung von Schiffs-Emissionen auf die Umwelt genau bewerten zu können, erfordert weitere wissenschaftliche Untersuchungen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Abgase von Schiffsdieselmotoren neben Stickoxiden auch Schwefeldioxid enthalten. Dieses SO2 wirkt ebenfalls abkühlend auf das Klima ein, wie aus einer anderen Studie hervorgeht. Ein wichtiger nächster Schritt besteht deshalb darin, beide Effekte, die Wirkungen von Stickoxiden und Schwefeldioxid, in einem globalen Klimamodell zu kombinieren.

Die Mainzer Max-Planck-Wissenschaftler gehen davon aus, daß sich die Einwirkungen der Schiffsemissionen auf die Atmosphäre in den nächsten Jahrzehnten weiter verstärken, da der Schiffsverkehr jährlich um etwa 3 Prozent wächst. Von daher müssen in Zukunft auch die Abgaswerte von Schiffsmotoren bei politischen Diskussionen und Entscheidungen zum Klimaschutz berücksichtigt werden. Da jedoch die Schiffs-Emissionen – im Gegensatz zu den Erwärmungsszenarios aufgrund des Treibhauseffekts – eine Klimaabkühlung bewirken, dürften sich die Politiker einem heiklen Dilemma gegenübersehen.

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