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Dark Events: Der Kitzel des Grusels

Ob uralte Beerdigungsrituale, Black Metal oder Geisterbahn: Der Faszination des Todes frönen Menschen gern gemeinsam. Jetzt will eine neue Wissenschaft die Erforschung von »Dunklen Events« systematisieren.
Eine als buntes Skelett geschminkte und verkleidete Frau trägt einen opulenten Kopfschmuck, in dessen Zentrum ein miniaturisierter menschlicher Schädel zu sehen ist. Von diesem ausgehend wallen rote und orange Kunstblumen zu beiden Seiten des Kopfes der Frau bis über ihre Schultern. Im Bildhintergrund sind weitere Personen in Kostümen zu erkennen.
Schaurig schön: Straßenszene am Dia de los Muertos 2022 in der mexikanischen Stadt Morelia. Die Frau im Vordergrund ist als »La Catrina« gekleidet – Symbolfigur für die Gleichheit aller Menschen im Tod.

Am Dia de los Muertos, dem Tag der Toten, fällt alljährlich die Grenze zwischen Leben und Tod. Auf Mexikos Friedhöfen herrscht Volksfeststimmung. Familien versammeln sich an den Gräbern ihrer Verstorbenen, um gemeinsam mit ihnen zu feiern. Der Brauch wurzelt in dem altmexikanischen Glauben, dass sich die Toten nach der Ernte gern noch einmal zum Stelldichein im Diesseits einfinden, um es krachen zu lassen. 2003 wurde er von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Organisierte Formen des Umgangs mit Sterben und Leid finden sich in allen menschlichen Kulturen. Manche tragen fröhliche Züge wie das mexikanische Allerheiligen, viele setzen gezielt auf Horror und Grusel. So wetteifern in London Fremdenführer darum, wer die schaurigste »Jack the Ripper«-Tour auf die Beine stellt. Dabei taucht man in die finstere Atmosphäre des viktorianischen East End ein, als im Jahr 1888 eine Serie brutaler Morde die englische Hauptstadt erschütterte.

Das Makabre zieht uns an

Die Faszination für das Düstere ist weit verbreitet, wenn nicht gar universell. »Es gibt eine natürliche menschliche Neugier auf die dunkleren Aspekte des Lebens, einschließlich Tod, Tragödie und Makabrem«, sagt der Tourismusforscher James Kennell von der University of Surrey. Gemeinsam mit seinem Kollegen Metod Šuligoj von der Universität Primorska in Slowenien hat er eine Systematik zur Erforschung so genannter Dark Events entwickelt, die sie in der September-Ausgabe der Fachzeitschrift »Annals of Tourism Research« vorstellen.

Ein tieferes Verständnis der Beliebtheit von »Dunklen Events«, zu denen so unterschiedliche Dinge wie der Volkstrauertag, Black-Metal-Festivals oder die gute alte Geisterbahn zählen, sollte auch ein tieferes Verständnis der menschlichen Gesellschaft als solcher ermöglichen, hoffen die Forscher. Sogar manche Sportveranstaltungen fallen für sie darunter, etwa wenn Fußballfans Morddrohungen in Richtung des Gegners ausstoßen. Der Reiz von Dark Events liege darin, sich Tod und Schrecken in kontrollierter Weise anzunähern.

Ihren Ansatz für die künftige Erforschung des organisierten Horrors gründen Kennell und Šuligoj auf die Thanatologie: die Wissenschaft vom Sterben, Tod (griechisch thánatos) und den damit verbundenen Praktiken, wie etwa der Bestattung. Als Begründer der Thanatologie gilt der französische Anthropologe Robert Hertz (1881–1915), der den Tod nicht nur als ein biologisches Ereignis, sondern auch als tief verwurzeltes soziales und kulturelles Phänomen beschrieb.

Indem sie thanatologische Konzepte mit Methoden der Tourismusforschung, des kollektiven Gedächtnisses und weiterer Disziplinen verknüpfen, identifizieren Kennell und Šuligoj als Ergebnis ihrer konzeptionellen Studie sechs Schlüsselkategorien, die sie als grundlegend für die künftige Dark-Event-Forschung erachten:

  • Präsenz des Todes, wozu auch der Tod von Tieren oder rein symbolische Todesdarstellungen zählen
  • Abweichendes Verhalten wie Tabubrüche oder Gewaltanwendung
  • Öffentlichkeit, wozu etwa kollektives Gedenken und Medienberichterstattung gehören
  • Erlebnisse zum Beispiel von Gruppenzugehörigkeit oder Erfahrungen von Grusel und Angst
  • Kommerzialisierung: Vermarktung, Organisation und Monetarisierung von Veranstaltungen
  • Perspektiven, worunter die Autoren etwa den Vergleich verschiedener Kulturen oder das Methodenrepertoire unterschiedlicher Fachdisziplinen verstehen

Bleibt zu hoffen, dass der Wissenschaft von den düsteren Events viele lichte Momente beschieden sein werden!

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