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Immunabwehr: Darmkeime durchfüttern für die Abwehr

Auch wenn wir krankheitsbedingt appetitlos sind: Unsere Darmbakterien werden mit einer Zuckerspezialdiät durchgefüttert. So helfen sie dem Körper gegen schädliche Erreger.
Darmwand mit Zuckerketten

Als Reaktion auf Attacken durch Keime kurbelt unser Körper die Abwehrkräfte an – wozu neben der Aufrüstung mit Immunzellen eine ganze Menge weniger auffälliger Anpassungen gehören. So schränkt das Immunsystem zum Beispiel die Nahrungsaufnahme ein, weshalb Kranke oft appetitlos werden. Das kann auf Dauer natürlich unerwünschte Effekte haben, wenn unser Organismus unter dem Nahrungsmangel leidet. Forscher der University of Chicago haben nun aber eine Überbrückungsmaßnahme des Körpers während der Unterversorgung aufgedeckt, mit deren Hilfe nützliche, der Gesundheit dienliche Darmkeime durchgefüttert werden, sobald wir krankheitsbedingt fasten.

Darmzellen und Zuckerausschüttung | Ob gesund oder krank: Auf der Außenseite der Darmwandzellen finden sich stets Glycan-Zuckerketten (a). Bemerkt die Körperabwehr eine Attacke durch gesundheitsschädliche Keime (b), so steigt die Menge an Fucose-Molekülen, die an solchen Ketten angehängt sind und schließlich freigesetzt werden. Ausgelöst wird diese verstärkte Fucosylierung, sobald das Immunsystem Zellbruchstücke von Krankheitkeimen abfängt – etwa, wie im Experiment der Forscher, Lipopolysaccharide (LPS) aus der Bakterienhülle. Dies regt dann dendritische Zellen zur Produktion des Zellsignals IL-23 an, welches seinerseits Zellen der angeborenen Immunabwehr zur Ausschüttung von IL-22 anregt. Dadurch werden in den Darmzellen vermehrt Fut2-Gene abgelesen, die das Enzym Fucosyltransferase kodieren. Dieses Enzym montiert die Fucose-Zucker an die Zuckerketten auf der Außenseite der Zellen und sorgt dafür, dass mehr Fucose in den Darm abgegeben wird und den Darmkeimen zur Verfügung steht.

Die Forscher hatten beobachtet, dass bei systemweiten Infektionen – also einer Attacke durch Erreger, die sich mit dem Blutstrom verbreiten und viele Zellen des Körpers angreifen – im Darm bestimmte Fucose-Zuckermoleküle vermehrt freigesetzt werden, die den Darmbakterien als alternative Energiequelle dienen. Fucose hängt auch bei gesunden Menschen – und Mäusen, die die Forscher im Labor getestet haben – an den Kohlenhydratketten auf den Darmwandzellen. Eine Infektion oder die Anwesenheit von Bakterienbruchstücken, wie sie bei Attacken des Immunsystems auf Eindringlinge anfallen, sorgt aber für eine deutlich verstärkte Fucosylierung der Epithelzellen – also die Produktion der Zucker im Inneren der Zelle, ihrer Montage auf der Zellaußenseite und der Freisetzung als Darmflorafutter.

Das durch Fucose gestärkte Mikrobiom verhindert dann einige typische negative Folgen der Infektion, vermuten die Forscher – etwa indem die Toleranz des Körpers gegenüber schädlichen Keimen erhöht wird. Andere Wissenschaftler konnten zudem zeigen, dass die Fucose-Gabe Attacken von Salmonella-Bakterien auf die Darmzellen bremsen kann. Womöglich vermitteln unterschiedliche Darmkeime unterschiedliche Schutzmaßnahmen. Unklar ist bis dato noch, ob eine dauerhaft gesteigerte Fucose-Freisetzung nach einiger Zeit zudem negative Folgen haben kann. Denkbar wäre etwa, dass auch bestimmte schädliche Keime von der Fucose-Versorgung profitieren; zudem kennt man Viren, die an fucosylierten Zuckerketten andocken und daher vielleicht leichter Darmzellen infizieren. Weitere Untersuchungen müssen erst klären, ob die gezielte Zuckerfreisetzung des attackierten Körpers nur eine mittelfristige sinnvolle Notmaßnahme des Körpers ist – oder womöglich sogar gefahrlos und gezielt ausgelöst werden kann, um die Abwehrkräfte zu stärken.

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