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DART-Mission: Generalprobe für die Weltrettung geglückt

Planmäßig zerschellte die DART-Sonde auf dem Asteroidenmond Dimorphos. Der Test soll zeigen, ob man potenziell gefährliche Asteroiden von der Erde weglenken kann.
Schematische Skizze des Einschlags von DART auf Dimorphos.
Die Sonde DART, begleitet von LICIACube, traf den nur rund 170 Meter messenden Asteroiden-Begleiter Dimorphos und veränderte seine Geschwindigkeit.

Zuerst sah man nur einen verwaschenen hellen Fleck im Zentrum des Bildes, das die NASA-Sonde DART zur Erde sandte. Später erschien rechts oberhalb des nun als grauer, unregelmäßiger Klumpen erkennbaren Objekts ein zweiter Lichtpunkt – das eigentliche Ziel der Mission. Während Didymos, der größere der beiden Körper, langsam aus dem Bild glitt, verharrte der Asteroidenmond Dimorphos in der Bildmitte wie in einem Fadenkreuz. Ziel ist hier nämlich ganz wörtlich gemeint. DART, kurz für »Double Asteroid Redirection Test« , war ein kinetischer Impaktor. Ein Projektil, das den Gesteinsbrocken mit möglichst großer Wucht treffen und von seiner Bahn abbringen sollte.

Der minutiös geplante Zusammenstoß mit dem nur 163 Meter messenden Himmelskörper ist Teil der AIDA-Mission, eines Forschungsprojekts der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA in Kooperation mit dem Applied Physics Laboratory (APL) der Johns Hopkins University in Maryland zur Abwehr von Asteroiden, die möglicherweise eine Gefahr für die Erde darstellen. Denn unser Planet ist eine kosmische Zielscheibe: In jeder Sekunde prasseln Gesteinsbrocken aus dem All auf die Erde ein. Die allermeisten sind nur Bruchteile von Millimetern groß und verglühen beim Eintritt in die Erdatmosphäre vollständig. Doch es sind etwa 210 Krater auf der Erde bekannt, die davon zeugen, welche Wucht der Einschlag eines größeren Himmelskörpers hat.

So zeigt der Chicxulub-Krater auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, was ein richtiges Geschoss anrichten kann: Hier schlug vor rund 66 Millionen Jahren ein gut zehn Kilometer messender Asteroid ein und löste damit vermutlich das große Massensterben aus, dem auch die Dinosaurier zum Opfer fielen. Statistisch betrachtet muss man mit einem derartigen Einschlag alle 100 Millionen Jahre rechnen. Es sei also nicht die Frage, ob wir von einem Brocken aus dem All getroffen werden, sondern vielmehr wann, sagte NASA-Wissenschaftschef Thomas Zurbuchen dem Spiegel vorab.

Praxistest für die Rettung der Welt

Doch das Verhängnis ist vermeidbar – sofern man den potenziellen Planetenkiller rechtzeitig entdeckt. Bereits eine minimale Veränderung der Bahn summiert sich über Millionen Kilometer, und so reicht schon ein verhältnismäßig kleiner Stoß, um das Leben auf der Erde zu schützen. DART ist der erste Praxistest dieser Idee. Ausgewählt wurde Dimorphos, weil er trotz der riesigen Entfernung vergleichsweise gut erreichbar war – nicht etwa, weil er eine reale Gefahr für unseren Planeten darstellt.

Der Test verlief erfolgreich. Ungefähr eine halbe Stunde vor dem Einschlag bestätigt das Kontrollzentrum: DART hat sein Ziel im Visier. Als schließlich die mit kantigen Gesteinsbrocken übersäte Oberfläche von Dimorphos das gesamte Bild einnimmt, reißt die Übertragung abrupt ab – und im Applied Physics Laboratory jubeln und applaudieren die blau gekleideten Fachleute. DART ist mit einer Geschwindigkeit von knapp 22 000 Kilometern pro Stunde auf dem Himmelskörper eingeschlagen. Mit der Kollision pünktlich um 1.14 Uhr mitteleuropäischer Zeit haben die Menschen das erste Mal gezielt die Bahn eines Himmelskörpers beeinflusst. Denn der Einschlag wird Dimorphos um voraussichtlich einige Millimeter pro Sekunde abbremsen.

© JHU Applied Physics Laboratory
DART-Mission der NASA
Die letzten Sekunden im Leben einer Asteroidenabwehr-Sonde.

Dadurch wird der kleinere Begleiter ein paar Minuten weniger für seine knapp zwölfstündige Runde um Didymos benötigen. Genaueres weiß man allerdings frühestens in einigen Wochen bis Monaten, wenn alle Daten ausgewertet wurden. Denn während die grundlegende Physik nicht kompliziert ist, sind die Details einer solchen Kollision bisher kaum verstanden.

Fachleute können nur vermuten, welche Auswirkungen der Einschlag der 570 Kilogramm schweren Sonde auf den nur 163 Meter messenden Dimorphos hat. Sie wissen zu wenig über dessen Struktur. Der Asteroid kann alles sein zwischen einem kompakten Objekt und einem fliegenden Geröllhaufen, der nur von der Gravitation zusammengehalten wird. Entsprechend unterschiedlich kann sich der Aufprall der Sonde auswirken.

JWST und Hubble beobachten Dimorphos

Dass solche Informationen fehlen, liegt auch an einem gescheiterten Erkundungsprojekt der ESA, das eigentlich Teil der Mission sein sollte. 2015 vereinbarten die NASA und die europäische Raumfahrtagentur ESA, den nun bei der Kollision rund elf Millionen Kilometer von der Erde entfernten Doppelasteroiden 1996 GT, inzwischen Didymos getauft, gemeinsam zu untersuchen und seine Flugbahn gezielt zu beeinflussen. Didymos wird von dem kleineren Asteroiden Dimorphos umkreist. Doch nach mehreren Jahren der Entwicklung wurde das Budget für die Durchführung der ESA-Mission gestrichen. Im Juni 2017 genehmigte die NASA schließlich das Konzept für DART und leitete die Designphase ein. Am 24. November 2021 brachte eine Falcon-9-Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX die Sonde auf Kurs gen Dimorphos.

Was nach dem Einschlag passierte, darüber kann DART naturgemäß keine Auskünfte mehr geben. Doch die Nachwirkungen des Volltreffers werden genauestens protokolliert. Bilder aus der Nähe soll der italienische Minisatellit »LICIACube« liefern, der vor gut zwei Wochen von der DART-Sonde ausgesetzt wurde und während des Crashs an Dimorphos vorbeiflog. Außerdem werden die Weltraumteleskope »Webb« und »Hubble« aus der Distanz versuchen, den Aufschlag zu verfolgen, sowie zahlreiche weitere Observatorien auf der Erde. In zwei Jahren dann soll die europäische Sonde »Hera« zu dem Asteroidenpaar aufbrechen und nach ihrer Ankunft im Jahr 2026 Zusammensetzung, Masse und Flugbahn des Gespanns genauer untersuchen.

Der planmäßige Verlauf der DART-Mission ist ein kleiner Lichtblick für die NASA. Zuletzt hatte man dort wenig zu bejubeln. Der Start der prestigeträchtigen Mondmission Artemis ist von Pannen geplagt und verschiebt sich immer weiter nach hinten. Private Raumfahrtunternehmen laufen der staatlichen Raumfahrtbehörde zunehmend den Rang ab. Am Applied Physics Laboratory dagegen, wo die DART-Missionszentrale angesiedelt ist, genießt man nun erst einmal den Erfolg. Mission erfüllt.

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