Phylogenie: Darwin überholt
Der Ursprung der Bedecktsamer ist Biologen ein Rätsel. Sicher ist nur, dass sie plötzlich da waren - und zwar sofort in ungeahnter Fülle. Wie kam es zu dieser Artenexplosion im Pflanzenreich?
Im Jahr 1879 schrieb Charles Darwin dem englischen Botaniker Joseph Dalton Hooker einen Brief über ein "abscheuliches Geheimnis": Wie aus dem Nichts seien zu Beginn der Kreidezeit überall auf der Welt bedecktsamigen Blütenpflanzen aus dem Boden geschossen. Es fanden sich aber nirgendwo Übergangsformen, die auf eine gemeinsame Ausgangsgruppe hingedeutet hätten. Ihren außerordentlichen Artenreichtum hätten die Bedecktsamer also schlagartig hervorbringen müssen.
Tatsächlich reichen die frühesten fossilen Funde von Bedecktsamern mit einem Alter von etwa 140 Millionen Jahren bis in die untere Kreide zurück. Mehr als 250 000 Arten dieser Angiospermen haben sich bis heute auf der gesamten Erde ausgebreitet – etwa 60 Prozent aller Pflanzen gehören also in diese Gruppe. Vermutlich entfalteten sie den Großteil ihrer grünen Pracht innerhalb weniger Millionen Jahre – im Maßstab der Evolution nicht mehr als ein Wimpernschlag.
Eine engere zeitliche Eingrenzung ist wegen der spärlichen Fossilienfunde allerdings nicht möglich. Ebenso unklar sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Angiospermen. Zwar identifizierten die Biologen hier 45 Ordnungen mit insgesamt 457 Familien – die Abzweige im Stammbaum sind allerdings noch nicht geordnet. Umstritten ist vor allem, welcher Vertreter als erster den gemeinsamen Entwicklungspfad verlassen hat.
Chloroplasten sind Organellen, die Fotosynthese betreiben – wie Mitochondrien verfügen sie über ein eigenes Erbgut. Im Fokus der Analyse standen die DNA-Sequenzen von 81 Genen. Ein Forscherteam um Michael Moore von der Universität von Florida in Gainesville nahm denselben Versuch vor, beschränkte sich dabei allerdings auf die Analyse von 61 Genen bei 45 Spezies [2].
Nach den Ergebnissen beider Gruppen haben sich die Bedecktsamer bereits unmittelbar nach ihrem ersten Auftreten in drei Unterklassen aufgeteilt: in die Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrigen, die Einfurchenpollen-Zweikeimblättrigen sowie in die Einkeimblättrigen. Demnach erfuhren die Pflanzen eine rasche Diversifizierung, sodass sich in weniger als fünf Millionen Jahren fünf große Abzweigungen des gemeinsamen Entwicklungspfads herausbildeten.
Mit Hilfe der bislang größten genetischen Analyse konnten die Forscher auch die weiteren Entwicklungslinien der Bedecktsamer nachzeichnen – und zwar so exakt wie nie zuvor. Vor allem das Verhältnis der beiden Klassen der Ein- und Zweikeimblättrigen überraschte die Wissenschaftler, weil sie sich offensichtlich aus dem gleichen Vorfahren entwickelt haben und damit enger miteinander verwandt sind als bislang angenommen.
Der von Jansen nun postulierte Stammbaum der Angiospermen ergänzt also ihre bislang bekannte Entwicklungsgeschichte um zwei wichtige Details. Warum die Artenvielfalt so plötzlich explodierte, wissen die Forscher allerdings immer noch nicht. Darwins Wissen ist damit zwar überholt – sein "abscheuliches" Geheimnis bleibt aber wohl noch eine Weile ungelüftet.
Doch wie kamen die Pflanzen zu dieser Formenfülle? Zum Zeitpunkt des – im übrigen sehr intensiven – Briefwechsels mit seinem Freund Hooker hatte Darwin die Entstehung der Arten längst erklärt. Umso stärker wurmte es ihn deshalb wohl, dass er dieses Rätsel der Natur nicht zu lösen vermochte. Dieser Frust mag auch seine derbe Wortwahl erklären. Doch dürfte es ihn wahrscheinlich weitaus sanfter stimmen, wenn er wüsste, dass Botaniker noch heute an diesem Problem zu knacken haben.
Tatsächlich reichen die frühesten fossilen Funde von Bedecktsamern mit einem Alter von etwa 140 Millionen Jahren bis in die untere Kreide zurück. Mehr als 250 000 Arten dieser Angiospermen haben sich bis heute auf der gesamten Erde ausgebreitet – etwa 60 Prozent aller Pflanzen gehören also in diese Gruppe. Vermutlich entfalteten sie den Großteil ihrer grünen Pracht innerhalb weniger Millionen Jahre – im Maßstab der Evolution nicht mehr als ein Wimpernschlag.
Eine engere zeitliche Eingrenzung ist wegen der spärlichen Fossilienfunde allerdings nicht möglich. Ebenso unklar sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Angiospermen. Zwar identifizierten die Biologen hier 45 Ordnungen mit insgesamt 457 Familien – die Abzweige im Stammbaum sind allerdings noch nicht geordnet. Umstritten ist vor allem, welcher Vertreter als erster den gemeinsamen Entwicklungspfad verlassen hat.
Neue Hinweise liefern genetische Untersuchungen. Um die Abstammungslinien der Bedecktsamer zu rekonstruieren, verglichen Wissenschaftler um Robert Jansen von der Universität von Texas in Austin die Chloroplasten-DNA (ct-DNA) von 64 Pflanzenarten verschiedener Unterklassen der Angiospermen [1].
Chloroplasten sind Organellen, die Fotosynthese betreiben – wie Mitochondrien verfügen sie über ein eigenes Erbgut. Im Fokus der Analyse standen die DNA-Sequenzen von 81 Genen. Ein Forscherteam um Michael Moore von der Universität von Florida in Gainesville nahm denselben Versuch vor, beschränkte sich dabei allerdings auf die Analyse von 61 Genen bei 45 Spezies [2].
Nach den Ergebnissen beider Gruppen haben sich die Bedecktsamer bereits unmittelbar nach ihrem ersten Auftreten in drei Unterklassen aufgeteilt: in die Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrigen, die Einfurchenpollen-Zweikeimblättrigen sowie in die Einkeimblättrigen. Demnach erfuhren die Pflanzen eine rasche Diversifizierung, sodass sich in weniger als fünf Millionen Jahren fünf große Abzweigungen des gemeinsamen Entwicklungspfads herausbildeten.
Als Erstes spaltete sich der immergrüne Strauch Amborella trichopoda ab, wie die Analyse der Forscher um Jansen nun ergab. Allerdings ist die in Neukaledonien beheimatete Pflanze die einzige Art innerhalb ihrer Familie und bildet somit ein isoliertes Taxon.
Mit Hilfe der bislang größten genetischen Analyse konnten die Forscher auch die weiteren Entwicklungslinien der Bedecktsamer nachzeichnen – und zwar so exakt wie nie zuvor. Vor allem das Verhältnis der beiden Klassen der Ein- und Zweikeimblättrigen überraschte die Wissenschaftler, weil sie sich offensichtlich aus dem gleichen Vorfahren entwickelt haben und damit enger miteinander verwandt sind als bislang angenommen.
Der von Jansen nun postulierte Stammbaum der Angiospermen ergänzt also ihre bislang bekannte Entwicklungsgeschichte um zwei wichtige Details. Warum die Artenvielfalt so plötzlich explodierte, wissen die Forscher allerdings immer noch nicht. Darwins Wissen ist damit zwar überholt – sein "abscheuliches" Geheimnis bleibt aber wohl noch eine Weile ungelüftet.
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