Biomechanik: Das alte Lied vom Gehen und Laufen
Gehen Sie noch, oder laufen Sie schon? Bei den meisten Vierbeinern ist der Unterschied zwischen diesen beiden Varianten leicht zu erkennen. Nicht so bei der Brückenechse und Salamandern - diese ursprünglichen Tiere verraten erst im Labor, in welchem Modus sie sich gerade fortbewegen.
In den Händen von Wissenschaftlern können selbst einfachste Tätigkeiten zu verworrenen Komplexen aus Energien, Diagrammen, Zyklen und Kräften werden. Ein schlendernder Hund zum Beispiel ist sich vermutlich kaum bewusst, dass sich sein Massezentrum während des Gehens bei jedem Schritt ein wenig nach oben verschiebt und seine Bewegungsenergie mit der potenziellen Energie durch die Schwerkraft ein phasenverschobenes Wechselspiel vollführt, ähnlich dem Pendel einer Uhr. Erst wenn er schneller wird und in den Laufmodus überwechselt, ändern sich die Zuordnungen. Nun schwingen kinetische und potenzielle Energie im Gleichklang, während das Massezentrum in der Mitte jedes Satzes nach unten durchhängt. Dem Hund wird das Wurst sein, solange er selbige erwischt und auffressen darf. Der Wissenschaftler fragt sich indes, ob alle Vierbeiner zwischen Gehen und Laufen unterscheiden und ob sie das schon immer getan haben.
Auf einer mit Schmirgelpapier ausgelegten Teststrecke mit eingebauten Kraftsensoren mussten Salamander und Echse ihr gesamtes Repertoire an Fortbewegung demonstrieren, von gemächlich bis zum maximalen Renntempo – stets beobachtet von einer Hochgeschwindigkeitskamera. Die Daten kombinierten die Wissenschaftler anschließend wie beim Hund zu Diagrammen, Trajektorien und Kräftevergleichen.
Die Schildkröte ist also weiterhin der einzige bekannte Vierbeiner, bei dem das Laufen nicht so recht klappen will. Aber das wäre auch etwas viel verlangt von jemandem, der stets sein Eigenheim mit sich trägt. Für alle anderen gilt: Weiterhin viel Freude beim Joggen – wie kompliziert das Fitnesstraining in den Augen der Wissenschaft auch sein mag.
Auch Stephen Reilly von der Ohio University und seine Kollegen beschäftigen sich damit. Und weil der zweite Teil ihrer Frage nach der ursprünglichen vierbeinigen Fortbewegung auf sehr alte Zeiten zurückgreift, suchten sich die Forscher Probanden, deren Erscheinungsbild mindestens seit Urzeiten nicht wesentlich aktualisiert wurde. Ihre Wahl fiel auf den Tigersalamander (Ambystoma tigrinum) und die Brückenechse (Sphenodon punctatus), die seit guten 150 Millionen beziehungsweise 225 Millionen Jahren auf den gleichen Bauplan setzen und damit eine Gangweise haben dürften wie die Urururgroßväter aller Landlebewesen.
Auf einer mit Schmirgelpapier ausgelegten Teststrecke mit eingebauten Kraftsensoren mussten Salamander und Echse ihr gesamtes Repertoire an Fortbewegung demonstrieren, von gemächlich bis zum maximalen Renntempo – stets beobachtet von einer Hochgeschwindigkeitskamera. Die Daten kombinierten die Wissenschaftler anschließend wie beim Hund zu Diagrammen, Trajektorien und Kräftevergleichen.
Und siehe da: Brückenechse und Tigersalamander setzen ganz neue Maßstäbe für den Anfang allen Schreitens. Beide Kandidaten konnten nämlich sowohl phasenverschoben gehen als auch in Phase laufen, obwohl sie nur eine Schrittvariante kennen: Sie setzen diagonal gekoppelt ihre Beinpaare nach vorn, also vorne links zusammen mit hinten rechts und vorne rechts im Verbund mit hinten links – egal, welches Tempo gerade angesagt ist. Die Gangschaltung zwischen Gehen und Laufen mag darum unterschiedlich umgesetzt sein – eingebaut war sie jedoch vermutlich schon in den frühesten landlebenden Vierbeinern.
Die Schildkröte ist also weiterhin der einzige bekannte Vierbeiner, bei dem das Laufen nicht so recht klappen will. Aber das wäre auch etwas viel verlangt von jemandem, der stets sein Eigenheim mit sich trägt. Für alle anderen gilt: Weiterhin viel Freude beim Joggen – wie kompliziert das Fitnesstraining in den Augen der Wissenschaft auch sein mag.
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