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Materialismus versus Moral: Das Dirty-Money-Dilemma

Die verborgene Dimension der Dinge: wann moralische Kosten schwerer wiegen als materielle Vorteile.
Eine Hand bietet dem Betrachter einen Stapel Geldscheine an

Im Mai 2019 verkündete das Metropolitan Museum of Art in New York, es werde künftig keine Spendengelder mehr von der wohlhabenden Sackler-Familie annehmen. Deren Vermögen stammt aus dem Verkauf von Opioiden, jenen Schmerz- und Beruhigungsmitteln, die jedes Jahr Tausende von Menschen in den USA das Leben kosten. Zuvor hatte das Museum die Spenden jahrelang dankend angenommen. Warum der Sinneswandel?

An diesem Beispiel erklären Arber Tasimi und James Gross von der Stanford University ihr Forschungsthema: das »Dirty-Money-Dilemma«. Rein rational sollte die Sache klar sein: Der objektive Wert des Geldes ist derselbe, egal, aus welcher Quelle es kommt. Doch der Wert, den wir Objekten beimessen, werde auch von ihrer Geschichte mitbestimmt, sagen die beiden Psychologen. Schon Kleinkinder hätten ein intuitives Verständnis für diese »verborgene Realität«, in der die Dinge nicht nur einen materiellen, sondern auch einen psychologischen Wert haben.

Deshalb wolle praktisch niemand gestohlenes Geld annehmen, wie eine Versuchsreihe von Tasimi und Susan Gelman zeigte. Das offenbarte auch ein Experiment, das 2019 auf der Tagung der Cognitive Science Society vorgestellt wurde: Versuchspersonen wollten sich einen geklauten 100-Dollar-Schein weniger gern schenken lassen als einen Schein, mit dem sich jemand seine triefende Nase abgewischt hatte.

Ob wir Geld aus moralisch fragwürdigen Quellen annehmen, hänge unter anderem davon ab, so Tasimi und Gross, welches Bild wir von uns selbst haben und wie wir uns darstellen wollen. Ist unsere Entscheidung öffentlich, verschiebe sich der Fokus weg von materialistischen und hin zu moralischen Aspekten – wie im Fall des Metropolitan Museum of Art, als sich öffentlicher Protest regte und andere Museen ankündigten, keine Spenden mehr von den Sacklers anzunehmen.

Beim Abwägen zwischen den widerstreitenden Impulsen kommt es natürlich auch darauf an, wie groß der materielle Vorteil ist. Bei Kleinkindern genügen schon ein paar Cracker, wie Tasimi und Kollegin Karen Wynn berichten. Sie stellten Einjährige vor eine schwere Wahl: einen Cracker von jemandem zu bekommen, der sich anderen gegenüber hilfsbereit verhalten hatte, oder aber zwei Cracker von jemandem, der andere geärgert hatte. Nur rund jedes fünfte Kind entschied sich für die zweite Option. Ging es aber um acht Stück, entschieden sich knapp 70 Prozent für die Cracker aus schlechten Händen. Kein Wunder also, wenn selbst renommierte kulturelle Institutionen bei großzügigen Spenden gerne mal das moralische Auge zudrücken.

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