Direkt zum Inhalt

News: Das Fieber entkoppeln

Sie sind klein, bunt und halten wach: Ecstasy-Tabletten, heiß begehrt unter vielen Partygängern, wenn das Abtanzen mal wieder bis in den Morgen Spaß machen soll. Heiß allerdings sind auch die Folgen: Zu viel des Zeugs, und die Körpertemperatur klettert in schwindelnde, manchmal tödliche Höhen. Was steckt dahinter?
Ecstasy-Tabletten
Eine Studie der Vereinten Nationen brachte alarmierende Zahlen an den Tag: Der Ecstasy-Gebrauch stieg in den Jahren von 1995 bis 2000 um 70 Prozent an. Damit verbunden mehrten sich auch die Todesfälle durch die beliebte aufputschende Designer-Droge. Die meisten eingelieferten Patienten starben an innerer Überhitzung, die im Körper die Skelettmuskulatur zerstört und letztendlich die Organe, beginnend bei der Niere, versagen lässt.

Dabei ist die Produktion von Wärme ein ganz normaler, in manchen Fällen sogar überlebenswichtiger Vorgang. Dem Körper stehen hierfür zwei Wege offen: Er beginnt zu zittern, oder er produziert Wärme statt der Energiewährung ATP. Dafür öffnen so genannte Entkopplerproteine in den inneren Membranen der Zellkraftwerke – den Mitochondrien – einen alternativen Durchschlupf für Protonen, die im Laufe der Atmungskette nach außen geschaufelt werden. Anstatt über ihren regulären Weg ins Innere zurückzukehren und dabei der ATP-Produktion zu dienen, nutzen sie diese Abkürzung. Durch den Kurzschluss bleibt ihre Energie ungenutzt und wird in Form von Wärme frei.

Jene Entkopplerproteine weckten das Interesse von Edward Mills und seinen Kollegen. Die Wissenschaftler von den National Institutes of Health untersuchten den Wärmehaushalt von Mäusen, denen das Entkopplerprotein UCP-3 (uncoupling protein 3) fehlt. Die Tiere zeigen eine normale Körpertemperatur und passen sich auch in kühleren Umgebungen den Bedingungen an. Aber gegenüber ihren unveränderten Artgenossen zeigten sie eine interessante Reaktion: MDMA – also Ecstasy – ließ sie, zumindest beim Blick auf das Thermometer, kalt. Anders die Kontrollnager: Bei ihnen stieg die Körpertemperatur, abhängig von der Dosis, stark an.

Nur eine winzige Temperaturerhöhung beobachteten die Forscher bei den Knockout-Mäusen, für die allerdings ein weiteres Entkopplungsproteins, das UCP-2, verantwortlich sein könnte. Alternativ dazu spielten vielleicht andere Mechanismen zur Temperaturanpassung, wie eine Verängung der Gefäße, eine Rolle, erklären Mills und seine Mitarbeiter.

Der Mangel an dem Entkoppler UCP-3 und damit Ausfall der Zellheizung erwies sich für die Tiere sogar als Lebensretter, denn als die Forscher den Nagern letale Dosen der Droge verabreichten, bekamen sie zwar leichtes Fieber, überstanden die Prozedur im Gegensatz zu ihren ebenfalls behandelten, aber genetisch nicht veränderten Artgenossen ohne Probleme.

Dahinter könnte sich auch die Erklärung verbergen, warum Ecstasy-Konsumenten derart verschieden auf exzessiven Gebrauch der Droge reagieren: Die Entkopplungsstrategie ihrer Skelettmuskulatur, der bevorzugte Sitz von UCP-3, stimmt nicht überein. Und außerdem greifen noch andere Verbindungen in die Wärmeproduktion durch Kurzschluss ein. So ist zum Beispiel bekannt, dass Schilddrüsenhormone die Aktivität des Durchschlupfanbieters UCP-3 ankurbeln, und dass eine Behandlung mit diesem Hormon die temperaturerhöhenden Effekte anderer Amphetamine steigern kann.

Die Forscher hoffen, dass sich nun ein Medikament entwickeln lässt, das am Mechanismus der Entkopplerproteine angreift. Denn das könnte Leben retten – wenigstens für einige jener Partygänger, die sonst einen womöglich tödlichen Preis für das drogengestützte Abtanzen bis zum Morgen zahlen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.