News: Das Futter macht's
Die alte Maxime 'Man ist, was man ißt' gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Kühe. Anscheinend trägt die Fütterung der Rinder einen großen Teil Verantwortung für Infektionen von Menschen mit schädlichen Stämmen des Bakteriums Escherichia coli. Wenn Rinder nämlich das falsche Futter fressen, vermehren sich in ihnen verstärkt pathogene Bakterien. Nehmen dann Menschen diese Krankheitserreger mit ihrem Essen zu sich, können gefährliche Infektionen auftreten.
Allein in den USA erkranken jährlich 30 Millionen Menschen an Krankheiten, deren Verursacher mit der Nahrung übertragen werden. Insbesondere nehmen Infektionen mit bestimmten schädlichen Stämmen des Bakteriums Escherichia coli zu, die tödlich enden können. Forscher der Cornell University zeigen in einer neuen Studie, daß Rinder verstärkt gefährliche Bakterien übertragen, wenn sie mit Getreide statt mit Heu gefüttert werden (Science vom 11. September 1998).
Von Rindern ist bekannt, daß sie die Ausbreitung von pathogenen Escherichia coli-Stämmen unterstützen. Die Bakterien leben im Verdauungstrakt der Tiere – wie auch in dem des Menschen – und sind daher auch in den Fäkalien der Rinder zu finden. Kuhdung gilt als der Schuldige hinter infizierten Hamburgerfrikadellen und anderen Produkten, da es praktisch unmöglich ist, beim Schlachten jegliche Kontamination des Fleisches mit Fäkalien zu verhindern. Auch Obst und Gemüse können verseucht sein, wenn sie mit Rindermist gedüngt wurden. James B. Russell, Mikrobiologe am U.S. Department of Agriculture und Fakultätsmitglied der Cornell Section of Microbiology, Francisco Diaz-Gonzalez und ihre Kollegen entdeckten jetzt, daß die Fütterung der Tiere sowohl die Gesamtmenge an E. coli in Rinderfäkalien als auch den Anteil der verschiedenen Bakterienstämme beeinflußt.
Die Ernährung der Rinder kann den Lebensraum für die gefährlichen pathogenen E. coli-Stämme wie O157:H7 verbessern. Seit dem Zweiten Weltkrieg werden Mastrinder hauptsächlich mit großen Mengen an stärkehaltigem Getreide und nur mit wenig Heu gefüttert. Die Tiere besitzen allerdings nicht genügend stärkespaltende Enzyme, um die Stärke vollständig zu verdauen. Diese durchläuft deshalb den Verdauungstrakt bis zum Dickdarm (Colon), wo sie fermentiert. Dadurch verschiebt sich das Milieu im Colon, in dem Escherichia coli lebt, in den sauren Bereich. Wenn das Bakterium unter solchen Bedingungen heranwächst, kann es die extreme Säureresistenz entwickeln, die nötig ist, um den Angriff der Magensäure zu überleben – die den Menschen vor Krankheitserregern schützen soll, die mit der Nahrung übertragen werden.
Diaz-Gonzalez und seine Mitarbeiter verglichen die Ausscheidungen von Rindern, die mit Getreide gefüttert wurden, mit denen von Kühen, die Heu bekamen. Im Colon der Tiere, die Getreide fraßen, fanden sie höhere Gesamtmengen an E. coli. Zusätzlich waren die Bakterien bei diesen Tieren auch säureresistenter als bei den anderen.
Getreide ist billiger und nährstoffreicher als Heu, so daß die Rinder auf preisgünstige Weise schnell zunehmen. Daher ist es unwahrscheinlich, daß Viehbesitzer aufhören werden, ihre Tiere damit zu mästen. Menge und Virulenz der Bakterien in den Fäkalien der Rinder werden aber schon reduziert, wenn sie vor dem Schlachten für einige Tage mit Heu gefüttert werden. Daher könnte es das Risiko durch Nahrung übertragener E. coli-Infektionen signifikant senken, wenn den Tieren kurze Zeit vor dem Schlachttermin Heu als Futter gegeben würde, schreiben die Forscher.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 16.6.1998
"Alte Keime – neue Risiken"
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